Als American Dirt im Jahre 2020 auf den Markt kam, wurde es zuerst vielerorts gelobt, dann jedoch auch kritisiert. Ich erinnere mich noch vage, dass der Autorin vorgeworfen wurde, sie könne nicht authentisch über Mexiko schreiben, da sie keine Mexikanerin sei. Und über Migranten könne sie auch nicht schreiben, da sie selber keine Migrantin sei. Diese Kritik schien mir nicht unplausibel, wirklich darüber nachgedacht habe ich jedoch nicht.
Seither hat der politisch korrekte Fundamentalismus zugenommen. Mittlerweile äussern ein paar wenige ungute Gefühle wegen vermeintlich kultureller Aneignung. Ich selber kriege ungute Gefühle, wenn ich von solchen Schwachköpfen höre, schliesslich habe ich mir mein ganzes Leben lang Hilfreiches aus anderen Kulturen angeeignet. Und überhaupt: Keine Idee, keine Melodie, die irgendjemandem "gehört."
Da schreibt eine Frau einen Roman, erfindet sich also die Welt und bringt ihre Gedanken dann zu Papier. Wir alle erfinden uns die Welt. Nicht alle machen daraus einen Roman. Und noch weniger machen daraus einen guten Roman. American Dirt ist ein guter Roman. Stephen King findet das übrigens auch. Und Don Winslow ebenso. Und auch The Observer war voll des Lobes.
Wenn ein Roman ein Klischee-Bild von Mexiko liefert, ist das kein Problem. Auch Klischee-Bilder von Migranten sind kein Problem. Auch Klischee-Bilder über Schweizerinnen sind kein Problem. Nur ernst nehmen sollte man sie nicht über Gebühr. Diejenigen, die sich über Klischee-Bilder aufregen, haben ihre eigenen, nur wissen sie es nicht.
Gäbe es die politisch korrekten Fundis nicht, hätte ich vermutlich American Dirt nicht erstanden. Danke also fürs Aufmerksam-Machen auf diese spannende Lektüre, die in Acapulco ihren Ausgang nimmt, und mich an meine Zeit dort erinnert. Und mir in Erinnerung ruft, was ein gutes Buch bewirken kann. "Hin und wieder, wenn ein Buch sie besonders berührte, wenn es ein bisher unentdecktes Fenster in ihrem Geist öffnete und für immer ihre Wahrnehmung der Welt veränderte ...".
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