. Mein
Interesse an diesem gut in der Hand liegenden Buch gründet
einerseits darin, dass ich mit Helmut Salzinger (1935-1993) seine
Musikkritiken im legendären Sounds verbinde (er
publizierte sie unter dem Namen Jonas Überrohr), auch wenn ich keine
wirkliche Erinnerung mehr an sie habe (mein damaliger Favorit war
Jörg Gülden), und hat andererseits mit dem Zitat auf dem
Buchumschlag zu tun, das meine Grundeinstellung zum Leben auf diesem
Planeten treffend zusammenfasst: "Wenn wir etwas vom Wesen des
Menschlichen begriffen haben, dann dieses: dass der Mensch als Natur-
und Lebewesen von keinerlei Bestimmung über die Erde gesetzt ist,
sondern dass er von gleicher Art ist wie alles Lebendige." (Es
ist übrigens nicht das ganze Zitat, dieses findet man im Buch).
Unter
dem schönen Titel "Schreiben wie die Maus buddelt" hat
Mathias Bröckers ein schlaues Vorwort beigesteuert, in dem er unter
anderem Salzingers Garten-Philosophie als umfassende Bioethik
charakterisiert. "Weniger in programmatischen Sätzen als in den
alltäglichen Beobachtungen, den mit offenen Sinnen eingefangenen
Wechselwirkungen dieses unendlich vielfältigen Universums der
Gräser, Büsche, Blätter und Bäume. Und in der geschärften
Wahrnehmung für alles, was mit und zwischen ihnen lebt,
einschliesslich des Gärtners selbst, dem der Garten nicht nur zum
Wohnort, sondern, indem er ihn anschaut, auch zum Meditationsraum
wird."
Helmut
Salzinger und seine Frau hatten ein Haus fern der Stadt gesucht und
waren im nördlichen Teil des Weser-Elbe-Dreiecks im Lande Hadeln
fündig geworden. Auf die zwei Morgen Land (das sind fünftausend
Quadratmeter), die mit dabei waren, waren sie jedoch nicht wirklich
vorbereitet. Der
Gärtner im Dschungel handelt
von den Erlebnissen der beiden in ihrem neuen Lebensraum. Und ist
eine differenzierte, gescheite, witzige und lehrreiche Lektüre.
Ich
habe mich bestens identifizieren könne mit diesem Werk, obwohl ich
mich noch nie zum Gärtnern gedrängt gefühlt habe. Ich lese lieber
Bücher darüber und nicke dann immer mal wieder zustimmend, etwa bei
Sätzen wie diesem: "Ein gutes Gartenbuch kommt allein aus der
Erfahrung. Mit entsprechenden Konsequenzen für die
Handlungsanweisungen, die gewöhnlich auf die Empfehlung
hinauslaufen, die eigenen Erfahrungen gefälligst selber zu machen."
Der
Gärtner im Dschungels machte
mich auch oft schmunzeln und gelegentlich laut herauslachen. "Dass
sich in unserm Garten Schlangen eingefunden haben, nehmen wir
natürlich als Vertrauensbeweis, als Bestätigung, dass wir auf dem
richtigen Weg sind." Was allerdings nicht von allen erkannt
wird. So mähte ihr Nachbar Richard, der ihnen eine Gefallen tun
wollte, in ihrer Abwesenheit die Wiese, worin sie eine grosse Zahl
Eiben und Geissblattranken gepflanzt hatten, deren betäubenden Duft
sie gehofft hatten, im Frühjahr geniessen zu können.
Lehrreich
ist dieses Buch überdies für Menschen, denen es schon schwer genug fällt, "eine Kuh von der
anderen zu unterscheiden, einen Spatz von dem anderen, eine Maus von
der anderen, eine Ameise, Biene, Fliege vor den anderen." Und so
lerne ich unter anderem, dass Schafe ihrer dicken Wolle wegen gegen
Stromschläge von Elektrozäune geschützt sind. Oder dass
Steine dem Schutz des Bodens vor dem Umgegraben-Werden dienen.
Helmut
Salzinger war ein Bildungsbürger und zeigte es auch. Jünger, Hesse
und Goethe erwähnt er, auf Vergil und Hesiod nimmt er Bezug und auch
die antiken Werke über den Land- und Gartenbau dürfen nicht fehlen.
Inspirieren lässt er sich jedoch auch von Carlos Castanedas Don Juan
und dessen Krieger-Ideal.
Mathias
Bröckers hat die Essenz dieses schönen Buches treffend so
formuliert: "Ohne eine Weltrevolution der Seele, ohne eine
Veränderung des Innersten, des Bewusstseins, ohne eine radikale
Umwertung aller Werte und vor allem seines, des Menschen, Wert als
'Mass aller Dinge', muss jede globale Versöhnung mit der Natur ein
frommer Wunsch bleiben."
Fazit:
Gut geschriebene, differenzierte, unterhaltsame und anregende
Aufklärung.
Helmut
Salzinger
Der
Gärtner im Dschungel
Westend,
Frankfurt am Main 2019
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