Wednesday, 9 July 2025
Sunday, 6 July 2025
Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau
Auf sie gestossen bin ich in Brasilien, wo ich mich regelmässig einige Monate im Jahr aufhalte und das ich, um es mit Stefan Zweig zu sagen, für „Ein Land der Zukunft“ halte, weil da vieles, jedenfalls in meiner Wahrnehmung, nicht vom Gewicht der Geschichte erdrückt wird, sondern neu entstehen kann. So kommt mir auch das Schreiben von Clarice Lispector vor: Ich habe solche Texte bisher nicht gelesen, solche Gedanken bisher nicht so ausgedrückt getroffen; das ist neu, ungewohnt und bereichernd für mich; diese Frau versteht es, intelligent zu fühlen.
Der Titel, Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau, könnte besser kaum vermitteln, was ich als wesentliche Aspekte des Wesens (und nicht etwa nur des Schreibens) dieser Autorin empfinde. Diese Ausgabe in zwei Bänden versammelt alle Erzählungen Clarice Lispectors.
Die erste, die sich übrigens wie ein Krimi liest, handelt von einem trunkenen Tagtraum, in dem die von ihrem Mann verlassene Frau letztendlich über ihren Mann triumphiert. Auch in der zweiten – mit dem Titel ‚Obsession‘ – ist die Hauptperson eine Frau, die in sehr eigenen Sphären unterwegs ist. „Ein dichter Schleier trennte mich von der Welt und, ohne dass ich es gewusst hätte, entfernte mich ein Abgrund von mir selbst.“ Sie lernt Daniel kennen, der vor allem um sich selbst kreist und sich krank fühlt, „fern von allen anderen, fern auch von dem idealen Menschen, der ein gelassenes und tierhaftes Wesen sein sollte, ein Wesen von leichter, behaglicher Intelligenz. Diesem Menschen, zu dem er sich niemals aufschwingen würde, den er unweigerlich verachtete, mit dem Hochmut derer, die leiden.“
Die Hellsichtigkeit, die aus diesen Sätzen spricht, macht mich staunen. Umso mehr, als sie aus jungen Jahren, aus der Zeit des Jurastudiums der Autorin stammen. Von Daniel lernt die Protagonistin auch: „ein Tag ohne Tränen ist ein Tag, an dem das Herz verhärtet ist, nicht etwa einer, an dem das Herz glücklich wäre … da das Geheimnis des Lebens Leiden ist. Diese Wahrheit liegt in allen Dingen.“ Und diese Wahrheit liess sie plötzlich erwachen. „Jetzt wurde ich neu geboren.“
Es versteht sich, so einfach ist es dann doch nicht, wenn man in einer Obsession gefangen ist. Sie schreibt ihm, ohne Antwort zu bekommen. Sie erforscht sich aufmerksam: „Mit vagen Worten bezeichnete ich die Qual, als könnte ich sie dadurch von mir fernhalten.“ Immer wieder erlebt sie grössere Einsichten, doch diese helfen, wenn überhaupt, erst viel später. Eindrücklicher habe ich selten über Abhängigkeit und Leiden gelesen.
Clever und witzig, schreibt diese Frau. In „Ich und Jimmy“ charakterisiert sie die Mutter der Protagonistin, die vor der Heirat freiheitlich denkend und eine Rakete gewesen war, was ihr die Ehe und ihr Mann jedoch austrieben. „Sie hat schon noch eigene Ideen, aber die lassen sich schnell zusammenfassen: Eine Frau soll stets ihrem Mann folgen, so wie die Nebensache der Hauptsache folgt (der Vergleich ist von mir, Ergebnis der Vorlesungen meines Jurastudiums).“
Eine wohltuende Leichtigkeit durchzieht dieses Schreiben, bei dem es immer wieder Sätze und Gedanken gibt, die mich staunen machen, auch weil sie Wahrheiten aussprechen, die mir überhaupt nicht bewusst gewesen sind. Etwa in „Geschichte, die abbricht“, in der die junge Frau an einem Sommertag die Fenster sperrangelweit aufreisst und ihr ist, als käme der Garten ins Zimmer herein, sie die Natur in jeder Faser spürt und dann notiert: „Ich wandte mich wieder nach drinnen, berührt von der Ruhe des Moments.“ Genial, dieses „die Ruhe des Moments“ – eine mich beglückende Erkenntnis.
Zu meinen Favoriten gehört „Eine Henne“, eine Geschichte, die mich nicht nur lachen machte, sondern geradezu Lebensfreude in mir entfachte, so originell und witzig, so fantasievoll und nüchtern, so empathisch und fantastisch ist sie – und so beginnt: „Sie war ein Sonntagshuhn. Noch am Leben, weil es erst neun Uhr morgens war.“ Doch dann fliegt sie davon. „Der Hausherr, eingedenk der zweifachen Notwendigkeit, hin und wieder Sport zu treiben und heute zu Mittag zu speisen, schlüpfte strahlend in Badeshorts und schickte sich an, dem Weg der Henne zu folgen.“ Wie’s ausgeht, soll hier natürlich nicht verraten werden …
Es sind vor allem einzelne Sätze und Halb-Sätze, die mich packen und innehalten lassen. Etwa dieser: „… neigte sich doch dazu, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die sinnlos waren, wenn auch unterhaltsam.“ Dann aber auch Szenen wie diese hier: Sie will einen schwierigen, distanzierten Mann für sich gewinnen und fragt: „Wo sollte man ansetzen, wenn er sich kannte?“, doch dann hat sie eine Idee: „Aufgeregt setzte ich mich im Bett auf, und mir schoss durch den Kopf: ‚Das kam zu schnell, um gut zu sein; sei nicht gleich so begeistert; leg dich hin, mach die Augen zu und warte, dass Ruhe einkehrt.‘ Stattdessen stand ich auf und begann barfuss, um Mira nicht zu wecken, im Zimmer auf und ab zu gehen, wie ein Geschäftsmann, der auf Nachrichten von der Börse wartet. Doch ich hatte immer stärker das Gefühl, die Lösung gefunden zu haben.“ Wunderbar kindlich, berührend naiv und sehr, sehr smart – eine Kombination, die ich schlicht genial finde.
Wednesday, 2 July 2025
On socially inclined photographers
“In times when (some) photographers hold celebrity status, it is useful to be reminded that a good photograph does not solely depend on the photographer’s ability to choose the right subject, location and light, but also on the chemistry and the collaboration, between photographer and subject (…) Despite my deep sympathy for socially inclined photographers, when the people portrayed feel ashamed of their portraits, there clearly is something wrong with this kind of photography.”
Hans Durrer
Sunday, 29 June 2025
Wednesday, 25 June 2025
Vom Staat zur Marke
Sunday, 22 June 2025
Zur Hölle mit dem Krieg!
Wednesday, 18 June 2025
Hiroshima
Sunday, 15 June 2025
Schmutzige Geschäfte im Niemandsland
Wednesday, 11 June 2025
"Macht ein Foto!"
Die
37-jährige australische Ärztin Jenny Cook, die mit an Bord war,
leistete Hilfe bei der Geburt eines Babys auf einem Überseeflug. Die
Geburt über dem Pazifik sei besonders bemerkenswert, weil das Baby
in einer komplizierten Steißlage mit den Füßen voran auf die Welt
kam, schreibt der Daily Telegraph in Sydney am Sonntag.
In
solchen Fällen entscheiden sich Ärzte meist für einen
Kaiserschnitt. ,,Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde'',
sagte die Ärztin der Zeitung. ,,Falls ich irgendwelche Schnitte
hätte vornehmen müssen, hätten sie mir dann ein Plastikmesser in
die Hand gedrückt?'' Die Ärztin aus Adelaide sei von der
Fluggesellschaft LAN Chile mit einem Wechsel in die erste Klasse des
Flugzeuges und einer Flasche Champagner belohnt worden. Das Kind habe
den Namen Barbara erhalten.
Die
Ärztin berichtete, sie habe das Baby in der Nähe der Toiletten mit
Unterstützung der Kabinencrew und einer Erste-Hilfe-Ausrüstung auf
die Welt gebracht. Die 26 Jahre alte Mutter namens Aline habe zuvor
über Rückenschmerzen geklagt. Sie habe darauf beharrt, nicht
schwanger zu sein, auch noch, als die Fruchtblase bereits geplatzt
sei.
Danach
sei alles ganz schnell gegangen, berichtete die Geburtshelferin der
Zeitung: ,,Ich hab das Baby hochgehoben und seiner Mutter auf den
Bauch gelegt. Die Stewardessen sagten: ,,Was sollen wir nun machen?''
und ich sagte: 'Macht ein Foto.'''
Die
Geburt liege schon drei Wochen zurück, sei aber erst nach Rückkehr
der Ärztin nach Australien bekannt geworden, schreibt die Zeitung.
Auf ihrem Rückflug nach Australien sei Cook vom Piloten mit einem
Kuss und einer Flasche Parfüm begrüßt worden. Die Brasilianerin
habe ihr inzwischen eine E-Mail geschickt und berichtet, dass es ihr
und der kleinen Barbara gut gehe.
Sunday, 8 June 2025
Cultural Markers
Uruguiana, Brazil, 25 Februaray 2025