Wednesday 17 August 2011

Alex Webb: Karibik

.„Die Karibik war und ist Irrtum, Klischee und Projektion. Aus der Sicht derer, die sie entdeckten, wie derer, die sie heute besuchen“, schreibt Nikolaus Gelpke im Vorwort. Wahre Worte, auch wenn sie auf praktisch jede andere Gegend des Planeten genauso zutreffen. Das Klischee will die Karibik als Paradies, doch sie ist nur ein scheinbares und so recht eigentlich kann man dies nicht viel besser illustrieren, als es Gelpke mit diesen Worten tut: „... die Werbung für 'Bounty'-Schokoriegel und das 'Baccardi Feeling' lässt uns glauben, die Glückseligkeit fände sich an den Stränden der Antillen – dabei stammen die Bilder von den Seychellen.“

Die Bilder von Alex Webb sind sehr anders als die Baccardi-Bilder, obwohl auch sie zumeist in Szene gesetzt sind. Bei einigen ist die Inszenierung offensichtlich, bei anderen nicht. Es wäre hilfreich gewesen, etwas darüber zu erfahren, doch dass Fotografen darüber aufklären, wie die Bilder entstanden sind, ist dermassen selten, dass es schon fast als exotisch gelten muss. Der diesem sehr schön gestalteten Band beigegebene Text hat jedoch – es ist dies bei Fotobüchern schon fast die Regel – so ziemlich gar nichts mit den Fotos zu tun, liefert aber einen guten und knappen historischen Überblick.

© Alex Webb/Magnum/Ag. Focus

Die Fotos werden ohne Text und ohne Bildlegenden präsentiert, dem Betrachter wird gerade einmal gesagt, in welchem Land die Aufnahmen gemacht worden sind. Doch für einmal ist dies durchaus gerechtfertigt, denn diese Fotos können in der Tat für sich alleine stehen.

Was macht sie aus? Zuallererst die Farben, diese ungeheuer satten karibischen Farben. Dann Webbs Auge für Komposition – dieser Mann ist ein ungemein talentierter Gestalter, ein Bilder-Arrangeur, ein Regisseur. Beim Betrachten dieser Fotos spürt man, dass man etwas Ausserhalb-des-Gewöhnlichen anschaut und das ist umso bemerkenswerter, weil doch Alex Webb so recht eigentlich ganz Gewöhnliches fotografiert.

© Alex Webb/Magnum/Ag. Focus

Da ich selber schon oft auf Kuba war, habe ich mir die kubanischen Bilder mit ganz besonderem Interesse angeschaut. Und viele der Szenen, auch wenn ich sie so nicht selber gesehen habe, wieder erkannt. Weil Webb einen das kubanische Lebensgefühl erahnen lässt. Andrerseits: hätte ich, wenn es mir nicht gesagt worden wäre, wirklich gemerkt, dass diese Bilder in Kuba aufgenommen worden sind? Hätten sie nicht ebenso gut Haiti,Trinidad und Tobago oder Nicaragua zeigen können? Möglich, der Band heisst ja Karibik, und die Gemeinsamkeiten sind augenfällig


© Alex Webb/Magnum/Ag. Focus

Der Verlag beschreibt die Bilder als "undogmatisch und jenseits von Dokumentation". Mir ist nicht klar, was ein undogmatisches (oder ein dogmatisches) Bild sein soll (das sind nichts anderes als recht willkürliche Zuschreibungen, die mit den Bildern an sich nichts zu tu haben), doch dass Fotos "jenseits von Dokumentation" sein können, scheint mir absurd, denn es ist gerade das Wesen der Fotografie, zu ratifizieren, was sich vor dem Kamerauge befindet - und das ist nichts anderes als Dokumentation, ob inszeniert oder nicht spielt dabei keine Rolle.

Summa summarum: hier wird eindrücklich vorgeführt, wie man mit der Kamera gestaltet. Tut man das so gekonnt wie Alex Webb, kommt dabei eine echte Perle heraus. Das klingt zwar wieder wie so ein typisches Karibik-Klischee, nur eben, es ist es nicht, es ist was ganz anders: Fotografie vom Feinsten.

Karibik
Alex Webb
Herausgegeben von Nikolaus Gelpke
Text von Karl Spurzem
Mare Verlag, Hamburg 2010

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