Tuesday, 30 June 2009

Das vergessene Gestern

„Was Sie in Händen halten, sind 975 Gramm Erinnerungen an eine verflossene Zeit. Eine Zeit, in der alles noch gemächlicher vor sich ging. Eine Zeit ohne Mobiltelefone, iPod, Bildbearbeitung, Glasfaserkabel und dergleichen. Eine andere Zeit, aber weder eine bessere noch eine schlechtere. Damals brachte der Pöstler noch zweimal täglich – am Vormittag und am Nachmittag – die Post ins Haus. Damals hatte die „Neue Zürcher Zeitung“ – welch ein Luxus – werktags drei Ausgaben: Eine am Morgen, eine am Mittag und eine am Nachmittag.“

Mit diesen Zeilen leitet der Fotograf Charly Bieler sein gelungenes Werk Das vergessene Gestern ein – ich fühlte mich sofort gepackt. Täglich drei Ausgaben der NZZ? Ich staunte. Und es war nicht das einzige Mal, denn bei der Beschäftigung mit diesem Bildband gibt es Einiges zu staunen. So war mir zum Beispiel gänzlich unbekannt, dass es bis Ende Juli 1997 in Chur eine Schokoladefabrik, Chocolat Grison, gegeben hat. Oder, bis 1979, dampfbetriebene, fahrende Schnapsbrennereien, mit denen man auf die Stör ging – „Ich mag mich nicht mehr entsinnen, wo diese Aufnahme entstand: Gesichert ist einzig dies …“, liest man im Text, der dem Bild beigegeben ist, und es sind nicht zuletzt solche Informationen, die Bielers Fotos die Glaubwürdigkeit verleihen, die überzeugenden Fotojournalismus auszeichnen.

Mit diesem Buch Zeit zu verbringen, bedeutet auch, an den Entdeckungen, die Charly Bieler gemacht hat, teilzuhaben. An dieser hier zum Beispiel: „An diesem Tag verstand ich die Welt nicht mehr. Ich stand vor dem kleinen Bahnhofsgebäude in Morteratsch bei Pontresina und blickte durch ein Fenster in die Schalterhalle. Dort schien die Zeit stillgestanden zu sein. Der Raum präsentierte sich wie ein Bahnhof aus meiner Jugendzeit, und auch am Stationsgebäude waren einige Dinge angebracht, die eigentlich in dieser Zeit nichts mehr zu suchen hatten. Jedenfalls war ich erstaunt, dass ich den alten Bahnhof nicht schon bei meinen früheren Besuchen wahrgenommen hatte.“ In der Folge stellte sich dann heraus, „dass alles nur Kulisse für eine Hollywoodproduktion“ war und „High Noon“-Regisseur Fred Zinnemann vor Ort drehte, und zwar mit Sean Connery und Betsy Brantley.

Es gehört zum Wesen der Fotografie, dass vor Jahren gemachte Schnappschüsse im Rückblick plötzlich anders gesehen werden als dies zur Zeit der Aufnahme der Fall gewesen ist. So zeigt ein Foto etwa den gerade zum Bundesrat gewählten Leon Schlumpf beim Handharmonikaspiel zusammen mit seiner damals 23jährigen Tochter, der heutigen Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf – besonders fröhlich ist es dabei offenbar nicht zu und her gegangen.

Der Fotograf Bieler hat ein ungemein lehrreiches Buch geschaffen, eine Fotodokumentation wie sie besser fast nicht sein könnte und das meint, dass Text und Bild sich nicht nur ergänzen, sondern zusammengehören. Ein Beispiel: Unter dem Titel „Füchse impfen“ findet man eine Aufnahme vom 18. Mai 1982, die in der Lagerhalle des Kuoni-Areals im Karlihof in Chur aufgenommen wurde und die Schürzen und Handschuhe tragende Männer zeigt, die, wie der Begleittext erläutert, Hühnerköpfe mit einem Impfstoff präparieren, um sie dann als Köder auszulegen, da der Tollwut Virus in Graubünden auf den Fuchsbestand übergegriffen hatte. „Die Aktion war von Erfolg gekrönt: Bald darauf war die – für Menschen nach einem Biss tödlich verlaufende – Krankheit eingedämmt.“ Anschaulicher kann man eigentlich Geschichte nicht vermitteln.

Charly Bieler beschreibt seine Arbeit selber so:
Ich war dabei.
Und manchmal war ich auch der Erste.
So Sachen aus Graubünden.
Das Aussergewöhnliche des Gewöhnlichen.
Oder von der Wichtigkeit des Unwichtigen.
Mit meiner Nikon-Kamera habe ich ungewollt
Ein vergessenes Gestern konserviert.
Ich habe dabei nichts anderes getan,
als die tägliche Normalität einzufangen.
146 Mal Schwarzweiss in Schwarzweiss
dokumentiert.
120 Protokolle eines Neugierigen.

Bielers Selbsteinschätzung beschreibt diesen Bildband recht gut. Hinzugefügt gehört jedoch, dass ihm das, was er da alles fotografiert und getextet hat, wirklich gut gelungen ist.

Noch dies: Zu den letzten beiden Bildern (von Shawne Borer-Fielding das eine, von Matti, einer 19Jährigen aus Surinam, mit ihrer Tochter Dianas das andere), schreibt Bieler: „Eigentlich hätten diese beiden letzten, im Ausland entstandenen Fotos, in diesem Buch nichts zu suchen. Aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie dennoch zu publizieren. Sie gehören nämlich zu meinen Lieblingsbildern, die ich in den letzten 40 Jahren aufgenommen habe. Und sie stehen gleichzeitig als Symbol für die breite Palette an Themen, die ich in diesen vier Jahrzehnten meiner journalistischen Tätigkeit behandeln durfte.“ So gelungen ich beide Aufnahmen auch finde, mein eigenes Lieblingsfoto in diesem Band ist ein anderes: es zeigt die Pappelallee der Kantonsstrasse von Bad Ragaz nach Landquart, das Bieler treffend so kommentiert: „Welch ein Licht! … Es war ein Morgen zum Umarmen!“.
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Charly Bieler
Das vergessene Gestern
Südostschweiz Buchverlag Zürich/Chur 2009

Sunday, 28 June 2009

The dark side of Dubai

On a stopover at Dubai airport in March of this year, I picked up a copy of Gulf News that in one of its articles asked "Can you hold hands with your partner in public in Dubai?". The blogosphere had been "abuzz with this question", the article said. Well, that this should be a question to be considered is somewhat beyond me (unless journalism's sole purpose should be to distract) for there are quite some other things that we should actually be concerned with when it comes to Dubai. I suggest to read Johann Hari's "The dark side of Dubai" in The Independent of 7 April 2009 - it is excellent journalism, it left me disturbed and I felt I had learned quite a bit. Here's the link.

Friday, 26 June 2009

The present

This is it, I think, right now, the present, this empty gas station, here, this western wind, this tang of coffee on the tongue, and I am patting the puppy, I am watching the mountain. And the second I verbalize this awareness in my brain, I cease to see the mountain or feel the puppy. I am opaque, so much black asphalt. But at the same second, the second I know I've lost it, I also realize that the puppy is still squirming on his back under my hand. Nothing has changed for him. He draws his legs down to stretch the skin taut so he feels every fingertip's stroke along his furred and arching side, his flank, his flung-back throat.
Annie Dillard: Pilgrim at Tinker Creek

Wednesday, 24 June 2009

Identity (2)

As I've mentioned in a previous post, identity is not only how we choose to see ourselves, it is also how others choose to see us - whether they can literally see or not.

A few days ago, while attentively examining the shelves of the local supermarket for the daily bargains, I heard the voice of a man behind me asking something I did not understand. I turned around: Are you talking to me? The man, taller than me, seemed to look somehow past me and said: Are you working here? I felt slightly irritated, nobody has ever mistaken me for a supermarket employee. Besides, I was wearing white sneakers, blue jeans, a T-shirt and a jacket. I mean: people who work in supermarkets aren't dressed like that, right? Well, who knows nowadays? In my younger years, the ones wearing long hair and a pony were rock musicians, today they are selling train tickets, are into yodelling or work in advertising. Still, I could not imagine why this man seemed to think that I might be working in this supermarket and so I said mockingly: Don't the employees in here wear blue uniforms? Ah, he said and started to turn away. Only then I realised that he was holding a rather long stick close to his chest and it dawned on me that this might be a blindman's stick. Can't you see? I asked politely. No, he said. Do you want to speak to somebody from the store? Yes, he answered. Allright, I said, take my arm and I will lead you to one of the regular employees of the store. And off we went.

Monday, 22 June 2009

Die ungenaue Lage des Paradieses

Ich habe letzthin ein in jeder Hinsicht tolles Buch ausgelesen: Die ungenaue Lage des Paradieses von Peter Haff. Ein gescheites, differenziertes, anregendes, aufmerksames, ja waches Werk, das von einer Reise zu den einst berühmtesten Städten der östlichen Hempshäre berichtet - nach Petra, Muskat, Rangoon, Pagan, Vientiane, Luang Prabang, Angkor Wat, Kathmandu, Lhasa, Ulan Bator und Samarkand. Hier einige Auszüge:

Mir fällt eine Szene im Louvre ein, bei meinem letzten Besuch, wann immer das war. Ich ging so ziemlich als letzter durch die Gänge des klassischen Sektors, als Glocken ankündigten, dass es Zeit sei, den Bau zu verlassen. Da kam vom anderen Ende des Ganges eine junge Frau mit einem Kind daher. Sie schleppte das kleine Mädchen keuchend hinter sich her, stürzte auf mich zu, holte Atem und sagte, sorry, do you know, where is Mona Lisa? Sie stand fast davor. Ich zeigte ihr das Bild, sie jauchzte, oh, I did it, und raste davon.

Nachdem wir eine Weile gegangen sind, sagt Gamal einen Satz in unser Schweigen hinein, den ich nicht vergessen werde: Zwei Dinge kann man nicht anschauen, die Sonne und den Tod.

Was auffällt: Keiner ist da, wo er ist. Alle reden, während sie hier in Kambodscha auf dem Flughafen sitzen, von vergangenen Reisen oder erzählen davon, was sie tun werden, wenn sie wieder zu Hause oder auf einer nächsten, schon geplanten Reise sind.

Ich konnte immer wieder feststellen, dass einer unserer hartnäckigsten Wünsche darin besteht, das Leben nicht als willkürliches Verstreichen von Zeit zu betrachten, sondern als Kontinuum, das andauernd mit Zeremonien ausstraffiert werden muss, damit das Gefühl von Notwendigkeiten entsteht.

Um das Phänomen der Zeitdehnung anschaulich zu machen, hatte Einstein empfohlen, sich je eine Minute lang auf eine heisse Herdplatte und auf den Schoss einer schönen Frau zu setzen.

Durch unsere Gespräche auf Ausflügen oder in kleinen Bars oft bis tief in die Nacht vollzog sich das einzig Wichtige, das mir, dem Touristen, widerfahren konnte: Ich wurde von Augenblicken berührt, von Farben, Gerüchen, den Essenzen fremden menschlichen Lebens, sogar von der Substanz toter Steine. Ich liess für drei Wochen den ruhelosen, verachtenden Menschen, der an Geheimnissen vorbeieilt, hinter mir.

Vielleicht ist Bang Sang Hai das fünf Tagereisen westlich von Vieng Tjan gelegene Dorf, wo Edward-Tonelli bei einem sintflutartigen Gewitterregen am Ufer sass, und "nach all den strahlenden Burgen der Götter" sich überwältigt fühlte vom "Glück der Einfachheit und der ungeteilten Wahrnehmung des Augenblicks". Ich glaube nicht, dass Edward-Tonelli die Pracht und die Erhabenheit der Gotteshäuser gestört haben, ihm war das Schielen auf Künftiges suspekt. Dennoch blieben zwischen den Zeilen immer die Fragen: Sind die Burgen der Götter am Ende nichts anderes als ein Ausfluss des Göttlichen in uns selbst? Und: Könnten sie nichts weiter sein als Symbole des Dankes für empfangenes Glück? Aber wem danken? Wo wäre der Gott, der weder vorschreibt noch fordert und der dem Menschen den Wunsch nach dem Jenseits erspart? Wenn ich jetzt, an diesem paradiesischen Ort, an Edward-Tonellis Aufzeichnungen denke, geschieht es aus dem Gefühl, in ihm einen gefunden zu haben, den seine Reisen zu einem Künstler des Augenblicks machten; trotz aller Strapazen und Leiden kultivierte er die Musse als seinen Rosengarten, in dem er Knospen pflückte, so oft und so lange es ging.

Saturday, 20 June 2009

Man proud man

But man proud man
dressed in a little brief authority
most ignorant of what he's most assured
(his glassy essence) like an angry ape
plays such fantastic tricks before high heaven
as makes the angels weep who, with our spleens,
would all themselves laugh mortal.
William Shakespeare: Measure for Measure

Thursday, 18 June 2009

Intercultural Communication (2)

"We must learn", writes Tracy Novinger, whose useful tome Intercultural Communication (University of Texas Press, Austin), I have recommended before, "to speak a foreign culture in the same way we must learn to speak a foreign language." She illustrates her argument with this telling example:

"Isaura is an international attorney who practices in the United States and has a Guatemalan father, a Mexican mother, and a North American husband. On a trip to Guatemala to visit family, she was at a party and rose to dance with her brother to some traditional music that always set her feet to moving before she even stood up. Antonio and Isaura made a handsome pair. Isaura executed the intricate footwork to the lively tune, head up, shoulders back, widely flipping her skirt with her hands, turning her body and flashing her eyes to accentuate the measures. Antonio quietly told her, "Isaura, estás bailando muy a la mexicana. Aquí no se baila el son así." (Isaura, you are dancing too much in the Mexican style. Here people don't dance the son like that). Isaura then instinctively adjusted. For some reason, she had not made her cultural switch. She bowed her head slightly and cast her eyes down, put her shoulders forward, held her skirt with her hands close to her hips, and closely reined in the range of her movements. Her whole demeanor changes as she projected the humility customary in traditional Guatemalan folklore."

Wonderfully visual, this writing, isn't it?
Never has it been more obvious to me how different mentalities in Guatemala and in Mexico are - despite that these two countries are neighbours and their people speak the same tongue.

Tuesday, 16 June 2009

Crime Photography

Recently, while reading The Independent online, I came across yet another photographic category that was new to me: crime photography. What is this all about? I wondered and then began to read about a very interesting photographic competition:

The photograph captures a fleeting moment of violence, but it tells the story of far-reaching abuse. In the dusty streets of Simlana, a small village in Uttar Pradesh, northern India, a man is attacking a 12-year-old boy.

The boy's name is Pardip and he suffers from a neurological disorder that developed when he drank contaminated water sourced from the polluted Hindon river. But whose is the greater crime – the man hitting Pardip, or those whose disregard for the environment first led to his condition?

The Centre for Crime and Justice Studies, an educational charity based at Kings College London, has just announced the winners of its photographic competition, sponsored by the Wates Foundation, which asked for visual answers to the question "What is Crime?" The resulting exhibition, to be mounted in association with The Independent, includes Pardip by Alex Masi. One eminent competition judge, the film director Ken Loach, named it as his favourite entry.

Rather than traditional images of criminality and justice, such as prison bars or policemen, the competition organisers asked for photographs that would "stimulate thinking about harm, injustice and crime". The exhibition contains a series of powerful images in three categories – Environment, Finance and Violence – all of which ask the viewer to recalibrate their sense of what is, or isn't, criminal. Open to anyone, the competition attracted participation from a range of amateur and professional photographers.

For the full text, go here

Sunday, 14 June 2009

La libertà

Un uomo va dal suo re che ha grande fama di saggezza e gli chiede:
"Sire, dimmi, esiste la libertà nella vita?"
"Certo", gli risponde quello."Quante gambe hai?"
L'uomo si guarda, sorpreso della domanda. "Due, mio Signore."
"E tu, sei capace di stare su una?"
"Certo."
"Prova allora. Decidi su quale."
L'uomo pensa un po', poi tira su la sinistra, appoggiando tutto il proprio peso sulla gamba destra.
"Bene", dice il re. "E ora tira su anche quell'altra."
"Come? È impossibile, mio Signore!"
"Vedi? Questa è la libertà. Sei libero, ma solo di prendere la prima decisione. Poi non più."
Tiziano Terzani: Un altro giro di giostra

Friday, 12 June 2009

Photo Censorship

Remember the pic of U.S. soldier Lynndie England with a prisoner on a leash? We look at it and think we understand — and in a way we do because the message is, in a general sense, obvious and, needless to say, England's behaviour is indefensible. This photo is however also sending quite some other messages that are not visible — and they should, hopefully, trigger questions such as these: Was this the normal treatment of prisoners? Who ordered or allowed it? How many soldiers were involved, how many prisoners? Who did know about this? And so on and so on.

In order to understand photos we always need to ask the famous five W's and the one H ? Who was involved? What happened? When? Where? Why? And, How did it happen?

Photos are tricky: they ratify what happened before a lens at a given moment; they do however not tell us what happened before and after the shots were taken. By singling out one moment, photos do not tell us a story but point in a certain direction for photos are at best indicators. They represent fragments but never give the whole story. Actually, they do not tell a story at all but they can trigger quite a many.

This does not mean that we shouldn't see the photos that Barack Obama and his cronies do not want us to see — in fact, quite the contrary — it however means that when we eventually will get the chance to see these shots — and undoubtedly we will, the first surfaced already — we need to remember the men and women who, by blocking their release, contributed to the cover-up of these abuses.

For the full text go here

Wednesday, 10 June 2009

Pictures that I like (6)

These pictures of the Golden Gate Bridge (ever seen it with this house in front?) were taken in January 2008, within minutes of each other. I'd like to imagine that the one from further afar was taken first for I favour the idea of slowly approaching a scene that will then reveal itself differently. Since however life (and our approach to it) often does not conform to human desires (and made-up logic), I've decided to be equally happy with the other way 'round.

Copyright @ Emelle Sonh & Hans Durrer


Copyright @ Hans Durrer & Emelle Sonh

In case you've wondered about this rather unusual copyright: Emelle and I shared two cameras, one with color film, the other with black & white, and both of us are sure to have made color photos of the bridge & house - yet who took the ones shown, neither of us is really able to tell.

Monday, 8 June 2009

On Journalism (2)

Most essential insights on journalism (and on psychoanalysis, and on photography - on human nature, actually) I owe to Janet Malcolm of The New Yorker. The following quotes are from The Journalist and the Murderer and The Silent Woman

Every journalist who is not too stupid or too full of himself to notice what is going on knows that what he does is morally indefensible. He is a kind of confidence man preying on people’s vanity, ignorance, and loneliness gaining their trust and betraying them without remorse. Like the credulous widow who wakes up one day to find the charming young man and all her savings gone, s the consenting subject of a piece of nonfiction writing learns – when the article or book appears – his had lesson. Journalists justify their treachery in various ways according to their temperaments. The more pompous talk about freedom of speech and the “public’s right to now”; the least talented talk about Art; the seemliest murmur about earning a living.

The moral ambiguity of journalism lies not in its texts but in the relationships out of which they arise – relationships that are invariably and inescapably lopsided. The “good” characters in a piece of journalism are no less a product of the writer’s unholy power over another person than are the “bad” ones.

As I listened to Lucille Dillon, I felt more acutely conscious than ever of the surrealism that is at the heart of journalism. People tell journalists their stories as characters in dreams deliver their elliptical messages: without warning, without context, without concern for how odd they will sound when the dreamer awakens and repeats them. Here I sat, eating my Thanksgiving dinner with this stranger dressed in white, whom I would never see again, and whose existence for me henceforth would be on paper, as a sort of emblematic figure of the perils of the jury system.

What gives journalism its authenticity and vitality is the tension between the subject’s blind self-absorption and the journalist’s skepticism. Journalists who swallow the subject’s account whole and publish it are not journalists but publicists.

The freedom to be cruel is one of journalism’s uncontested privileges, and the rendering of subjects as if they were characters in bad novels is one of its widely accepted conventions.

The narratives of journalism (significantly called “stories”), like those of mythology and folklore, derive their power from their firm, undeviating sympathies and antipathies. Cinderella must remain good and the stepsisters bad. “Second stepsister not so bad after all” is not a good story.

Saturday, 6 June 2009

Good advice

Never buy anything from somebody who's out of breath.
David Carradine

Thursday, 4 June 2009

The only prerequisite for a political career

He felt that it was merely his lack of motivation that stopped him from running the country.
"Except that the boredom of the whole thing would drive me insane, but perhaps I'm there already. Madness now appears to be the only prerequisite for a political career."
Justine Hardy: Scoop-Wallah

Tuesday, 2 June 2009

Luftbilder

Der Fotograf Gerhard Launer zeige mit seinen Luftaufnahmen von Deutschland „überraschende, aussergewöhnliche Perspektiven“, schreibt („Bundespräsident a. D. Prof. Dr.“) Roman Herzog im Vorwort und man kann ihm da nur zustimmen, doch dass er dann hinzufügt: „Ohne Emotionalität lernen wir mit ihm unser Land neu zu sehen und seine Schönheit zu geniessen“ verwundert und irritiert etwas. Sicher, man sieht vieles neu und geniesst auch diese Schönheit, aber warum bloss "ohne Emotionalität"? Bilder setzen doch immer Emotionen frei, das ist Teil ihres Wesens.

Der Fotoband „Über Deutschland“ trägt den Untertitel „Texte und Landschaften“. Konkret meint das, dass neben den schön gestalteten Luftbildern Texte deutscher Dichter und Denker zu finden sind. Von Johann Wolfgang von Goethe etwa, oder von Friedrich Nietzsche, Hermann Hesse, Thomas Mann, Robert Gernhardt und anderen. „Es scheint manchmal“, so Roman Herzog, als hätten die Autoren ihre spontanen Eindrücke vor den Bildern formuliert.“ In der Tat und ganz besonders hat man dieses Gefühl, wenn man den Text von Ernst Willkomm zur Aufnahme der Nordsee bei Büsum bei Ebbe liest. Hier ein Ausschnitt: „Jene eigentümliche unterseeische Welt, welche in einer Ausdehnung von etwa siebzig geographischen Meilen bei dem Ablaufen der Flut and der schleswigschen Küste gleichsam aus dem Meer emporsteigt, nennt man die Watten der Nordsee. Sie bestehen grösstenteils aus einem fetten, dicken, schwarzgrauen Schlamm, der hin und wieder so fest ist, dass man ihn fast trockenen Fusses betreten kann, gewöhnlich aber ist er weich und zäh und besitzt eine solche Saugkraft, dass nicht nur kleine Gegenstände von einiger Schwere, sondern sogar Wracke gestrandeter Schiffe in gar nicht langer Zeit von ihm eingeschluckt werden.“ Oder wenn man Hermann Löns’ schönes Gedicht über den Vorfrühling an der Ostsee geniesst, das der Aufnahme der Insel Poel bei Wismar, beigegeben ist und so beginnt:

Hellgrüne Felder,
Braungrüne Wälder,
Jubelnder, jauchzender Singdrosselsang,
Erlsträucher blühen,
Strandläufer ziehen
Lockend und trillernd die Dünung entlang.

Die den Fotos an die Seite gestellten Texte ergänzen sich jedoch nicht immer so gut wie in den vorausgegangenen Beispielen: was etwa Hermann Hesse unter dem Titel „Einst in Würzburg“ dichtete, hat nämlich mit dem Bild von Würzburgs Alter Mainbrücke recht eigentlich nichts zu tun. Und der Aufnahme der modernen, mit Hochhäusern bestückten Frankfurter Innenstadt mit Hauptbahnhof einen Text auf dem Jahre 1848 beizugeben, macht auch nicht allzu viel Sinn … doch lassen wir das, es sind Details und überhaupt könnte man auch argumentieren, dass es Sinn und Zweck dieser Texte sei, den Betrachter zu einer zusätzlichen, bis anhin nicht bedachten Sichtweise zu inspirieren und dies ist zweifellos gelungen.

„Über Deutschland“ ist ein in jeder Hinsicht anregendes Buch. Zum einen, weil die Dinge auf Erden aus der Luft zu betrachten, einen in erster Linie staunen lässt, dann aber auch, weil die Fotografen Gerhard und Tobias (vier der Aufnahmen stammen von ihm) Launer über „the good eye“ verfügen (nein, das kann man nicht definieren, doch man merkt, wenn es einer hat) und schliesslich, weil man, um solche Aufnahmen machen zu können, auch erfindungsreich sein muss – es ist anzunehmen, dass noch nicht viele draufgekommen sind, das nächtlich beleuchtete Münchner Oktoberfest aus der Luft zu fotografieren.

Ganz speziell beeindruckend ist die farbenprächtige Aufnahme der Landschaft bei Würmlingen im Kreis Tuttlingen in Baden Württemberg, die auch das Titelbild schmückt. Und dann der Feringasee in Unterföhring bei München. Und der Weilheimer Marktplatz, auf dessen Pflastersteinen Wassily Kandinskys gleichnamiges Gemälde als farbige Bemalung umgesetzt ist. Und die terrassenförmig angelegten Reben bei Kaiserstuhl in Baden (die mich, auf den ersten Blick, an die Reisterrassen auf den Philippinen erinnerten). Und …

Gerhard Launers Luftbilder zeigen ein Deutschland, das ich so noch nie gesehen habe – das Buch ist eine Einladung zur Horizonterweiterung, einer schönen und farbenprächtigen.

Gerhard Launer
Über Deutschland
Texte und Landschaften /
Mit einem Vorwort von Roman Herzog
Knesebeck, München 2009