Für mich sind Fotos Auslöser. Die erste Reaktion erfolgt – wie es Reaktionen eben so an sich haben – unbewusst und lässt sich reduzieren auf: Gefällt mir, gefällt mir nicht. Die in diesem Band gefallen mir.
Dass ich zu einem Fotobuch mit dem Titel Taxi Drivers greife. liegt vermutlich daran, dass ich damit Grossstädte verbinde und mich diese, ich bin grösstenteils auf dem Land aufgewachsen, in jüngeren Jahren magisch angezogen haben. Die Bilder in diesem Band wurden in New York City, London und Tokio aufgenommen – Städte, die ich aus eigener Anschauung kenne – und lösen bei mir Gefühle des Wiedererkennens aus. Taxi Drivers erlebe ich auch als eine Einladung zu einer Zeitreise.
Written in Their Faces steht auf dem Umschlag. Laut Almut Hüfler meinte Klaus Maria Einwanger damit, "dass sich in den Gesichtern dieser Menschen exemplarisch eine Veränderung zeigte, die vergleichbar schien mit den Umbrüchen der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts." Wenn man das in diesen Gesichtern sehen will, so kann man das, doch dass die Gesichter dieses ihnen Zugeschriebene zeigen, ist nichts als eine Behauptung – eine sehr weit hergeholte. Zudem: wir sehen in Bildern vor allem uns selber: Was Almut Hüfler in diese Bilder hineinliest, ist ihr historisches Wissen; mit dem, was diese Fotos zeigen, hat es nichts zu tun. Das liegt auch daran, dass das, was sie in diese Fotos hineininterpretiert, diese zweidimensionalen Reduktionen einer dreidimensionalen Realität gar nicht zeigen können
Andererseits: Ihr Text (die anderen stammen von Ute Lemper, Martin Walker, Bobbie van der List, Christoph Kappes und Sonya Winterberg) ist so recht eigentlich der einzige, der sich auf Aufnahmen in diesem Band bezieht. Und auf diese so reagiert, wie man es meiner Meinung nach tun sollte – sie beschreibt, was sich ihren Augen darbietet, und sie stellt Fragen. "Ein leichtes Lächeln spielt um seine Mundwinkel. Was sagt dieser Blick, dieses Lächeln? Was weiss er? Was hat er gesehen? Wie erlebt er das Interesse seines Gegenübers? Wie denkt er über seine Lage?"
Almut Hüfler lässt auch Klaus Maria Einwanger zu Wort kommen, der ausführt, wie er dazu kam, Taxifahrer in New York zu porträtieren. Auch er stellt Fragen, zitiert dann die Antworten einiger Fahrer, und gibt seinen Eindruck von ihnen wieder. In London trifft er dann auf eine ganz andere Stimmung. "Verglichen mit New York erlebte ich hier eine ganz andere Energie. Während dort die Stimmung von Resignation und Aggression geprägt war und Demonstranten einen sehr anklagenden, lauten Protest lebten, schienen die Londoner Cab Drivers von einem anderen, fast schon optimistischen Kampfgeist erfüllt." Die Taxifahrer in Tokio erlebt der Fotograf dann noch einmal anders. "Das ist einfach mehr Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Wertschätzung im Spiel."
Wer entschied eigentlich, wie die Porträtierten aufs Bild sollten? Klaus Maria Einwanger Ausführungen dazu sind höchst aufschlussreich und lassen mich die Aufnahmen in einem neuen Licht sehen (ich sehe nur, was ich weiss bzw. kenne). In London: "Sie durften sich ihre Ziele für die Aufnahmen selbst aussuchen und präsentierten sich alle gerne mit ihren Wagen als Ikonen an bekannten Plätzen. Und obwohl ich als Fotograf bewusst keine Anweisungen gab, wie sie sich positionieren sollten, sehen wir sie auf den Bildern durchgehend in einer Körperhaltung, in der sich Leidenschaft und Stolz ausdrücken."
Taxi Drivers ist ein höchst gelungenes Zeitdokument, das mittels ausdrucksstarker Bilder und erhellender Texte Lebenshaltungen zum Ausdruck bringt, die von ganz unterschiedlichen kulturellen Werten zeugen: Ein illustriertes Lehrstück über die vibes dieser Städte.
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