Als der 1957 in Paris geborene Emmanuel Carrère auf die Aufnahmen der Fotojournalistin Darcy Padilla stösst, die sie von der achtzehnjährigen Julie, die mit ihrem Neugeborenen in Tenderloin, dem Armenviertel San Franciscos lebt, gemacht hat, beschliesst er, sich auf die Spuren der beiden Frauen zu machen.
Achtzehn Jahre hat Darcy Padilla das Leben von Julie begleitet. Was genau sie dazu getrieben hat, hat sich mir nicht erschlossen. Auch war die Verbindung der zwei zeitweise schwierig. Die üblichen Künstler-Gewissensqualen scheinen sie laut Emmanuel Carrère nicht gepeinigt zu haben. Eine Frage stellt sich natürlich trotzdem: Ist es zulässig, vom Elend anderer zu profitieren? (für 'Julies Project' erhielt sie den renommierten W.-Eugene-Smith-Preis). "Doch Darcy sieht sich nicht als Künstlerin, mit all dem, was dieser Status an Narzissmus impliziert, sondern als Journalistin, deren Mission es ist, Zeugnis abzulegen."
Es ist beelendend, wenn Porträtierte mit ihren Bildern, die oftmals als Ikonen in die Geschichte eingehen. hadern. So geschehen mit einigen von Walker Evans' Aufnahmen von Baumwollpflückern während der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern und Dorothea Langes 'Migrant Mother'. Umso erfreulicher ist, dass Lucie sie mochte, "am liebsten die fröhlichen Fotos, auf denen man Kinder sah, und nicht die, 'die dir gefallen', wie sie scherzte, und auf denen sie aussah wie Strandgut."
Lucie hatte insgesamt sechs Kinder, vier wurden ihr gerade nach der Geburt weggenommen. Eine der Adoptivmütter, Karen, machte Julie und Jason (den Vater des Kleinen), die damals in Alaska lebten, ausfindig. Julie war damals bereits schwer krank. "Als Darcy mir die Geschichte erzählte, bat ich sie ungläubig, das nun Folgende noch einmal zu wiederholen: Der kleine Zach, erzählte Karen, wusste, dass er ein Adoptivkind war, doch er wusste nichts über seine leiblichen Eltern; trotzdem erschienen sie ihm immer wieder in seinen Träumen, und darin waren sie schwerkrank und lebten umgeben von Bären im Hohen Norden."
Darcy Padillas Fotos sind nicht nur berührend, sie vermögen Empathie auszulösen. Und die Geschichte, die Emmanuel Carrère dazu erzählt, tut dasselbe mit Worten.
Emmanuel Carrère
Julies Leben
Matthes & Seitz Berlin 2020
Es ist beelendend, wenn Porträtierte mit ihren Bildern, die oftmals als Ikonen in die Geschichte eingehen. hadern. So geschehen mit einigen von Walker Evans' Aufnahmen von Baumwollpflückern während der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern und Dorothea Langes 'Migrant Mother'. Umso erfreulicher ist, dass Lucie sie mochte, "am liebsten die fröhlichen Fotos, auf denen man Kinder sah, und nicht die, 'die dir gefallen', wie sie scherzte, und auf denen sie aussah wie Strandgut."
Lucie hatte insgesamt sechs Kinder, vier wurden ihr gerade nach der Geburt weggenommen. Eine der Adoptivmütter, Karen, machte Julie und Jason (den Vater des Kleinen), die damals in Alaska lebten, ausfindig. Julie war damals bereits schwer krank. "Als Darcy mir die Geschichte erzählte, bat ich sie ungläubig, das nun Folgende noch einmal zu wiederholen: Der kleine Zach, erzählte Karen, wusste, dass er ein Adoptivkind war, doch er wusste nichts über seine leiblichen Eltern; trotzdem erschienen sie ihm immer wieder in seinen Träumen, und darin waren sie schwerkrank und lebten umgeben von Bären im Hohen Norden."
Darcy Padillas Fotos sind nicht nur berührend, sie vermögen Empathie auszulösen. Und die Geschichte, die Emmanuel Carrère dazu erzählt, tut dasselbe mit Worten.
Emmanuel Carrère
Julies Leben
Matthes & Seitz Berlin 2020
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