Sunday 8 May 2011

Dominique Manotti

Es sei gleich gesagt: das ist ein super Krimi, da stimmt nun wirklich alles und das liegt nicht unbedingt am Plot – da geht es, zur Zeit Mitterands, um illegale Waffenverkäufe an den Iran, ein über der Türkei explodierendes Flugzeug, klassische Polizeiarbeit und politische Mauscheleien – sondern an der Art und Weise wie die Autorin zu erzählen weiss: ungeheuer intensiv, intelligent, immer wieder überraschend und so atmosphärisch, dass man Paris und Französisches gleichsam riechen kann. In mir jedenfalls kam der Wunsch auf, unbedingt wieder einmal französische Luft zu schnuppern und das will was heissen, denn ich bin nicht frankophil – doch vielleicht werde ich es noch.

Dieses wirklich aussergewöhnliche Buch beschreibt das französische Politikerleben als ein Pendeln zwischen Luxusbordell, Geliebter, Kokain, Machtspielen und kriminellen Machenschaften; schildert die Faszination von Pferderennen, erzählt von verratenen Freundschaften und beschreibt auch den Alltag der Polizistin Noria Ghozali (im Kommissariat: „drei kleine fotokopierte Plakate: 'Keine Kanaken bei der Polizei', dazu eine Zielscheibe auf einer Silhouette, die der ihren gleicht.“) – ich glaubte nach der Lektüre die Welt, in der sich niederrangige Polizisten bewegen, ganz gut zu verstehen: „Und heute wie an jedem Tag Formulare in dreifacher Ausfertigung, davon eins für die Versicherungen, Routine. Routine ist an diesem Morgen auch das Verschwinden von 174 Pekingenten, die in Privatküchen im Vierten Bas-Belleville in Schwarzarbeit zubereitet wurden und für die dort florierenden Chinarestaurants bestimmt waren. Vergeltungsmassnahme, Erpressung. Eintreiben von Schutzgeldern, Beutezug von Hungernden. Im hiesigen Chinatown fühlt sich keiner aus dem Kommissariat so richtig wohl.“

Es ist Manottis so recht eigentlich unvergleichlicher Erzählstil, der diesen Krimi speziell macht und herausragen lässt. „Und so hatte Bornand ihn 1982 in den Beraterstab des Elysée berufen. Er war dem Ruf gefolgt, doch nicht für lange: Zu viele Stümper, hatte er gesagt, zu viele Bürokraten, zu viele Chefs, zu wenig Action und zu wenig Sonne. Und hatte daraufhin seine eigene private Sicherheitsfirma ISIS gegründet, mit Sitz in Beirut, deren Stern über den gesamten Mittleren Osten strahlte.“

Der Verlag preist diesen Titel als „die brillante Chronik einer authentischen Staatsaffäre“ an. Basiert das Ganze also auf einer wahren Geschichte? Anzunehmen ist das nicht, sonst wäre es ja kein Krimi. Doch dann schreibt auch die französische Verlegerin: „Ihre kühlen, präzisen Sätze zoomen ganz dicht ran wie eine minimalistische Kamerafahrt [was das wohl ist?], die mit den Augen der handelnden Figur blickt und ihr gleichzeitig ins Hirn guckt. Alles ist echt.“ Alles ist echt? Sollte das so gemeint sein, dass genau so, wie hier beschrieben, das politische Geschäft vor sich geht, glaubt man das sofort. Dominique Manotti beschreibe „den Krimi der Wirklichkeit“ meint die Verlegerin; überzeugender ist das schon lange nicht mehr gelungen.

Übrigens: man stösst dabei auch auf solch nachdenklich machende Sätze wie diese: „Madame, für die Frauen beginnt die Freiheit oft mit einem Verrat. Glauben Sie mir, ich weiss, wovon ich spreche“, sagt die ihrer Familie, die sie malträtierte, entkommene Polizistin Noria Ghozali.

Dominique Manotti
Roter Glamour
Ariadne Kriminalroman
Argument Verlag, Hamburg 2011
http://www.argument.de

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