Wednesday, 16 October 2019

Tagebuch eines Buchhändlers

Sie sind rar, die Bücher, bei denen ich schon nach ein paar Zeilen weiss, dass ich sie mögen werde. Sehr rar. Dass Shaun Bythells Tagebuch eines Buchhändlers dazugehören wird, ist mir klar, als ich lese, dass Dylan Moran "das Klischee des ungeduldigen, intoleranten, ungeselligen Buchhändlers" in Black Books perfekt dargestellt habe. Nein, ich kenne den Film Black Books nicht, aber ich habe den Comedian Dylan Moran einmal auf youtube erlebt, wo er erklärte, Donald Trump (D.T.) sei die Art nerviger Dummschwätzer, bei dem man, falls dieser im Bus hinter einem sässe, sich sofort die Ohrenstöpsel reinmache – und mehr gibt es zu D.T. nun wirklich nicht zu sagen.

Shaun Bythell führt seit 2001 im schottischen Wigtown die grösste Secondhand-Buchhandlung des Landes und beschreibt in seinem Tagebuch die Freuden und Leiden eines leidenschaftlichen Büchermenschen, der sich mit seiner Teilzeit-Mitarbeiterin Norrie, zu deren Lieblingsthemen die Evolution gehört, immer mal wieder Bücher-Gefechte liefert. "Nicht selten entdecke ich, dass sie Ausgaben von Darwins Entstehung der Arten ins Belletristik-Regal einsortiert hat. Ich revanchiere mich mit der Bibel (ihrer Ansicht nach ein Geschichtsbuch) zwischen den Romanen."

Shaun Bythell ist ein eigensinniger Mensch, Bücher mag er sich nicht empfehlen lassen, "weil ich lieber den Naiven spiele und mir vormache, meine eigene literarische Goldgrube zu sein." Das kenne ich auch von mir. Und ebenso, dass ich mich dann doch gelegentlich von der Begeisterung anderer anstecken lasse. Ihm ist es mit William Boyds Eines Menschen Herz so ergangen. Mir selber mit Klaus Cäsar Zehrers Das Genie und Hanya Yanagiharas Ein wenig Leben.

Bythells Antiquariat ist nicht spezialisiert, doch Bücher zum Thema Eisenbahn verkaufen sich am besten, "eine Tatsache, die ich mir vor fünfzehn Jahren, als ich das Geschäft übernahm, niemals hätte träumen lassen." 

Zu den Vorzügen dieses Buches gehört es auch, zahlreiche Absurditäten des Alltags zu dokumentieren. "Um elf Uhr hat eine extrem füllige Frau sechs Kisten mit Kochbüchern hereingebracht, die vor allem das Thema Diät behandelten."

Ausgesprochen skurrile Typen, darunter häufig Exzentriker, tauchen regelmässig im Laden auf. Nicht wenige feilschen um den Preis, andere sind notorische Besserwisser, Normalos scheinen eher selten den Weg ins Antiquariat zu finden. Und auch die Mitarbeiterin Nicky ist ein sehr spezieller Charakter. "Nicky kam heute wie gewöhnlich um diese Jahreszeit in ihrem schwarzen Skianzug ins Geschäft. Sie sah aus, als würde sie zur Tiefkühlabteilung einer Grossmetzgerei gehören und nicht in einem Antiquariat arbeiten."

Tagebuch eines Buchhändlers klärt auch auf, etwa über das Phänomen der Bestseller. "Was auf dem Buchmarkt der Neuerscheinungen als Bestseller gilt, ist genau jene Art Buch, die in der Antiquitätsbranche wenig Erfolg hat."

Dann gibt es aber auch Stellen in diesem Buch, die nur am Rande mit Büchern und dem Buchgeschäft zu tun haben, doch mich in der Gewissheit bestärken, dass Buchliebhaber eindeutig mehr drauf haben und oft spannendere Menschen sind als Nicht-Büchermenschen. Nehmen wir den Bücher-Freak Callum aus Nordirland. "Sein ausgesprochen abwechslungsreiches Arbeitsleben hat ihm eine Reihe höchst interessanter Jobs beschert – von einer geologischen Expedition in Venezuela über das Sammeln der Zapfen von Waldkiefern im schottischen Hochland bis hin zu einer Stelle als Finanzberater. Momentan hackt und verkauft er unter anderem Brennholz. Ich vermute, wir verstehen uns deshalb so gut, weil keiner je von sich gedacht hat, für irgendeinen Beruf karrieretauglich zu sein ...".

Karrieretauglich ist übrigens auch Bythells frühere Angestelltere Sara nicht, die von ihm mit der Aufforderung "Streng dich besser an, du Arsch, sonst komm ich persönlich vorbei"  eine Referenz forderte. Und so beschrieb er wie er sie erlebt hatte: "In der Regel war sie extrem unhöflich und aggressiv. Sie tat fast nie, worum man sie bat ..." (er wurde dann noch deutlicher).

Fazit: Unterhaltsam, witzig und aufklärend.

Shaun Bythell
Tagebuch eines Buchhändlers
btb, München 2019

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