Wednesday 18 May 2016

Vom Himmel gefallen: David Bowie

David Bowie, das ist für mich zuallerst "Ground Control to Major Tom ..." und Ziggy Stardust, später dann Life on Mars, Changes, China Girl und und und ... einen guten Sänger fand ich ihn nie, bis ich dann vor Jahren einen Konzertmitschnitt auf Youtube sah, der Bowie mit Tina Turner im Duett zeigte und mich sprachlos liess: Der Mann konnte singen. Ich war hingerissen. Und die beiden zusammen, das war einfach genial.

Der androgyne Bowie wirkte auf mich nie wirklich real, ihn umgab immer eine Aura des Ausserirdischen und die Bilder, die Mick Rock 1972-1973 machte, bestätigen diesen Eindruck.

Michael Bracewell schreibt in seinem Essay "Der Schock des Neuen, Elektrisierten: Ziggy Stardust und David Bowie" dass diese "Mischung aus Sex, Glamour und ausgeprägt ästhetischer Extravaganz" so extrem sei, dass "sogar der Rock 'n' Roll, die Musik von Sex, Rebellion und coolem Aussenseitertum, plötzlich einen revolutionären Wandel erlebt" habe, verkörpert von einem "Star, der die musikalische und visuelle Sprache des Rock 'n' Roll weit über all ihre bekannten Inkarnationen hinausgetragen und dabei eine imaginäre neue Welt geschaffen hat ...".
Brian Eno, der im Studio mit David Bowie zusammengearbeitet, ist letzthin in einem BBC-Interview quasi dazu aufgefordert worden, Bowies Genialität zu bestätigen, führte jedoch stattdessen aus, dass in Menschen, die wir als aussergewöhnlich wahrnehmen, ganz vieles zusammenkomme und diese gleichsam mehr seien als nur einfach sie selber. Sie würden eigentlich stellvertretend für uns alle theatralisch abbilden, was dauernd an Neuem entstehen könne, sofern man sich diesem nicht entgegenstelle. Mit anderen Worten: an Bowie ist vor allem spannend, dass das, was er repräsentiert, weit über ihn hinausgeht.
Brian Enos Gedanken haben mich auch an eine BBC-Talkshow von vor Jahren erinnert, bei der die Nobelpreisträger der verschiedenen Disziplinen um einen Tisch sassen und, angeleitet von der Moderatorin, Ideen austauschten. Besonders beeindruckt war ich von einem schwergewichtigen Japaner, der mich an einen Sumo-Ringer gemahnte. Mit einem Kollegen zusammen hatte er den Physik-Nobelpreis gewonnen, meinte jedoch, sein persönlicher Verdienst sei nicht wirklich gross. Was sie/er entdeckt hätten, sei dagewesen, um entdeckt zu werden. Von ihm und seinem Kollegen oder eben auch von jemand anderem.

Die Bowie-Fotos von Mick Rock mit diesen Gedanken im Hinterkopf zu betrachten, macht sie für mich nur noch spezieller und weit faszinierender, als es die Hommage an einen Star sein könnte.
Wie er eigentlich zur Fotografie gekommen sei?, will Barney Hoskyns in einem Gespräch mit Mick Rock (das ist kein Künstlername, der Mann heisst wirklich so) wissen. "Die Vorstellung, Fotograf zu sein, reizte mich auch nicht annähernd so sehr wie der Gedanke, mich als abgefahrener symbolistischer Dichter durchzuschlagen. Hätte ich nicht Syd Barrett fotografiert und wäre von diesen Bildern nicht so begeistert gewesen, hätte ich wohl einen ganz anderen Weg eingeschlagen." Um die Technik hat er sich nicht gross gekümmert, nie einen Belichtungsmesser benutzt, immer nur geraten. Jungen Fotografen empfiehlt er: "Folge deinen Obsessionen. Versuche eine Sammlung aufzubauen, die als Gesamtheit mehr Wert ist als die einzelne Session." Sein Bowie-Buch zeigt, dass er selber sich daran gehalten hat.

Mick Rock
The Rise of David Bowie
Englisch - Deutsch - Französisch
Taschen Verlag, Köln 2016

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