Beim Einstieg in diesen Roman wähnt man sich in einem Film, so bildmächtig weiss Blaise Cendrars die turbulente Szenerie zu schildern. Und dann die Sprache (grosses Kompliment an den Übersetzer Jürgen Schroeder!), die einen geradezu mitreisst und die Welt immer mal wieder neu sehen lässt. ("Die Wolken eilen herzu ...").
Dan Yack, ein berühmter Millionär und Lebemann, wird von seiner Geliebten Hedwiga verlassen, und entschliesst sich zu einem Neuanfang, "irgendwo zwischen der Ferse Neuseelands und dem Südpol." Nicht alleine, sondern zusammen mit einem Dichter, einem Bildhauer und einem Musiker, die er in einer Kneipe aufgegabelt und mit viel Geld geködert hat.
Der Kapitän ist gereizt, das Schiff kämpft gegen heftige Winde. Dann geht der erste Blitz über der Insel nieder. Ein Blizzard. Ein Schneesturm. Der Winter. Blaise Cendrars schildert das überaus eindrücklich, kraftvoll, mit grosser Intensität. Ihm muss, so stelle ich mir vor, ein vulkanisches Temperament eigen gewesen sein!
Der Dichter ist dick geworden, er grübelt, wird gepackt von einer Störung, die ihn ständig Rückblenden in die Vergangenheit provozieren lässt. Zwanghaft. Es ist schwer, dagegen anzukämpfen. Es ist ein Phänomen, das in langen Polarnächten häufig vorkommt und einen Bakteriologen genauso befallen kann wie einen Seemann.
Der Bildhauer verliert sich "in eine verworrene Träumerei von Zukunft, Menschenliebe und Lebensfreude." Und er studiert Dan Yack, mit der Folge, dass er unbewusst dessen Einfluss erlieg und sich, wenn er ausgeht, mit grösster Sorgfalt kleidet.
Die Perspektive von Bari, dem Hund, ist noch einmal eine andere. Er ist traurig, die Überfahrt war ein Alptraum, er träumt von den Verhältnissen in England. Dann findet er raus, dass der Musiker nach Hündin riecht. Der Dichter meint: "Ich persönlich bin überzeugt, dass der Hund ein Vermittler ist zwischen den anderen Tieren und den Menschen, eine Art niederer Engel, wie es die höheren Engel gibt, die Vermittler zwischen den Menschen und Gott, aufmerksame Wächter des Gebets, die Paradieshunde."
Und Dan Yack, wie geht es ihm? Zu den drei Nöten, die ihn beschäftigen, gehört auch die Angst um sein Monokel. Doch er muss auch lachen über die verrückte Gegend, wo im Sommer Winter ist und an Weihnachten die grösste Hitze herrscht. Als sie schliesslich in Port Deception landen und er die vollkommen öde Insel erkundet, muss er ständig an Hedwiga denken, die er einfach nicht aus Kopf und Herz bringt.
Mit Hilfe von fähigen Leuten baut er eine Fabrik auf, sendet Flotten aus zum Walfang, und macht sich an die Herstellung von Walfleischkonserven. Ein Kasino kam hinzu, er verdiente Geld,, und er hatte wieder angefangen zu lieben. Und: "Er trank. Er trank. Mochte alles zum Teufel gehen!"
Soviel zum ersten Buch, Le Plan de l'Aiguille, das zweite heisst Die Bekenntnisse Dan Yacks, das sich durch dieselbe Intensität auszeichnet. Dan Yack, der früher Grammophone liebte, lebt jetzt in Le Plan de l'Aiguille, und ist besessen vom Diktaphon, in das dieses zweite Buch gesprochen wurde. Der Text handelt hauptsächlich von Mireille, seiner Tochter, die tot ist. "Sie gab nicht gern Geld aus. Im Unterschied zu mir, der ich ihr Autos und Kleider kaufte und immer den neusten Schmuck. Aber sie mochte keinen Schmuck, sie mochte nichts als Blumen, wie meine Mutter." Können wir unserem Schicksal eigentlich entkommen?
Rückblicke auf der Ersten Weltkrieg ("Auch an der Front folgte ich meinem Instinkt, wenn ich die ganze Nacht durch diesen Wahnsinn irrte. Bizarre Kakophonie! Ich hörte den Tod delirieren. Eine anonyme Maschinerien,") wechseln sich ab mit dem Leben in Paris. "Was soll ich in Paris? Nicht mehr trinken, keine Frauen mehr, nein, kein Alkohol." Ob es ihm gelingen wird?
Wie das erste, so handelt auch das zweite Buch von Liebe, und Leid. Dan Yack ersäuft seinen Schmerz und wirft sich gleichzeitig in die Arbeit. Dabei geht es überaus turbulent zu und her; der Autor sprüht vor Fantasie und Sprachlust – und es sind diese, die diesen Roman ausmachen.
Blaise Cendrars
Dan Yack
Roman
Atlantis, Zürich 2025
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