Wednesday 27 December 2023

A Photo Shooting in Wollishofen





The above pictures were taken by Blazenka Kostolna on 12 July 2023 in her atelier in Zurich Wollishofen. I'm amazed how varied I look on these four shots – as if I were each time a different person. Needless to say, I am for the only permanent thing is change.

Wednesday 20 December 2023

Ein guter Ethnologe

 Und schliesslich als letztes: der Paul (Feyerabend) ist für einen weitgespannten, wildbewegten Pluralismus und für neue, aufregende Gedanken und Erfahrungen, für die permanente geistige und sinnliche Revolution: möglichst viel ausprobieren, entwickeln, rumflippen, weitergehen, provozieren usw. Das ist mir alles irgendwo ein bissel zu heiss und zu schnell, da schwirrt mir der Kopf: lauter Schmetterlinge in Aufregung: Und auch zu viel – das ist wie auf der Achterbahn: kaum bist du oben geht’s wieder runter und dann reisst’s dich wieder aus den Pantinen. Ich glaube hingegen, wir haben auch die Sehnsucht danach auszuflippen aus der reissenden Zeit und aus der Veränderung, nicht immer wieder Neues und Besseres und schneller und höher und mehr und witziger und klüger und weiser. Sondern ein bissel Klugheit hier und ein bissel Witz dort und wiederum ein bissel Weisheit da.

Hans Peter Duerr: Satyricon

Ich glaube, man kann nur ein guter Ethnologe sein, wenn man keine zu festen Standpunkte hat. Bismarck hat einmal gesagt: „Ein Mensch mit Grundsätzen ist wie einer, der mit ’ner Stange im Maul durch den Wald rennt.“ Man braucht keine Grundsätze oder Standpunkte, sondern Empathie oder ein ‚feeling’, um es auf deutsch auszudrücken. Ich war eigentlich noch nie in einer Umgebung, in der ich das Gefühl gehabt hätte, die Leute nicht zu verstehen, weder unter Pennern, Nutten, Mannheimer Rentnern oder ostindonesischen Dorfbewohnern. Ich verstehe sogar die Leute auf den Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde, einmal vorausgesetzt, sie reden nicht über „Netzwerkanalyse“.

Hans Peter Duerr: Auf dem Zaun oder zwischen den Stühlen?

Ich glaube, ein Feldforscher sollte so wenig wie nur möglich in Erscheinung treten. Der beste Feldforscher, den ich kenne, ist meines Erachtens der Berliner Professor Hartmut Zinser. Als ich drei Monate nach seinem Aufenthalt in dem Dorf Belogili auf Flores nach ihm fragte, konnte sich niemand mehr an ihn erinnern.

Hans Peter Duerr: Auf dem Zaun oder zwischen den Stühlen?

Wednesday 13 December 2023

Sturm über New Orleans

Sturm über New Orleans“ ist ein Dave-Robicheaux-Krimi. Mit diesem Robicheaux sei er seit 1987 zusammen, schreibt der Autor James Lee Burke in seinem Gruss an seine deutschen Leser. Er sei kein perfekter Mann, sondern einer mit seinen Schwächen, Sünden und Dämonen. Einer, der versuche, das Richtige zu tun. Das ist besonders schwierig in einer Situation, in der die dünne Schicht angelernten sozialen Verhaltens von ganz vielen Menschen abfällt, sie zu Tieren und Killern werden. So war das, als im Jahre 2005 New Orleans von dem Hurrikan Katrina verwüstet wurde.

Was damals in New Orleans geschah, das war nicht nur eine Naturkatastrophe, das war das grösste Versagen einer Regierung, der denkbar grösste Verrat an der eigenen Bevölkerung. Es war ein Verbrechen. Eine nationale Schande.“

Das erfüllt James Lee Burke mit Wut, grosser Wut. Dieses Buch hat er geschrieben, um diese Wut herauszulassen. Und um dazu beizutragen, dass, was damals geschehen ist, nicht vergessen wird. „Sturm über New Orleans“ ist ein eindrückliches, aufwühlendes und eindringliches Buch.

Dave Robicheaux von der Sheriff-Dienststelle, Vietnam-Veteran und trockener Alkoholiker („Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Aber bei den Anonymen Alkoholikern diskutiert man nicht mit Betrunkenen.“), soll einen drogensüchtigen Priester finden und die Vergewaltigung eines jungen Mädchens aufklären, während um ihn herum die Zivilisation zusammenbricht. „Die völlige Wehrlosigkeit der Stadt war es, die uns überwältigte. Das Stromnetz war zerstört und im St. Bernard und Orleans Parish war die gesamte Wasserversorgung zusammengebrochen. Die Pumpen, die das Wasser aus den Gullys pressen sollten, waren ihrerseits überflutet und nutzlos. Gasleitungen brannten unter Wasser und gelegentlich schossen Flammen aus dem Boden und schleuderten in Sekundenschnelle hunderte von versengten Blättern eines uralten Baumes in den Himmel. Die ganze Stadt war binnen einer Nacht auf den technologischen Stand des Mittelalters zurückgeworfen worden.“

Plünderungen sind an der Tagesordnung, die Begleichung alter Rechnungen ebenso. Wie jede Katastrophe so brachte auch diese nicht nur das Beste in einigen, sondern auch das Primitivste in anderen hervor. „Laut der ‚Washington Post‘ hatte ein Abgeordneter in Baton Rouge einer Gruppe von Lobbyisten erklärt: ‚Endlich sind wir den sozialen Wohnungsbau in New Orleans los. Wir haben es nicht geschafft, aber Gott‘.“

Es sind apokalyptische Zustände, die James Lee Burke in „Sturm über New Orleans“ beschreibt:
„Das Geschäft mit Schusswaffen und Munition florierte … Das alte Schreckgespenst des Südens war wieder da, nackt, roh und geifernd – der totale Hass auf die Ärmsten der Armen … Am schlimmsten litten die Tiere. Allein in den Bezirken Vermillion und Cameron ertranken schätzungsweise hunderttausend Rinder. Sie drängten sich auf Galerien, versuchten auf Traktoren und Zuckerrohrwagen zu klettern und landeten sogar auf Dächern. Aber sie ertranken dennoch.“

„Sturm über New Orleans“ ist ein vielschichtiger Krimi (bei dem unter anderem Kleinkriminelle sich ungewollt mit grösseren Kriminellen anlegen), der auch eine sehr gut geschriebene Reportage ist. James Lee Burke ist ein grosser Menschenkenner und hat mit diesem lebensweisen Buch eine der spannendsten, aufwühlendsten und überzeugendsten Sozialreportagen geschrieben, die ich kenne.

James Lee Burke
Sturm über New Orleans
Pendragon, Bielefeld 2015

Wednesday 6 December 2023

Conversations in Varese

 Recently, on a trip to Varese, I spent two and a half hours in a beauty parlour that offered manicure and pedicure. The manicure was performed by a 17year-old Varese native who said to prefer Rom to Milan because the Romans seemed warmer to her. In charge of the pedicure was a Brazilian in her forties who disliked Rome because it was as chaotic as Recife where she hailed from. I've got enough chaos in my head, she said, I definitely do not need more. It goes without saying that I could easily relate ...

My initial plan had been to walk from the train station to my hotel (45 minutes) and then to explore the town with my camera. I do not know what made me ask at the reception for a beauty parlour nearby but when I felt ready to explore the town the receptionist had already booked me a session. The one and a half hours before the scheduled time I walked around the neighbourhood and photographed flowers, trees and leaves. 

Varese, Italy, 28 November 2023

In my younger years I would have probably judged the differing views of the young Italian and the middle-aged Brazilian in terms of culture. Nowadays I believe one's personality and age are more important factors. Young people generally do seem to want what they do not have while older people aren't too interested in being somebody else. In the end, however, it very likely all boils down to character.

I very much enjoyed my time at the beauty parlour. I guess it has mainly to do with the fact that I wasn't prepared to learn about the dreams of a young Italian who looked forward to visit Las Vegas. Why's that?, I asked. Because her parents got married there. London was also on her list. Because of the late Queen. And, I wasn't prepared at all for a philosophical conversation with a woman from Recife (my very first Brazilian town in 2006) who ended up in a valley in Northern Italy where she missed the horizon. Yes, she remarked, it is crazy to look for stability while knowing that it doesn't exist. But it is an entirely different story if people depend on you.

It was sunny, the sky blue, the leaves golden, when I left Varese for Mendrisio. The sun was still shining while the bus crossed the snow covered San Bernardino and I listened to rock music from the seventies – it felt just great, for moments, that is, for moments is all we have to enjoy.

Varese, Italy, 28 November 2023