Obwohl die deutsch-britischen Wirtschaftsbeziehungen auf eine lange Tradition zurück blicken, seien die kulturbedingten Unterschiede in der deutsch-britischen Wirtschaftszusammenarbeit ausgeprägt, schreiben Stefan Schmid und Alexander Thomas im Vorwort zu Beruflich in Grossbritannien. Man fragt sich da unwillkürlich, ob es vielleicht für die deutsch-britischen Beziehungen nicht besser wäre, wenn Deutsche und Briten nicht miteinander Handel trieben? Forschungsarbeiten würden zudem zeigen, „dass nicht zu erwarten ist, dass mit zunehmender Intensivierung der deutsch-britischen Zusammenarbeit in quantitativer und qualitativer Hinsicht durch Konvergenzprozesse diese Unterschiede nivelliert werden. Vielmehr ist zu beobachten, dass mit zunehmender internationaler Kooperation in gewissen Sektoren zwar Konvergenztendenzen auftreten, dafür aber in anderen Bereich divergierende Einflussfaktoren an Bedeutung zunehmen.“
Nun ja, wer dermassen hölzern schreibt, trägt seinen Teil dazu bei, dass eine Verständigung (sowohl zwischen Vertretern verschiedener Kulturen als auch unter Angehörigen ein und derselben Kultur) unnötig schwierig bleibt. Glücklicherweise geht es sprachlich nicht so weiter.
In der Einführung machen die Autoren Wesentliches klar: „Englisch zu sprechen heisst nicht, Briten zu verstehen.“ In der Tat, doch es gilt auch: Wer nicht wirklich gut Englisch spricht, hat wenig Chancen, Briten zu verstehen, denn diesen dient ihre Sprache häufig eher als Waffe denn als Mittel zu Verständigung. Zudem: Humor und Ironie sind den Briten ganz wichtige Elemente im Umgang miteinander und für diese braucht man ein gut entwickeltes Sprachverständnis. Wer das nicht hat, gilt in Britannien schnell einmal als hoffnungsloser Fall.
Wer sich interkulturell erfolgreich verständigen will, muss sowohl die eigene als auch die Zielkultur verstehen. Das kann man, bis zu einem gewissen Grad, trainieren. Schmid und Thomas bedienen sich der in den USA entwickelten Culture Assimilator-Trainingsmethode: „Es setzt sich aus einer Vielzahl von Situationen zusammen, die Missverständnisse zwischen Deutschen und Briten illustrieren … Dem Lernenden werden zu jeder der dargestellten Situation vier unterschiedlich zutreffende Erklärungsmöglichkeiten (Deutungen) angeboten. Er soll nun jede dieser Alternativen dahingehend einschätzen, ob sie die Situation treffend erklärt. Anschliessend erhält der Benutzer Rückmeldungen (Bedeutungen) zu den Erklärungen und kann feststellen, inwieweit seine Annahmen zutreffen.“
Gegliedert ist das Buch in sieben Themenbereiche: Selbstdisziplin, Indirektheit interpersonaler Kommunikation, Ritualisierung, Pragmatismus, Ritualisierte Regelverletzung, Interpersonale Distanzreduzierung und Deutschlandstereotyp – übrigens: die Lektüre lohnt nicht nur für Deutsche. Nehmen wir das Thema „Selbstdisziplin“: unterteilt ist er in fünf Beispiele: Nimm dir einen Keks; Geburtstagswünsche; Der Feueralarm; Royal Opera; Die Diskussion. Anschliessend folgt ein erläuternder Text zur „Selbstdisziplin“. Die anderen sechs Themenbereiche sind ebenso aufgebaut.
Ein solches Buch zu schreiben ist schwierig, weil man um Verallgemeinerungen nicht herumkommt und sich Erfahrungen, die notgedrungen individuell sind, manchmal nur schwer verallgemeinern lassen. Die Autoren wissen das und halten denn auch in ihrer Schlussbemerkung fest: „Die Bandbreite der Verhaltensweisen bei Briten ist ebenso wie bei Deutschen durch persönliche Erfahrungen, Schichtzugehörigkeit, Lebensraum, Alter und andere Merkmale geprägt. Den Rahmen dafür bilden allerdings die im jeweiligen Kulturraum gültigen Regeln und Normen, die in diesem Training in Form von Kulturstandards beschrieben sind.“
Das Buch hat ein paar Schwächen. Wenn man zum Beispiel liest, dass es „zur englischen Grundvorstellung von Höflichkeit“ gehöre, „dass man die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu kontrollieren und verbergen vermag“, kann man sich schon fragen, was daran so besonders Englisch sein soll. Das ist aus dem Zusammenhang gerissen? Also gut, hier der nächste Satz: „Dahinter steht die Idee, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und dadurch eventuell andere nicht unfairerweise zu benachteiligen“. Auch dies ist nichts so besonders Englisch, möchte man meinen. Zudem: Wollen die Autoren etwa suggerieren („eventuell andere nicht unfairerweise benachteiligen“), dass „faire“ Benachteiligungen (was immer das sein mag) in Ordnung wären?
Die Autoren betonen unter anderem, dass die Engländer sich sehr indirekt untereinander austauschen; sie nennen das „Indirektheit interpersonaler Kommunikation“. Man denke an Formulierungen wie „I am not quite sure, but…“ oder „I might be wrong, but …“. Diese seien, so die Autoren, „nicht Ausdruck einer grösseren Unsicherheit oder Unentschlossenheit auf Seiten der Briten. Sie dienen vielmehr dazu, dem (??) Gegenüber nicht vor den Kopf zu stossen und Achtung vor seiner Meinung zu signalisieren.“ Daraus auf „eine völlig andere Diskussionskultur als in Deutschland“ zu schliessen, ist sicher richtig, doch nicht im Sinne von Englisch = indirekt; Deutsch = direkt, sondern häufig gerade umgekehrt. Sieht man etwa die Presse als Teil der Diskussionskultur, so ist nämlich die englische viel direkter, viel angriffiger, viel persönlicher, und viel meinungsfreudiger als die deutsche.
Summa summarum: Ein differenziertes und kluges, ein gelungenes und anregendes Buch, das einen motiviert, mit und selber zu denken. Nicht nur über die fremde, auch über die eigene Kultur.
Stefan Schmid / Alexander Thomas
Beruflich in Grossbritannien
Trainingsprogramm für Manager, Fach– und Führungskräfte
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003
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