Ohne die von den Medien jeden Tag von neuem bereitgestellte Plattform, auf der sich dieser egomanische Hohlkopf sondergleichen (zugegeben, mit ganz vielen anderen, die auch ganz, ganz viel Aufmerksamkeit brauchen) austoben darf, weil das nicht nur ihm, sondern auch ihnen die Aufmerksamkeit beschert, nach der sie gieren, gäbe es keinen D. T.
Ich ertrage es nicht mehr, dass man mir unter dem Hinweis auf Aufklärung täglich die Inkarnation der Primitivität und Geistlosigkeit vorführt, um selber Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe mich ausgeklinkt, mag mir den täglichen Irrsinn nicht mehr antun, denn die Versuche einen Irren bzw. eine irre Welt rational zu erklären, sind genauso irre (inklusive der nachgereichten Rationalisierungen). Warum also lese ich dieses Buch? Weil ich mir davon Aufklärung über unser von den Medien geprägtes Dasein erhoffe – und die kriege ich auch, wenn auch ausschliesslich über die nordamerikanischen Medien.
Im Kapitalismus gibt es keine Demokratie, hat Horst Herold, der einstige Leiter des BKA, gesagt, denn da herrscht das Geld und nicht das Volk. Und um Geld zu verdienen, braucht man Aufmerksamkeit. Das ist der gemeinsame Nenner, der D.T. und die Medien antreibt.
Das Fernsehen "stellte das Bild über das Wort und damit die Erscheinung über das Wesen", so James Poniewozik. "Das Fernsehen aber sprach eher in Bildern als in Worten und appellierte daher stärker an die Emotionen als an den Verstand." Treffender hat es die New Yorker Fotografin Lisa Kahane gesagt: "Image outlives fact." Dazu kommt, dass sich allzu viele mit dem Image von D.T., der behauptet, er könne tun, was auch immer er wolle, bestens identifizieren können.
Es gehört zu den Kennzeichen des nordamerikanischen Qualitätsjournalismus, das er auch immer eine Fleissarbeit ist (für diejenigen, die mit der Fernsehlandschaft der USA nicht besonders vertraut sind, ist dieses Buch streckenweise wenig ergiebig) und sein Thema möglichst von vielen Seiten beleuchtet. Und so erfahren wir in diesem Buch nicht nur von den Anfängen des Fernsehens, sondern auch von den Vorlieben von Mutter und Vater Trump, wobei sich der Autor in seiner Charakterisierung von D.T. auffallend zurückhält und sich vorsichtig ausdrückt (Von "Ich behaupte nicht zu wissen" über "könnte" bis zu "vielleicht sogar"), vermutlich auch als Absicherung vor potentiellen Klagen, für die die USA und besonders D.T. berüchtigt sind.
Detailliert zeichnet James Poniewozik die symbiotische Beziehung zwischen D.T. und den Medien nach. "Die Impulse des einen waren die Impulse des anderen. Die Begierden des einen waren die Begierden des anderen. Die Mentalität des einen war die Mentalität des anderen." Entscheidend dabei ist, nicht aus den Augen zu verlieren, dass sowohl die Medienwelt als auch D.T. Fiktionen sind. Dass wir diese der Realität vorziehen, werden wir wohl einst teuer zu bezahlen haben, denn Fiktionen haben es so an sich, sich aufzulösen, die Realität jedoch nicht. Wie sagte doch Philip K. Dick: "Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away." Wäre der Mensch fähig, sich der Realität zu stellen, gäbe es diesen Kaiser ohne Kleider nicht. Und es gäbe wohl die meisten Medien nicht.
Alle Scheinwerfer auf mich! ist grösstenteils eine differenzierte und gescheite Auseinandersetzung mit dem mediatisierten D.T., auch wenn sie gelegentlich in ihrer eigenen Informationsflut fast ersäuft, doch gegen Schluss hellsichtig erkennt, dass D.T.s gefährlichste Gegner "nicht seine klugen Kritiker, wie der stocksteife FBI-Direktor James Comey" sind, sondern die, "die sich mit dem TV und den sozialen Medien auskannten und durch kein Schamgefühl gehemmt waren", wie Stormy Daniels oder Omarosa Manigault Newman, die vom stellvertretenden Pressesprecher des Weissen Hauses, vom Podium aus angegriffen wurde. "Omarosa wurde dreimal bei The Apprentice gefeuert", sagte er, "und das war das vierte Mal, dass wir sie gehen liessen," Sehr schön kommentiert der Autor: "Wir. Die Trump-Administration, so Shah, war also die Fortsetzung von Apprentice im globalen Massstab."
Der Narzisst D.T. war offenbar schon von früh auf abhängig davon, im Mittelpunkt zu stehen. Süchtig nach Aufmerksamkeit zu sein, ohne sie nicht leben zu können, ist ein Charakterdefekt, der nicht nur D.T., sondern auch vielen Medienschaffenden eigen ist. Das kritische Hinterfragen, das einige Medienleute nicht nur für sich in Anspruch nehmen, sondern eindrucksvoll praktiziert haben und praktizieren (über kaum jemanden ist so viel bekannt wie über D.T.), hat sich als wirkungslos erwiesen
Eindrücklich hat James Poniewozik herausgearbeitet, wie D.T., seine Administration und die Medien, sich der Realität verweigern. Zu kurz gekommen ist mir allerdings, dass solche Leute nur deswegen Macht ausüben können, weil wir uns alle der Realität verweigern. Wären wir so nüchtern und realistisch, wie wir uns selber gerne sehen, würden wir uns eine solche Welt nicht gefallen lassen.
Alle Scheinwerfer auf mich! bietet nicht nur vielfältige Aufklärung über die geradezu kongeniale Partnerschaft von D.T. und den Medien (nein, nicht allen), es illustriert auch auf erschreckende Weise, dass und wie wir die Fiktion der Realität vorziehen.
James Poniewozik
Alle Scheinwerfer auf mich!
Die Geburt Donald Trumps aus dem Fernsehen
und der Zerfall Amerikas
Edition Tiamat, Berlin 2025



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