Sunday, 4 September 2011

Leonardo da Vinci

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Leonardo da Vinci hat mich immer schon fasziniert. Ein Universalgelehrter, kein Spezialist. Kaum vorstellbar im heutigen Zeitalter der Experten, wo man diesen Zeichner, Maler, Bildhauer, Konstrukteur und Naturphilosophen (die Aufzählung ist weder abschliessend noch vollständig) vermutlich als jemanden eingeschätzt hätte, der sich nicht entscheiden könne.

Meine da Vinci Faszination gründet unter anderem auf die Tatsache, dass sich Freud (dem wir die Erkenntnis verdanken, dass der Mensch nicht Herr in seinem eigenen Haus ist – eine Erkenntnis übrigens, die kaum zu Konsequenzen geführt hat) für Dmitri Mereschkowskis historischen da Vinci Roman begeisterte sowie auf den ihm zugeschriebenen Satz aus einem amerikanischen Mediationsbüchlein, der auf grundsätzlich Wesentliches verweist: „Oh Lord, thou givest us everything, at the price of an effort.“ Übrigens: der Mann arbeitete nicht selten 18 Stunden pro Tag.

Der nun vorliegende zweibändige Überblick „mit großen, ganzseitigen Detailansichten von Leonardos Meisterwerken lässt den Leser die feinsten Facetten seines Pinselstrichs erkunden“ , schreibt der Verlag.
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Es gibt bekanntlich ganz verschiedene Arten sich mit Bildbänden auseinanderzusetzen. Ich entscheide mich fürs Erste zum ziellosen Blättern im ersten der beiden Bände, den Gemälden. Meine Augen bleiben bei verschiedenen Madonnen hängen, beim Abendmahl und bei Aussagen wie diesen: „Es gibt vielleicht auf der ganzen Welt kein anderes Beispiel eines solch universalen, solch erfinderischen Geistes, der gleichzeitig so unfähig war, sich selbst zufriedenzustellen, so voller Sehnsucht nach dem Unendlichen, so natürlich verfeinert, so weit seinem Jahrhundert und den folgenden voraus. Seine Figuren drücken unfassbare Empfindsamkeit aus und erscheinen unglaublich durchgeistigt; sie überborden von unausgedrückten Ideen und Empfindungen.“ (Hippolyte Taine, 1866). Mit diesen Sätzen im Kopf gucke ich mir noch einmal das „Porträt der Ginevrade' Benci, um 1478-1480an und sehe nun genau das, was Hippolyte Taine mir vorgegeben hat, und zwar ganz besonders gut, weil mir auch grossflächige Ausschnitte davon gezeigt werden.
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Band zwei, das zeichnerische Werk, wird von Frank Zöllner und Johannes Nathan kenntnisreich eingeleitet (Band eins von Frank Zöllner). Besonders auffällig ist die enorme Vielfältigkeit sowohl in technischer, formaler als auch inhaltlicher Hinsicht. So finden sich etwa Studien zu Reitermonumenten und Pferden, zu Technik und Mechanik, Architektur, Pflanzen wie auch Zeichnungen zu Anatomie und Kartographie. Speziell beeindruckt war ich von den Gewandstudien. Johannes Nathan weist in seinem Begleittext darauf hin, dass die Zuschreibung von Kunstwerken der Renaissance noch heute Schwierigkeiten bereitet, da im 15. Jahrhundert Werke nicht signiert wurden. Man behilft sich mit Zeichenstil, verwendeten Materialien sowie Quellenzeugnissen.

Die beiden Bände sind in drei Teile gegliedert. Teil 1 behandelt Leonardos Leben und Werk in zehn Kapiteln, wobei alle seine Gemälde eingehend beschrieben und gedeutet werden – eine wunderbar lehrreiche Lektüre. Teil 2 besteht aus einem Werkverzeichnis der Gemälde. Teil 3 ist ein ausführliches Verzeichnis seiner Zeichnungen; eine Auswahl von 663 aus Tausenden ist nach Kategorien geordnet (Architektur, Proportionen, Figuren etc.) aufgeführt.
„Der grosse Leonardo blieb überhaupt sein ganzes Leben über in manchen Stücken kindlich; man sagt, dass alle grossen Männer etwas Infantiles bewahren müssen. Er spielte auch als Erwachsener weiter und wurde auch dadurch manchmal seinen Zeitgenossen unheimlich und unbegreiflich“, wird Freud in Band eins zitiert. Beispiele dafür liefern diese beiden schön gestalteten Bände zuhauf.

Frank Zöllner/Johannes Nathan: Leonardo da Vinci:
Band 1: Sämtliche Gemälde
Band 2: Das zeichnerische Werk

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