Wednesday 16 March 2016

Die 100 wichtigsten Dinge

Die 100 wichtigsten Dinge, herausgegeben vom Institut für Zeitgenossenschaft (IFZ) in  Düsseldorf, gehört zu den unterhaltendsten, witzigsten und anregendsten Werken, die ich in letzter Zeit in Händen gehalten habe. Das beginnt bereits mit dem Vorwort (wenn nicht dort, wo sonst?) von Lisa Gotto aus Köln, wo unter anderem die Maxime festgehalten ist, an der sich das IFZ orientiert:

"Mit Die 100 wichtigsten Dinge läutet das Institut für Zeitgenossenschaft IFZ den Beginn einer neuen Ära der Objektforschung ein. In der Nachfolge Max Schemmlers, dem wichtigsten Ding-Denker des 20. Jahrhunderts, bekennt sich das IFZ zur fassbaren Ding-Diagnostik unter zeitgenössischen Bedingungen. 'Wert und Wesen der Dinge', so Schemmler in seinem 1975 erschienen Grundlagenwerk Die Dringlichkeit der Dinglichkeit, 'bleiben all jenen verborgen, die sie zu begreifen versuchen, ohne sich von ihnen ergreifen zu lassen.'"

Die Herausgeber haben bei der Auswahl drei Kriterien ins Spiel gebracht. Wichtig ist ein Ding, wenn es 1) stellvertretend für viele stehen kann, 2) unvergleichlich ist oder 3) "wenn es in seiner Entstehung oder schlicht durch seine blosse Existenz alle Fragen nach Dinglichkeit, der Vollendung oder des Fortschritts hinter sich lässt".

Die Texte zu den Fotografien der verschiedenen Dinge in diesem Band, erklären diese nicht begleitend (wie das bei Fotolegenden der Fall ist), sondern sollen "als den Bildern ebenbürtige wissenschaftliche Definitionen betrachtet werden." Eine Auswahl findet sich untenstehend.
Draht

Kann alle Dinge der Welt modular miteinander verbinden. Ein berühmtes arabisches Sprichwort lautet sinngemäss: "Nenn mir ein Ding, dass du nicht aus einem Draht und einem Stock formen kannst, und ich nenne dir den Preis dafür."
Feuer

Glaubt man an die Bibel, so gibt es Feuer schon sehr lange, vielleicht sogar schon immer. Ohne Feuer, so weiss man als Glaubender, kein Fegefeuer, kein Dornbusch, kein Name Gottes, keine Kirche.

Wo Feuer brennt, da brennt Moral, das Mitgefühl, wenn nicht sogar der Mensch selbst. Solange Feuer lodert, ist noch nicht alles verloren, hofft der Hoffende, dass es niemals ausgehen wird, Feuer in Büchern lehrt das richtige Lesen, Bücher im Feuer das falsche.

Die Verbrennung von Müll ist der verzweifelte Versuch, Kant zu widerlegen. Sie ist zwar umweltfreundlich, doch philosophieschädlich.
Frucht

In früheren Zeit wurde auch der Mensch als Frucht bezeichnet, so lange er im Leib des Muttermenschen erwartungslos seiner Geburt harrte. Von Leibesfrucht war die Rede, einem schönen Wort, das dem Begriff vom Embryo weichen musste. Gleichzeitig wurde aufgehört, den Heranwachsenden die Geschichte von der Entstehung der Lebewesen anhand der Parabel von den Bienen und den Blüten zu erzählen. An deren Stelle trat ... (das wird hier nicht verraten).

Die 100 wichtigsten Dinge
herausgegeben vom Institut für Zeitgenossenschaft IFZ
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2015

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