Wednesday 27 May 2020

Mind your language

Enric Gonzalez, author of a perceptive and hilarious book on London, Historias de Londres, and former correspondent of El País, says the English are the most articulate people he has ever met, but that we use language as a shield. As a result a certain type of English person, whom he defines as cultivated middle class, is uncomfortable conversing with foreigners who command only basic English and cannot aspire to irony. They are invariably too blunt, like children, some Americans and most Australians.

The opposite is the case in Spain. Spaniards thrive on bluntness, on simple concepts that have to be communicated, and they warm to foreigners struggling to express their most basic thoughts or feelings. This is because it is not so much the idea that interests them as the person behind it, and they know speaking a language badly can be especially revealing.

Justin Webster
Mind your language
The Independent Magazine, March 4, 2000.

Wednesday 20 May 2020

Windows of Sargans





The above photos were taken in March and April 2020.

Wednesday 13 May 2020

"Ich lass mir den Mund nicht verbieten!"

Dieses Buch kommt entschieden zum falschen Zeitpunkt, denkt es so in mir, denn nichts steht mir in diesen Corona-Zeiten viel ferner als Pressefreiheit und Demokratie. Zum einen halte ich beide nicht für wirklich existent – Pressefreiheit: Die Freiheit einiger Begüterter ihre Meinung veröffentlichen zu lassen / Demokratie: "The best democracy money can buy", so Greg Palast über die amerikanische Variante – , zum anderen erschöpft sich der Grossteil der Medien, denen es in erster Linie um den Profit geht, im Zur-Verfügung-Stellen einer Plattform für eitle Wichtigtuer. 

Soviel zu meinen Voreingenommenheiten. Dass ich dieses Werk trotzdem mit Gewinn gelesen habe, liegt wesentlich daran, dass ich eine Reise in die Vergangenheit habe machen dürfen, die mich vielfältig informiert und einiges gelehrt hat. Zudem hat sie mir in Erinnerung gerufen, dass der Qualitätsjournalismus, wie Wolfgang R. Langenbucher meint, auf derselben kulturellen Stufe steht wie Literatur, Kunst, Philosophie und Wissenschaft, auch wenn ich diese Unterteilungen für willkürlich erachte. So berichtete etwa Johann Gottfried Seume ganz einfach davon, was ihn auf seinen ausgedehnten Wanderungen beschäftigte – das tun übrigens viele, die schreiben; das Einordnen überlassen sie den Universitätslehrern. "Es ist ein assoziatives Erzählen in scheinbar sprunghafter Zusammenschau von Reiseerlebnissen, Geschichte, privaten Bekenntnissen und gesellschaftspolitischen Wertungen", kommentiert Otto Werner Förster.

Als Herausgeber dieses Bandes fungieren die Professoren Michael Haller und Walter Hömberg, die in ihrer Einführung den Wiener Sozialreporter Max Winter zitieren, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Aufgabe des Reporters so beschrieb: "Überall eindringen, selber neugierig sein, um die Neugierde anderer befriedigen zu können, alles mit eigenen Augen schauen und was man sich nicht zusammenreimen kann, durch Fragen bei Kundigen herausbekommen, dabei aber nie vergessen, mit welchen persönlichen Interessen der Befragte an die Sache gekettet ist." Besser und umfassender geht kaum.

Als ich vor Jahren eine Journalismus-Reihe herausgegeben habe, begriff ich gute Journalisten vor allem als Aufklärer. Herbert Riehl-Heyse, Jürgen Leinemann, Ernst Müller-Meiningen jr. und Sibylle Krause-Burger gehörten dazu. "Ich lass mir den Mund nicht verbieten!" machte mich mit vielen anderen Journalisten bekannt, die ich als Aufklärer begreife – und überdies in Zeiten, in denen das um einiges gefährlicher war als heute. Das will nicht heissen, dass Journalismus heute ungefährlich sei, ganz und gar nicht.

Es sind übrigens nicht nur Journalisten, die sich um die Pressefreiheit verdient gemacht haben, auch der Drucker Peter Zenger, ein deutscher Einwanderer in New York, und Verleger wie Marion Dönhoff und Curt Frenzel gehörten dazu. Aufgeklärt wurde ich auch darüber, dass einige illustre Namen, die ich bisher nicht als Journalisten wahrgenommen habe, auch journalistisch unterwegs gewesen waren – von Daniel Defoe über Henry Morton Stanley und Joseph Roth zu Karl Marx.

Mit besonderem Interesse las ich über die mich schon lange faszinierende Martha Gellhorn ("Während die Kollegen an der Hotelbar mit ihren Abenteuern prahlen, geht Gellhorn zu den Menschen, spricht direkt mit ihnen, hört zu, packt mit an, hilft und berichtet: aus Indochina, Vietnam, dem nahen Osten, Panama, Nicaragua, der Golfregion, Afrika …"),  konnte fast nicht glauben, dass am 1. August 1937 in Paris um die 100 000 Menschen dem Sarg der 27jährigen Gerda Taro folgten, die im Spanischen Bürgerkrieg als Fotoreporterin zu Tode gekommen war, und war mehr als nur verblüfft über den einstmals originellen und engagierten Nordwestdeutschen Rundfunk, der sich als Anwalt der Hörer begriff.

"Hätte ich es verhindern können?" ist der Beitrag über den amerikanischen Fotografen Ronald Haeberle überschrieben, der im Vietnamkrieg (der in Vietnam übrigens 'Der amerikanische Krieg' genannt wird) Aufnahmen vom My Lai-Massaker gemacht hatte, bei dem "182 Frauen, 172 Kinder, 60 Männer über sechzig, 90 jüngere Männer" ermordet wurden. Erst als der Journalist Seymour Hersh sich der Geschichte annahm, gelangte sie an die Öffentlichkeit.

Die beiden Herausgeber und die zahlreichen Autorinnen und Autoren dieses Bandes präsentieren mit "Ich lass mir den Mund nicht verbieten!" eine eindrückliche Aufklärungsgeschichte, die nicht zuletzt klar macht, dass was heutzutage viele für selbstverständlich halten (den Mund aufzumachen und deswegen nicht im Gefängnis zu landen), sich nur mühsam durchgesetzt hat – und nach wie vor von Interessengruppen bekämpft wird.

"Ich lass mir den Mund nicht verbieten!"
Journalisten als Wegbereiter der
Pressefreiheit und Demokratie
Herausgegeben von Michael Haller
und Walter Hömberg
Reclam, Stuttgart 2020

Wednesday 6 May 2020

Das Leben der Surrealisten

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Desmond Morris, geboren 1928, ist mir als Autor von Der nackte Affe bekannt. Das 1967 erschienene Werk wurde weltweit über 12 Millionen Mal verkauft. Dass er nicht nur Verhaltensforscher, sondern auch surrealistischer Künstler war, wusste ich nicht. Dass er zudem auch als Autor und Filmemacher hervorgetreten war, wusste ich genau so wenig, doch dass er so vielfältig unterwegs ist, nimmt mich für ihn ein. Schliesslich ist das Leben zu vielfältig, um sich nur einem Fachgebiet zu widmen.

Ich weiss so recht eigentlich gar nichts über die Surrealisten, als ich dieses Buch zur Hand nehme – gerade mal einige Namen sind mit bekannt und natürlich die Bilder von Salvador Dalí. Von Man Ray habe ich eine recht gute Vorstellung, da er einige Jahre  mit der Fotografin Lee Miller, die später Roland Penrose heiraten sollte, zusammen gewesen war – , was Desmond Morris von ihm berichtet, lässt ihn mich wieder anders sehen.

Die wichtigste Regel der Surrealisten war, mit dem Unbewussten zu arbeiten, also nicht zu planen, nicht zu analysieren. "Lass deine dunkelsten, irrationalsten Gedanken aus deinem Unbewussten aufsteigen und sich auf deiner Leinwand ausbreiten (....) handelt es sich doch um jene tieferen Schichten, in denen wir alle die gleiche Hoffnung, die gleiche Angst, den gleichen Hass, die Liebe und die Sehnsucht spüren."

Es versteht sich: Jeder dieser Idealisten tat das auf seine Art. Und auch ihr Leben lebten sie nach ihren jeweils eigenen und unterschiedlichen Vorstellungen. "Eine kleine Gruppe ungebärdiger Intellektueller, die in einem Café palaverte und eine Zeitschrift herausgab", meinte der spanische Regisseur Luis Buñuel. Was ist von ihnen geblieben? Desmond Morris formuliert es für sich so: "Geblieben ist mir vor allem der freie Zugang zu den Tiefen des menschlichen Wesens, der uns wichtig war und den wir ersehnten, dieser Ruf nach dem Nicht-Rationalen, nach dem Dunklen, nach den Impulsen, die aus den Tiefen unseres Ichs kommen."

Das Leben der Surrealisten ist kein Versuch, die Werke der Surrealisten zu analysieren. Vielmehr geht es um die Surrealisten als Menschen, als Individuen. "Wie war ihre Persönlichkeit, was waren ihre Vorlieben, ihre Charakterstärken, was ihr Schwächen? Haben sie sich ins Gesellschaftsleben gestürzt oder waren sie einsam? Waren sie kühne Exzentriker oder ängstliche Eremiten? Waren sie sexuell normal oder erotisch pervers? Waren sie Autodidakten oder besassen sie eine akademische Ausbildung?" Kurz und gut: Dieses Buch handelt von den Fragen, die mich am allermeisten interessieren.

Zweiundzwanzig Lebensbilder hat Desmond Morris geschaffen; seine Auswahl war subjektiv – wie sollte es auch anders sein? – , es sind die für ihn interessantesten, die er hier vorstellt. Alberto Giacometti und Meret Oppenheim gehören dazu wie auch Dorothea Tanning und Pablo Picasso. Vieles, was ich erfuhr, dünkte mich spannend und anregend; Einiges hinterliess starke Bilder in meinem Kopf. Etwa, dass Hans Arp nach dem tragischen Tod seiner Frau sich eine Zeit lang in völliger Einsamkeit in einem Dominikanerkloster aufhielt, den Rat von C.G. Jung suchte und sich für Mystizismus zu interessieren begann.

Das Leben der Surrealisten ist voller anregender Anekdoten, reich an spannenden Details wie etwa diesem: "Der Hollywoodstar Marlene Dietrich kam mit vierundvierzig koffern und dem intensiven Wunsch in Paris an, Giacometti kennenzulernen, dessen arbeiten sie in New York gesehen und bestaunt hatte." Oder diesem: Dass Meret Oppenheim die Idee zur Pelztasse samt Untertasse und Löffel, die sie berühmt gemacht hatte, einer beiläufigen Bemerkung Pablo Picassos verdankte.

Ausgesprochen erhellend sind Morris' Ausführungen über Francis Bacon, der sich selber als Surrealist verstand, jedoch von der Londoner Gruppe 1935/36 abgelehnt wurde. Ein wesentlicher Teil dessen, was über Bacons Werk geschrieben worden sei, gehe am Kern vorbei. "In seiner Kunst nahm er alles schwer, während er im Leben alles leicht nahm." Allerdings: "Er war boshaft, eitel, beleidigend, arrogant, illoyal und wenig zuverlässig …".

Immer mal wieder habe ich mich gefragt, ob Künstler per definitionem höchst unangenehme (nein, nicht einfach nur schwierige, denn das sind wir alle) Menschen seien. Von keinem einzigen in diesem Werk könnte ich sagen, er sei mir sympathisch. Die andere Frage, die sich mir stellte: Kann/will ich das Werk von seinem Schöpfer trennen? Nein, will ich ich nicht, doch es ist möglich, sie nebeneinander stehen zu lassen. Desmond Morris zeigt in diesem Buch exemplarisch, wie das geht. So beschreibt er André Breton als kleinlichen Diktator, "arrogant, widersprüchlich, verlogen, aufgeblasen und rachsüchtig, aber gleichzeitig war er die treibende und wichtigste Kraft der surrealistischen Bewegung – sie wäre ohne ihn wesentlich glanzloser verlaufen."

Das Leben der Surrealisten ist ein sehr schön gestaltetes Buch, mit Foto-Porträts der Künstler sowie einem für ihr Gesamtwerk charakteristischem Bild, das dem Lebensgefühl der Surrealisten wunderbar gelungen Ausdruck gibt. Eileen Agar hat es für sich so formuliert: "Ich habe mein Leben in der Revolte gegen die Konvention verbracht und dabei versucht, in die alltägliche Existenz Farbe, Licht und ein Gefühl für das Geheimnisvolle zu bringen."

Fazit: Ein Juwel von einem Buch!

Desmond Morris
Das Leben der Surrealisten
Unionsverlag, Zürich 2020