Wednesday, 14 May 2025

Peanuts. 100 Seiten

Ich bin Peanuts-Fan, habe mir während Jahren immer mal wieder einen dieser Comicstrips aus der Zeitung ausgeschnitten. Einige sind mir geblieben, kann ich frei zitieren (und tue es auch gelegentlich). Dazu kommt: Als ich vor Jahren angefangen habe, Portugiesisch zu lernen, haben mir die Peanuts-Comics dabei geholfen.

Wahrgenommen habe ich die Peanuts immer als lustig und streetwise, ernsthaft auseinandergesetzt habe ich mich nicht mit ihnen. Als ich jetzt auf dieses Zitat des Peanuts-Schöpfers Charles M. Schulz stosse: "Das grundlegende Thema der Peanuts war von Anfang an die Grausamkeit, die unter Kindern existiert." bin ich verblüfft und überrascht. Und werde ausgesprochen neugierig auf das, was Joachim Kalka, der Autor dieses Büchleins, noch alles auf Lager hat.

    Zu Snoopy notiert er: "Das Interessante an diesem Comic-Hund ist es, mit welcher Konsequenz er sich weigert, die klassische Rolle des Hundes zu erfüllen: die des Begleiters." Und Lucy, deren psychiatrische Praxis dazu dient, Charlie Brown auf seine Fehler aufmerksam zu machen, und findet, dass die  Psychiatrie eine exakte Wissenschaft ist, antwortet auf Charlie Browns "Eine exakte Wissenschaft?!, mit "Ja, du schuldest mir exakt einhundertdreiundvierzig Dollar!"

Joachim Kalka erläutert, ordnet ein und versteht klarzumachen, einleuchtend und nachvollziehbar, weshalb Charles M. Schulz macht, was er macht. Der Akzent liegt dabei auf: Wie mache ich es, dass ein Comicstrip gut funktioniert. Das ist auch Kalkas Domäne und so ist wenig erstaunlich, dass ich selber manchmal zu ganz anderen Schlüssen komme. Ein Beispiel: Linus ist abhängig von seiner Schmusedecke und will sie sich abgewöhnen. Als ihm das schlussendlich gelingt und er überglücklich ist, von seiner Sucht geheilt zu sein, gibt ihm Charlie Brown eine neue Decke. Kalka kommentiert: "Der Strip kann eben auf so ein zentrales Strukturelement nicht verzichten." Ich selber finde, dies zeige noch etwas ganz anders, nämlich, dass man von einer Sucht nicht so schnell loskommt. 

Wunderbar, worauf Joachim Kalka alles aufmerksam macht. "Snoopy beschliesst, Krieg und Frieden zu lesen: Jeden Tag ein einziges Wort."  Zu Snoopys Tagräumen gehört auch, dass er sich als Schriftsteller sieht. "Während ein Hemmnis für Snoopys Romanproduktion in seiner Einfallslosigkeit liegt, ist sein anderes das beschränkte Wissen." Das sind in der Tat nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein Schriftstellerleben!

Ganz besonders beeindruckt hat mich Kalkas Herausschälen von Grundlegendem. Einerseits, weil es mir Augenöffner angetan haben, andererseits, weil mir damit eine Perspektive eröffnet wird, die ich als bereichernd erlebe. So ist etwa Snoopy ständig mit Selbstinszenierungen beschäftigt, beschränkt sich Charles M. Schulz auf einige wenige Topoi, und lässt sich von den Jahreszeiten leiten. Keine Frage, das wird vermutlich den meisten auffallen, die sich mit den Peanuts auseinandersetzen, doch wer tut das schon und dann noch mit einem so guten Auge wie Joachim Kalka?

Ständig ist der Fernseher an; Lucy ist aggressiv, Charlie Brown ist es nicht. In seiner Unbeholfenheit, seinem ständigen Scheitern, zeigt sich auch, dass die Welt der Kinder oft das genaue Gegenteil einer Idylle ist. "Es ist gewiss die mit grosser Subtilität inszenierte Kinderperspektive, die den Strip so faszinierend macht: eine Welt von Wesen, welche in den Begrenzungen der Kindheit gefangen sind und sie gleichzeitig überwinden oder ignorieren."

Joachim Kalkas Blick auf die Peanuts lässt sie mich ungewohnt und neu sehen. Bravo!

Joachim Kalka
Peanuts. 100 Seiten
Reclam, Ditzingen 2025

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