Wednesday, 24 June 2020

Peter Lindbergh: On Fashion Photography

Peter Lindbergh (1944-2019) gilt als Meister der Modefotografie, was unter anderem meint, dass es sich bei seinen Fotos um inszenierte Auftragsarbeiten handelt. "Fotografen werden für ihre Aufträge aus sehr bestimmten Gründen ausgewählt. Ihre Rolle besteht darin, Bilder für ein feststehendes Konzept zu schaffen mit keinem oder nur wenig Freiraum für Interpretation. Oder sie werden wegen ihrer besonderen Reputation ausgewählt oder weil sie über eine bestimmte 'Handschrift' verfügen, die sie dann in den Dienst ihres Auftraggebers stellen oder auch nicht."
Copyright@Peter Lindbergh/Taschen

Die meisten Bilder in diesem Band sind schwarz/weiss. Da ich keinen Bezug zur Mode habe, liegt meine Aufmerksamkeit auf dem In-Szene-Setzen der Models, der Komposition also. Es ist die Ästhetik dieser Fotos, die mich anzieht. Inszenierte Sehnsucht.

Mit "Was macht die Erzählung aus? Niemals die Kleider." ist Peter Lindberghs Gespräch mit Isabel Flower und Michelle Kuo überschrieben. Diese Auffassung von Modefotografie teilt auch die Werbung, die uns genau so wenig ins Gesicht schleudert, dass sie uns etwas verkaufen will.
Copyright@Peter Lindbergh/Taschen

Auffallend ist der ausdrucksstarke Gesichtsausdruck sehr vieler Abgebildeter. Auch fühle ich mich an Nouvelle-Vague-Filme erinnert.

Bei Fotos von Models (es sind nicht nur Models, die hier abgebildet sind; auch Tina Turner und Richard Gere gehören zu den Porträtierten) frage ich mich meist, ob es die Schönheit der abgebildeten Person oder das Können des Fotografen ist, welches die Aufnahme ansprechend macht. Erstaunlicherweise habe ich mich das bei den Peter Lindberghs Bilder nicht gefragt. Stattdessen hatte ich den Eindruck, da zeige mir jemand eine Seite, die die meisten wohl so noch nie gesehen haben. Speziell bei der Aufnahme von Richard Gere ging es mir so.
Copyright@Peter Lindbergh/Taschen

Dass bei Porträtaufnahmen viel von der Chemie zwischen Fotograf und der fotografierten Person abhängt, versteht sich.Wenn sich jemand wohl fühlt, kommen Fotos anders raus als wenn Anspannung dominiert. Nicht notwendigerweise besser, einfach anders.

Für die aussergewöhnlich gelungenen Fotos in diesem Band war "das gute Auge" Voraussetzung. Peter Lindbergh verfügte über dieses in hohem Masse.

Peter Lindbergh
On Fashion Photography
Englisch / Deutsch / Französisch
Taschen, Köln 2020

Wednesday, 17 June 2020

Frases e Pensamentos de Mário Quintana

O segredo é não correr atrás das borboletas ... É cuidar do jardim para que elas venham até você.

As pessoas não se precisam, elas se completam... não por serem metades, mas por serem inteiras, dispostas a dividir objetivos comuns, alegrias e vida.

O amor só é lindo, quando encontramos alguém que nos transforme no melhor que podemos ser.

Não deixe de fazer algo que gosta devido à falta de tempo; a única falta que terá, será desse tempo que infelizmente não voltará jamais.

Se eu pudesse, pegava a dor; colocava a dor dentro de um envelope e devolvia ao remetente.

Plante seu jardim e decore sua alma, ao invés de esperar que alguém lhe traga flores

Tão bom viver dia-a-dia ... A vida, assim, jamais cansa.

Wednesday, 10 June 2020

Die Welt der Stoffe

Immer mal wieder bin ich höchst verblüfft, dass ich über ganz viele Dinge noch gar nie nachgedacht habe. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass einige von ihnen allgegenwärtig sind und man selten sieht, was vor der eigenen Nase liegt. Klar doch, ich spreche von mir. Stoffe, zum Beispiel. Kleider, Bettlaken, Sofas, Handtücher, die Planen eines Zeltes, die gepolsterten Sitze im Zug. "All das besteht aus Stoff, gewebt, gefilzt oder gestrickt", schreibt Kassia St Clair, die Autorin des ganz wunderbaren Die Welt der Farben, in Die Welt der Stoffe, das 13 sehr unterschiedliche Geschichten enthält, welche die weitreichende Bedeutung von Stoffen verdeutlichen.

Von den Anfängen des Webens, vom Ein- und Auswickeln ägyptischer Mumien und der Seide im alten China, schreibt sie. Aber auch von der dunklen Vergangenheit der Viskose sowie Anzügen für den Weltraum. Und von den Wollsegeln der Wikinger. Hier nur soviel: "Die Geschichte der Entstehung der Wikingersegel beginnt – wie die meisten Geschichten über Wolle – mit Schafen."

À propos dunkle Vergangenheit der Viskose: Die Viskose ist eine künstlich hergestellte Faser aus Zellulose, die mit Natronlauge und Kohlenstoffdisulfid behandelt wird. Letzteres hatte schlimme Nebenwirkungen auf Körper und Psyche. "In West-Java wurde halbfertiger Viskosemüll um Dörfer herum gefunden, die in der Nähe einer grossen Viskosefabrik lagen. Und Firmen, die Marken wie Zara, H&M, Marks & Spencer, Levi's, Tesco und Eileen Fisher belieferten, wurden dabei ertappt, wie sie nachts illegal Fabrikabfall in Flüsse geleitet und damit zur Verseuchung und Vergiftung des Grundwassers beigetragen haben."

Die Welt der Stoffe machte mich auch immer wieder staunen. Etwa darüber, wie raffiniert die alten Ägypter die Gräber für ihre Priester und Herrscher der ersten Dynastien schützten. "Sie sind gespickt mit falschen Türen, Geheimgängen  und von grossen Felsbrocken versiegelten Türen." Oder dass ein in Budapest geborener Jude namens Aurel Stein eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts machte, als er im Nordosten Chinas auf eine Bibliothek mit über 10'000 Dokumenten, Kunstwerken und Seidenstoffen stiess."Zur Sammlung zählte das Diamant-Sutra, eine Ausgabe der Predigten von Buddha und das älteste gedruckte Buch."

Kassia St Clair ist eine ausserordentlich begabte Autorin, die nicht nur gut zu erzählen weiss, sondern auch allerhand Wissenswertes zusammengetragen hat, das sie spannend und unterhaltsam darzustellen versteht. So lerne ich unter anderem, dass der aus der Baumwolle gefertigte Stoff, "womöglich das erste globale Handelsgut" war. Oder dass bereits im alten Ägypten (ca. 2649-2150 v.Chr.) Flachs angebaut und aus diesem Leinen hergestellt wurde.

Es findet sich übrigens auch ein Glossar in diesem schön gestalteten und mit originellen Illustrationen versehenen Werk, dem unter anderem zu entnehmen ist, dass es sich bei Bastfasern um "zähe, flexible innere Fasern von Pflanzen wie Flachs" handelt, und mit Spinnen das "Fasern verdrehen, um Faden herzustellen" gemeint ist. 

Fazit: Intelligente Aufklärung vom Feinsten!

Kassia St Clair
Die Welt der Stoffe
Hoffmann und Campe, Hamburg 2020

Wednesday, 3 June 2020

Der Gärtner im Dschungel

. Mein Interesse an diesem gut in der Hand liegenden Buch gründet einerseits darin, dass ich mit Helmut Salzinger (1935-1993) seine Musikkritiken im legendären Sounds verbinde (er publizierte sie unter dem Namen Jonas Überrohr), auch wenn ich keine wirkliche Erinnerung mehr an sie habe (mein damaliger Favorit war Jörg Gülden), und hat andererseits mit dem Zitat auf dem Buchumschlag zu tun, das meine Grundeinstellung zum Leben auf diesem Planeten treffend zusammenfasst: "Wenn wir etwas vom Wesen des Menschlichen begriffen haben, dann dieses: dass der Mensch als Natur- und Lebewesen von keinerlei Bestimmung über die Erde gesetzt ist, sondern dass er von gleicher Art ist wie alles Lebendige." (Es ist übrigens nicht das ganze Zitat, dieses findet man im Buch).

Unter dem schönen Titel "Schreiben wie die Maus buddelt" hat Mathias Bröckers ein schlaues Vorwort beigesteuert, in dem er unter anderem Salzingers Garten-Philosophie als umfassende Bioethik charakterisiert. "Weniger in programmatischen Sätzen als in den alltäglichen Beobachtungen, den mit offenen Sinnen eingefangenen Wechselwirkungen dieses unendlich vielfältigen Universums der Gräser, Büsche, Blätter und Bäume. Und in der geschärften Wahrnehmung für alles, was mit und zwischen ihnen lebt, einschliesslich des Gärtners selbst, dem der Garten nicht nur zum Wohnort, sondern, indem er ihn anschaut, auch zum Meditationsraum wird."

Helmut Salzinger und seine Frau hatten ein Haus fern der Stadt gesucht und waren im nördlichen Teil des Weser-Elbe-Dreiecks im Lande Hadeln fündig geworden. Auf die zwei Morgen Land (das sind fünftausend Quadratmeter), die mit dabei waren, waren sie jedoch nicht wirklich vorbereitet. Der Gärtner im Dschungel handelt von den Erlebnissen der beiden in ihrem neuen Lebensraum. Und ist eine differenzierte, gescheite, witzige und lehrreiche Lektüre.

Ich habe mich bestens identifizieren könne mit diesem Werk, obwohl ich mich noch nie zum Gärtnern gedrängt gefühlt habe. Ich lese lieber Bücher darüber und nicke dann immer mal wieder zustimmend, etwa bei Sätzen wie diesem: "Ein gutes Gartenbuch kommt allein aus der Erfahrung. Mit entsprechenden Konsequenzen für die Handlungsanweisungen, die gewöhnlich auf die Empfehlung hinauslaufen, die eigenen Erfahrungen gefälligst selber zu machen."

Der Gärtner im Dschungels machte mich auch oft schmunzeln und gelegentlich laut herauslachen. "Dass sich in unserm Garten Schlangen eingefunden haben, nehmen wir natürlich als Vertrauensbeweis, als Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind." Was allerdings nicht von allen erkannt wird. So mähte ihr Nachbar Richard, der ihnen eine Gefallen tun wollte, in ihrer Abwesenheit die Wiese, worin sie eine grosse Zahl Eiben und Geissblattranken gepflanzt hatten, deren betäubenden Duft sie gehofft hatten, im Frühjahr geniessen zu können.

Lehrreich ist dieses Buch überdies für Menschen, denen es schon schwer genug fällt, "eine Kuh von der anderen zu unterscheiden, einen Spatz von dem anderen, eine Maus von der anderen, eine Ameise, Biene, Fliege vor den anderen." Und so lerne ich unter anderem, dass Schafe ihrer dicken Wolle wegen gegen Stromschläge von  Elektrozäune geschützt sind. Oder dass Steine dem Schutz des Bodens vor dem Umgegraben-Werden dienen.

Helmut Salzinger war ein Bildungsbürger und zeigte es auch. Jünger, Hesse und Goethe erwähnt er, auf Vergil und Hesiod nimmt er Bezug und auch die antiken Werke über den Land- und Gartenbau dürfen nicht fehlen. Inspirieren lässt er sich jedoch auch von Carlos Castanedas Don Juan und dessen Krieger-Ideal.

Mathias Bröckers hat die Essenz dieses schönen Buches treffend so formuliert: "Ohne eine Weltrevolution der Seele, ohne eine Veränderung des Innersten, des Bewusstseins, ohne eine radikale Umwertung aller Werte und vor allem seines, des Menschen, Wert als 'Mass aller Dinge', muss jede globale Versöhnung mit der Natur ein frommer Wunsch bleiben."

Fazit: Gut geschriebene, differenzierte, unterhaltsame und anregende Aufklärung.

Helmut Salzinger
Der Gärtner im Dschungel
Westend, Frankfurt am Main 2019