Wednesday, 12 October 2016

Paul Parin als Fotograf

Der Mann hat ein gutes Auge, denke ich so beim ersten Durchblättern, wenn auch mehr für Gesichter als für Komposition. Und so bin ich denn auch nicht weiter erstaunt, als ich im Prolog zu Augen Blicke West Afrika lese, Paul Parin und seine Frau Goldy Parin-Matthéy seien "Augentiere" gewesen. Erstaunt war ich hingegen, dass in einem Band mit dem Untertitel Paul Parin als Fotograf nicht wirklich mit Bestimmtheit gesagt werden kann, von wem die Aufnahmen eigentlich stammen.

"Die Bilder müssen – wie ihre Feldforschungen – wohl als Gemeinschaftsprojekt des Kleeblatts Parin-Matthéy-Morgenthaler betrachtet werden. Der Autor des Grossteils der in diesem Band präsentierten Fotos ist gewiss Paul Parin, manche Bilder stammen von Fritz Morgenthaler (FM), einige wenige werden wohl auch Ruth Morgenthaler und Goldy Parin-Matthéy, vielleicht auch afrikanische Gesprächspartner fotografiert haben."

Ich habe herzlich gelacht, als ich das gelesen habe und war dann doch etwas verwundert, dass in den erklärenden Texten unisono davon ausgegangen wird, dass Paul Parin die Bilder gemacht hat. So schlägt etwa Thomas G. Kirsch in seinem Betrag "Fotografien als wissenschaftliche Metaphern" eine (mir einleuchtende) Lesart von Parins Fotografien vor, die vor allem damit zu tun hat, was er über Parin und seinen Forschungsansatz weiss. Anders gesagt: Kirsch bringt zum Bild, was er von Parin kennt. Und wenn der Fotograf gar nicht Parin gewesen ist?

Auch für die anderen Beiträger zu diesem Band gilt, dass sie das, was sie von Paul Parin wissen oder zu wissen glauben, in die Aufnahmen hineinlesen. Das ist auch gar nicht zu vermeiden. So schreibt etwa Margit Zuckriegel: "... auf seinen Reisen entwickelte er eine Art von Fotografie, die seinem persönlichen Sehen entsprach: er wollte ohne moralischen Anspruch und ohne die kolonial-ethnographisch orientierte Wissenschaftsfotografie zu tradieren ein Bildervokabular erarbeiten, das parallel zu seinen Forschungen und zu seinem autobiografischen Werk vorangetrieben wurde." Da ich das für sehr plausibel halte, finde ich auch die entsprechende Bestätigung in den Bildern. Gefragt habe ich mich allerdings, ob er "eine Art von Fotografie, die seinem persönlichen Sehen entsprach" wirklich entwickeln musste. Oder andersrum: eine Fotografie, die nicht einem persönlichen Sehen entspricht ist mir eigentlich nicht vorstellbar.

Hervorzuheben und zu begrüssen ist, dass die verschiedenen Texte in diesem Band sich mit den Fotos und der Fotografie (auch wenn ich Cartier-Bressons Theoretisieren, im Gegensatz etwa zu Karl Mätzler und Gesine Krüger, schlicht nicht mehr Ernst nehmen kann, seitdem ich einmal in einer Filmdokumentation gesehen habe, wie er die Leute überrumpelt, um zu seinen Fotos zu kommen) auseinandersetzen. Das ist gemäss meiner Erfahrung bei Fotobüchern eher selten. Gewünscht hätte ich mir jedoch, die Auswahl hätte sich stärker an der Bildqualität orientiert. Bei einigen Aufnahmen ist sie derart schlecht, dass die abgebildeten Gesichter nur zu erahnen sind.

PS: Auch wenn ich die Cover-Abbildung für die weitaus gelungenste Aufnahme erachte, so empfiehlt es sich doch, auch bei der Umschlagsrückseite zu verweilen, die einen glänzenden Schnappschuss des Ehepaars Parin-Matthéy zeigt.

Michael Reichmayr (Hg.)
Augen Blicke West Afrika
Paul Parin als Fotograf
Psychosozial-Verlag, Giessen 2016

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