Sonnenuntergang über dem Sepulveda Boulevard
Los Angeles, Kalifornien, 1953
Emil Schulthess lebte von 1913 bis 1996, seine Basis war die Schweiz, doch das globale Unterwegssein war ihm Lebenselixier, schreibt Martin Gasser im Vorwort dieses prächtigen Bandes. Seine vielen Reisen legen denn auch Zeugnis davon ab, dass er in der Tat getrieben war "von unbändiger Abenteuerlust und dem Drang, mit seinen Kameras die letzten weissen Flecken auf der Weltkarte zu erforschen, mit dem Ziel, den Betrachtern seiner weltweit vertriebenen Foto-Reiseberichte präzise Fakten vorzulegen und immer mehr Zusammenhänge gleichzeitig zu präsentieren." Gasser weist auch darauf hin, dass Schulthess ein anderes Verständnis von Fotografie hatte, als die damals tonangebenden Gotthard Schuh, Jakob Tuggener und Werner Bischof, die einer subjektiven, künstlerischen Auffassung anhingen. "Für Schulthess war Fotografie nicht persönlicher Ausdruck, sondern ein Abbild der realen Welt, wie er sie wahrnahm und wie er sie unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel seinem Publikum vor Augen führen wollte."
Emil Schulthess war ein Einzelgänger, "ein selbsterzogener Wissenschaftler" (L. Fritz Gruber), mithin ein Mann ganz nach meinem Geschmack, weshalb ich denn auch diesen Band positivist gestimmt angegangen bin. Den Auftakt bildet Schulthess' wohl berühmteste Aufnahme, sein Panoramabild der Mitternachtssonne, aufgenommen im nordnorwegischen Hekkingen im Juni 1950. Es setzt sich aus 24 zu Streifen beschnittenen Einzelbildern zusammen, die zusammen die Sinuskurve der Sonne abbilden. Die Mitternachtssonne wurde sowohl in Europa als auch in den USA veröffentlicht, der hauptsächlichste Grund für ihren Erfolg lag in ihrer Komposition. Schulthess stellte die Kamera so auf, "dass die Sinuskurve der Mitternachtssonne über eine abwechslungsreiche Landschaft aus Meer und Inseln zu liegen kam und diese in ein reizvolles Chiaroscuro tauchte. Schliesslich ergaben sich dank dem Farbfilm spektakuläre Effekte im Himmel und auf dem Wasser....".
Alexis Schwarzenbach hat "den umfangreichen schriftlichen Teil des Schullthess-Archivs gesichtet, aufgearbeitet und in eine ausführliche Biografie des Fotografen geformt", schreibt Martin Gasser. Anzunehmen ist, dass er sich darüber hinaus auch mit den Fotos beschäftigt hat.
Schulthess machte eine Lehre als Grafiker, in seinem letzten Lehrjahr bekam er die Möglichkeit die Photoklasse von Hans Finsler als Hospitant zu besuchen. Finsler war der Neuen Sachlichkeit verpflichtet. "Das Ei hat eine vollkommene Form. Es ist ein ideales Objekt der Fotografie", war sein Credo. Hugo Loetscher präzisierte: "Das Ei, das Finsler photographierte, war nie das Ei, das ein Huhn legt, nicht das Ei, das eine Bäuerin aus dem Nest holt, und auch keines, aus dem ein Küken schlüpft, und schon gar nicht ein verschmutztes Ei, sondern es war ein Studio-Ei, poliert, ohne Milieu und Geschichte." Für Schulthess war zentral, dass Finsler in ihm "den Ernst gegenüber dem Objekt" weckte.
Der vorliegende Band enthält unter vielen anderen auch Aufnahmen aus der Sowjetunion. Faszinierend fand ich unter anderem, dass die Strasse zwischen Tschopp und Kiew aus dem Jahre 1968 (Seiten 210/211) genau so aussieht, wie zu dieser Zeit wohl auch eine Strasse irgendwo in den USA ausgesehen hat. Und dass die Potemkinsche Treppe in Odessa, ebenfalls 1968 aufgenommen (Seite 228), auf mich wie ein Bild von Cartier-Bresson wirkt. Und ... nein ... selber schauen ... und sich seine eigenen Gedanken machen ... es lohnt sich ...
Er fühle sich, so Schulthess, "immer wieder dem dokumentarischen, der wahren Natur verpflichtet ... Ich glaube daran, dass wir im Grunde genommen die Natur selbst nie übertreffen können - sie wird uns immer, auch mit unserer hochentwickelten Technik, überlegen und Vorbild sein." Diese Haltung glaubt man ganz besonders zu spüren, wenn man sich die Bilder, die unter dem Titel "Sonne, Mond und Sterne" am Schluss dieses eindrücklichen Werkes versammelt sind, auf sich wirken lässt
Alexis Schwarzenbach hat "den umfangreichen schriftlichen Teil des Schullthess-Archivs gesichtet, aufgearbeitet und in eine ausführliche Biografie des Fotografen geformt", schreibt Martin Gasser. Anzunehmen ist, dass er sich darüber hinaus auch mit den Fotos beschäftigt hat.
Schulthess machte eine Lehre als Grafiker, in seinem letzten Lehrjahr bekam er die Möglichkeit die Photoklasse von Hans Finsler als Hospitant zu besuchen. Finsler war der Neuen Sachlichkeit verpflichtet. "Das Ei hat eine vollkommene Form. Es ist ein ideales Objekt der Fotografie", war sein Credo. Hugo Loetscher präzisierte: "Das Ei, das Finsler photographierte, war nie das Ei, das ein Huhn legt, nicht das Ei, das eine Bäuerin aus dem Nest holt, und auch keines, aus dem ein Küken schlüpft, und schon gar nicht ein verschmutztes Ei, sondern es war ein Studio-Ei, poliert, ohne Milieu und Geschichte." Für Schulthess war zentral, dass Finsler in ihm "den Ernst gegenüber dem Objekt" weckte.
Der vorliegende Band enthält unter vielen anderen auch Aufnahmen aus der Sowjetunion. Faszinierend fand ich unter anderem, dass die Strasse zwischen Tschopp und Kiew aus dem Jahre 1968 (Seiten 210/211) genau so aussieht, wie zu dieser Zeit wohl auch eine Strasse irgendwo in den USA ausgesehen hat. Und dass die Potemkinsche Treppe in Odessa, ebenfalls 1968 aufgenommen (Seite 228), auf mich wie ein Bild von Cartier-Bresson wirkt. Und ... nein ... selber schauen ... und sich seine eigenen Gedanken machen ... es lohnt sich ...
Er fühle sich, so Schulthess, "immer wieder dem dokumentarischen, der wahren Natur verpflichtet ... Ich glaube daran, dass wir im Grunde genommen die Natur selbst nie übertreffen können - sie wird uns immer, auch mit unserer hochentwickelten Technik, überlegen und Vorbild sein." Diese Haltung glaubt man ganz besonders zu spüren, wenn man sich die Bilder, die unter dem Titel "Sonne, Mond und Sterne" am Schluss dieses eindrücklichen Werkes versammelt sind, auf sich wirken lässt
Emil Schulthess
Fotografien 1950-1990
Fotostiftung Schweiz
Limmat Verlag, Zürich 2013
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