Ein
Obdachloser asiatischer Herkunft lehnt tot an einer Birke in
Stockholm. In seiner Hosentasche befindet sich ein zerknüllter
Zettel mit der Telefonnummer des Investigativjournalisten Mikael
Blomkvist, der in der Folge von der Rechtsmedizinerin Fredrika Nyman
kontaktiert wird.
David
Lagercrantz hat schon in seinen drei Stieg Larsson Weiterführungen
gezeigt, dass er spannend zu erzählen weiss und darin Larsson in
nichts nachsteht. Was er überdies genauso gut beherrscht, ist das
Vermitteln psychologischer Befindlichkeiten. So leidet die
neunundvierzigjährige Rechtsmedizinern Nyman, alleinstehend mit zwei
Kindern, nicht nur an Rückenschmerzen und Schlaflosigkeit, sondern
auch an einem Gefühl allgemeiner Sinnlosigkeit und auch Journalist
Blomkvist, „versuchte sich einzureden, dass das Leben vielleicht
doch nicht ganz so beknackt war“, was ihm allerdings nicht
sonderlich gut gelingt.
Neben
Mikael Blomkvist gehört auch Lisbeth Salander, eine Frau von
„kompromissloser Unabhängigkeit“ zum Personal von
Lagercrantz/Larsson. Lisbeth, die seit der Kindheit mit ihrer
Schwester Camilla verfeindet ist, plant in Moskau ein Attentat auf
ihre Schwester, die unter dem Schutz der russischen Mafia steht –
der Anschlag geht fehl.
Neben
der Fehde zwischen Lisbeth und Camilla handelt „Vernichtung“
zentral von einem Sherpa (die Sherpas sind eine Ethnie, die
überwiegend im Osten Nepals lebt und glaubt, dass in den Bergen
Götter und Geister leben und mittels religiöser Rituale respektiert
und verehrt werden müssen), und einem schwedischen
Verteidigungsminister, der an einer dramatischen
Mount-Everest-Besteigung beteiligt war. Auch eine Rolle spielen
Politik, Spionage und Verrat. Und die Medien. Als dann Mikael
Blomkvist plötzlich spurlos verschwindet, macht sich Lisbeth
Salander auf die Suche nach ihm ...
Einer
der wesentlichen Gründe, weshalb ich Lagercrantz/Larsson so sehr
mag, ist (neben den absolut genialen Übergängen – es werden
mehrere Geschichten gleichzeitig erzählt) die no-nonsense Lisbeth
Salander, diese Kriegerin. „Sie musste wieder stark werden und
fokussiert.“ Und: „Doch in einem fort suchte die Vergangenheit sie
heim, und das behagte ihr nicht. Sie hatte keine Zeit für
Vergangenes.“ Mut, Entschlossenheit und Gegenwärtigkeit machen
diese Kriegerin aus.
Aufschlussreich
an „Vernichtung“ sind auch die Beobachtungen über menschliches
Verhalten, die Lagercrantz immer wieder einfliessen lässt. „Wenn
man hier schon so lange wohnt wie ich, dann sieht man nichts mehr.
Man läuft herum wie ein Blinder“, sagt Mikael Blomkvist einmal,
der ein andermal von einer Journalisten-Kollegin darauf hingewiesen
wird, dass eine Leitartiklerin und Kolumnistin, die er nicht mag,
weil sie ihm zu konservativ und perfekt ist, aus gutem Grund sich für
Recht und Ordnung stark mache. „Sie ist in der Gosse aufgewachsen.
In einem drogenversifften Hippiekollektiv in Göteborg. Ihre Eltern
waren in einer Tour auf LSD und Heroin. Zu Hause das reinste Chaos
aus Müll und vollgedröhnten Junkies. Die Klamotten und diese
Ordentlichkeit – das war ihre Art zu überleben. Sie ist eine
Fighterin, auf gewisse Weise ist sie eine Rebellin.“
Es sind,
neben der spannenden Erzählung, diese kämpferischen Charaktere, die
jedoch nie eindimensional daher kommen – so heisst es etwa über
die gerade geschilderte Frau „.... und selbst wenn sie nie darüber
nachgedacht hatte, sich das Leben zu nehmen, verlor sie doch hie und
da den Boden unter den Füssen und litt wie ein Tier.“ – , die
„Vernichtung“ überzeugend machen.
"Vernichtung" ist ein temporeicher Thriller zum mitfiebern
David
Lagercrantz
nach
Stieg Larsson
Vernichtung
Wilhelm
Heyne Verlag, München 2019