Wednesday 30 December 2020

Congo in Conversation

What a superb shot!, was my reaction to this colourful, elegantly composed cover. Images of a BBC report from twenty years ago on a fashion show at a hotel in Blantyre, Malawi, popped up in my head, the goal of which had been to show an Africa that was something different from the usual news from the continent – famine, wars, and wildlife.

Congo in Conversation, I learn from the preface, was launched by British-Canadian photographer Finbarr O’Reilly, as “an online collaborative reportage with Congolese journalists and photographers. During six months, they documented the human, social, and ecological challenges that Congo faces today, within the context of the Covid-19 crisis.” Needless to say, this publication couldn’t be more timely.

Who are they? Arlette Bashizi, Dieudonne Dirole, Justin Makangara, Al-Hadji Kudra Maliro, Danny Matsongani, Guerchom Ndebo, Raissa Karama Rwizibuka, Moses Sawasawa, Pamela Tulizo, Ley Uwera, and Bernadette Vivuya.

“Finbarr saw an opportunity for Congolese reporters to regain the central storytelling role long held by outsiders and reshape narratives around Congo. He worked with the Congolese photographers from afar, discussing subjects to cover, photo edits etc.,” Myrtille Beauvert, who looks after the press for the Carmignac Photojournalism Award, lets me know.

Congo in Conversation is introduced by a conversation ...

For the full review, see here

Wednesday 23 December 2020

Letzte Dinge

"Tod und Bestattungskultur in China" lautet der Untertitel dieses Buchs von Maja Linnemann, die in ihrer Einführung auch auf einen 2012 erschienen wissenschaftlichen Sammelband hinweist, in dem es um aktuelle Bestattungstrends in Japan, Korea und der Volksrepublik China geht, dessen Titel für den heutigen Umgang mit dem Tod symptomatisch ist: Invisible Population: the Place of the Dead in East Asian Megacities. Erinnert hat mich dies auch an ein Gespräch mit einem Bekannten, der mich darauf aufmerksam machte, dass Friedhöfe in der Schweiz schon vor langem an den Stadtrand verlegt worden seien. Wie offenbar auch in China.

Dass der Tod zum Leben gehört, wird heute weltweit immer weniger akzeptiert. Stattdessen hält man ihn für etwas, dem wir tunlichst aus dem Weg gehen, mit dem wir uns lieber nicht auseinandersetzen sollen. Doch das Leben im Nicht-Wahrhaben-Wollen, in Illusionen (die einzige Gewissheit, die wir haben, ist, dass wir alle sterben) hat natürlich seinen Preis – die Angst. Dieses Leben in Angst ist uns meist nicht bewusst, doch im Schlaf holt sie uns alle ein.

Leben bedeutet Wandel und ständige Veränderung, und dies zeigt sich auch auf den Friedhöfen beziehungsweise der Friedhofsgestaltung, die auch vom Zeitgeist (alles muss sich rentieren) geprägt ist. Siehe dazu das Kapitel "Das Geschäft mit dem Tod".

Maja Linnemann hat zwischen 2018 und 2020 an verschiedenen Orten in China Friedhöfe besucht und auch an Beerdigungen teilgenommen. Und sie hat sich viele Fragen gestellt. "Was geschieht mit den rund zehn Millionen Menschen, die jedes Jahr in der VR China sterben? Wo kommen die vielen Toten hin, auf dem Land, in den Kleinstädten und Metropolen? Welche Formen der Bestattung gibt es? Welche Entscheidungen treffen die Angehörigen? Wie sind die Einstellungen zum Tod? Und wie läuft eine 'normale' Trauerfeier ab? Was sind die neuen Trends? Was beinhaltet die Bestattungsreform? Welche gesetzlichen Regelungen bestimmen den Umgang mit den Toten, welche traditionellen Rituale, die zu zerschlagen sich die Bestattungsreform zum Ziel gesetzt hat, haben 'überlebt', sich angepasst oder wurden durch welche neuen Rituale ersetzt? Wie sehen die Friedhöfe aus?"

Es versteht sich: Einige dieser Fragen sind nicht wirklich beantwortbar. Etwa: "Welche Entscheidungen treffen die Angehörigen?" Oder: "Wie sind die Einstellungen zum Tod". Vermutungen anstellen kann man trotzdem, informierte Vermutungen. Maja Linnemann hat nicht nur in China gelebt und gearbeitet, sondern ist auch mit einem Chinesen verheiratet, was ihr Einblicke in "Chinesisches" gibt, die denen, die "nur" Beobachter sind, unmöglich sind. Anlass, sich mit dem Tod und der Bestattungskultur in China zu befassen, war der Tod ihres Schwiegervaters im Jahr 2016.

Der schöne Titel "Kurzer Exkurs in Chinas lange Bestattungsgeschichte" deutet es an – eine alte Kultur zeichnet sich nicht zuletzt durch eine umfassende Bürokratie (die der britische Anthropologe Nigel Barley einmal treffend als "an end in itself" bezeichnete) aus und einer der Zwischentitel bringt es denn auch auf den Punkt: "Über den  korrekten Umgang mit dem Tod: Jede Menge Anweisungen."

Letzte Dinge ist ein höchst lehrreiches Werk. So erfahre ich etwa, dass der "Friedhof als ein Ort, wo Menschen, die sich zu Lebzeiten nicht kannten, eine gemeinsame letzte Ruhestätte finden" (ein Augenöffner, diese  Charakterisierung), in China, mit Ausnahme von Shanghai, bis zum Eintreffen der Europäer unbekannt war. Und ich lese von Familiengrabstätten wohlhabender Pekinger Bürger, von Gräbern, in denen vor allem Prostituierte begraben wurden, von Märtyrerfriedhöfen und von speziellen Grabstätten für grosse Männer und für einige wenige Frauen (etwa Konfuzius oder die Kaiserinwitwe Cixi, die am 9. November 1909 bestattet wurde, einem Datum, das die Astrologen bestimmt hatten).

Was mich vor allem für Letzte Dinge einnimmt, ist, dass die Autorin den Leser an ihrer persönlichen Entdeckungsreise teilnehmen lässt, indem sie schildert, wie sie vorgegangen ist und was sie dabei erlebt hat. So berichtet sie etwa, dass ein Bild der 'Grabstelle' des Neo-Konfuzianers Zhu Xi, der vor über 800 Jahren starb, sie neugierig machte. "In der Annahme, es handele sich um ein Foto des Originalgrabes aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, fragte ich beim Museum auf der Hardt in Wuppertal an, das die Nachfolge des Missionsmuseums Barmen angetreten hat ...". Die Antwort findet sich auf Seite 174.

Maja Linnemann
Letzte Dinge
Tod und Bestattungskultur in China
Drachenhaus Verlag, Esslingen 2020

Wednesday 16 December 2020

David Szalay: Turbulenzen

Dass alles miteinander zusammen hängt, davon haben wir zwar gehört (jedenfalls einige), doch damit wir auch wirklich verstehen, was damit gemeint ist, müssen wir es spüren, denn Verstehen ist ein Gefühl. Eine Möglichkeit dieses Fühlens ist das Geschichtenerzählen, und ein besonders gelungenes führt uns David Szalay in Turbulenzen vor, in dem er Ereignisse miteinander verknüpft, die sich aus Flugreisen ergeben.

Eine ältere Engländerin, die in Madrid lebt und in London ihren kranken Sohn besucht hat, fühlt sich auf dem Flug von Gatwick nach Barajas unwohl. Ihr anteilnehmender Sitznachbar aus Dakar weiss noch nicht, dass ihn bei seiner Ankunft die Nachricht von einem tragischen Verkehrsunfall erwartet, bei dem ein Taxi involviert ist, in dem der Flugkapitän Werner sitzt, der ein Frachtflugzeug nach São Paulo fliegen soll, wo er die Nacht mit einer Journalistin verbringt, die am folgenden Tag in Toronto eine bekannte Schriftstellerin interviewen soll ...

Turbulenzen erzählt davon, wie ganz unterschiedliche Leben kurz aufeinandertreffen und wieder auseinandergehen und ich frage mich, ob wohl auch in der wirklichen Welt jemand so Regie führt wie das der Autor von seiner Fantasie geleitet tut. Jedenfalls kommen mir diese Zusammentreffen sehr real vor. Dass sie mit dem Unterwegssein in Flugzeugen in Verbindung stehen, gibt dem Autor auch die Möglichkeit, sich über diese den menschlichen Instinkten eher fremde Art des Reisens auszulassen. "Sie war jedes Mal erstaunt, erlebte jedes Mal eine tiefe Überraschung, wenn sich die Nase des Flugzeugs hob, wenn es sich vom Erdboden löste – obwohl sie eher das Gefühl hatte, dass der Erdboden unter ihr wegsackte." Oder: "Werner rief sich gern ins Bewusstsein, dass das Flugzeug in diesem Moment nicht mehr nicht abheben konnte, dass es keine Macht gab, die es am Boden gehalten hätte."

Da ich selber oft in Flugzeugen sitze und die meisten der aufgeführten Destinationen selber angeflogen bin bzw. mich dort aufgehalten habe (Delhi, Doha, Toronto, Hongkong, São Paulo, Bangkok, Seattle, Budapest, Ho-Chi-Minh-Stadt, Madrid, London), kommt mir vieles vertraut und gleichzeitig unwirklich vor, denn David Szalay bringt mir zu Bewusstsein, dass Lebensschicksale eigentlich ständig aufeinander treffen, obwohl wir es selten merken. Das Kennedy-Zitat in der letzten Geschichte bringt es auf den Punkt: "Denn unter dem Strich verbindet uns alle die Tatsache, dass wir diesen kleinen Planeten bewohnen. Alle dieselbe Luft atmen. Alle eine gute Zukunft für unsere Kinder wünschen. Alle sterblich sind."

Ich lese Turbulenzen wesentlich als ein Buch des Staunens. Einerseits über das Fliegen ("Unfassbar, wie winzig das Flugzeug war, sowohl angesichts der Ausdehnung des Ozeans, den sie überflogen, als auch angesichts der ungeheuren Leere, die sie auf allen Seiten umgab."), andererseits über die Empfindungen, die Begegnungen mit anderen auszulösen vermögen ("Es war einer der Momente, dachte sie, die uns zu dem machen, was wir sind, sowohl im Hinblick auf uns selbst als auch im Hinblick auf andere Menschen. Dergleichen schien aus heiterem Himmel zu passieren, und dann wirkte es für immer nach, und man begriff allmählich, dass man es nicht abschütteln konnte, dass man nie wieder derselbe Mensch wäre.").

Turbulenzen ist ein magisches Buch, das auf mich realer wirkte als das wirkliche Leben.

David Szalay
Turbulenzen
Carl Hanser Verlag, München 2020

Wednesday 9 December 2020

African Queen

 
Helge Timmerberg, geboren 1952 im hessischen Dorfitter, schreibt Reisereportagen. „African Queen“ handelt von den sieben Monaten, die er auf dem afrikanischen Kontinent verbrachte. Und von der Liebe zur Österreicherin Lisa, die so recht eigentlich der Grund war für diese Reise nach Afrika.
„Lisa nimmt meine Hand und sagt nichts. Ich schliesse mich ihrem Schweigen an, obwohl es mich drängt, ihr zum zweiten Mal dafür zu danken, dass sie mich nach Afrika gebracht hat. Ich hatte mich nicht nur dagegen gewehrt, sondern auch einiges dafür getan, sie von der Reise abzuhalten. Weil ich dachte, dass ich überreist bin. Weil ich glaubte, nicht mehr neugierig zu sein. Und weil mir dieser Kontinent am Arsch vorbeiging. Sie war stärker als ich, und jetzt freue ich mich über meine Schwäche, denn eine Fahrt durch das ländliche Afrika um diese Uhrzeit gehört zur Champions League der Reiseeindrücke.“

Lisa ist 25 Jahre jünger als Helge („ein Vierteljahrhundert“, in den Worten von Timmerberg), das bringt viel Farbe in diese Geschichte – mit der Botschaft der Hormone gehen die beiden gelegentlich etwas eigenwillig um. „Zurück in der Kabine, variieren wir das Thema Liebe auf unsere Weise. Ich liege lange wach auf meiner Pritsche und bin so scharf wie Nachbars Zierfische, aber will Lisa nicht belästigen, weil ich glaube, dass sie schläft. Und Lisa erzählt mir am nächsten Morgen, dass sie ebenfalls die halbe Nacht wachgelegen hat und mich nicht wecken wollte. Liebe ist, wenn beide unbefriedigt bleiben. Und so beginnt ein weiterer, wunderschöner Tag in Afrika.“

Timmerberg schreibt nicht nur witzig, er schreibt auch sehr informativ. Ich habe mal in Malawi gearbeitet, weiss auch, dass der Malawisee beeindruckend lang ist, doch dass er 570 Kilometer lang und 75 Kilometer breit und bis zu 704 Metern tief ist, erinnerte ich nicht mehr. Total neu war mir, dass es sich bei diesem Gewässer um das fischartenreichste der Erde handelt. „Vierhundertfünfzig Arten insgesamt, Buntbarsche, Nilhechte, Welse, Karpfen, Salme und diese kleinen Flitzer, deren Namen ich vergessen habe, die aber weltweit als der Mercedes unter Aquaristen gelten.“

In fremden Weltgegenden unterwegs zu sein, ist nicht immer ungefährlich. So beschreibt Timmerberg Lilongwe, Malawis Hauptstadt, als für afrikanische Verhältnisse („Von den zehn gefährlichsten Städten der Welt sind zehn in Afrika ...“) sehr sicher, obwohl es auch da No-Go-Areas gibt, und Maputo, Mosambiks Hauptstadt, als nicht gerade in diese Kategorie gehörig. Und was heisst das nun, wenn man auf zwei junge Männer (der Lächelnde und der Finsterling) aus Maputo trifft und sonst niemand in der Nähe ist? „Das heisst nicht, dass in Maputo jeder junge Mann ein Strassenräuber ist. Es heisst auch nicht, dass in Maputo jeder junge Mann, der kein Strassenräuber ist, in einer Situation wie dieser vielleicht nicht doch schwach werden würde. Das heisst lediglich, dass man in Maputo nicht ohne triftigen Grund in einer Gegend spazieren gehen sollte, in der es, so weit das Auge reicht, niemanden sonst gibt als zwei Jungs wie diese.“ Und was macht man, wenn man auf Likoma Island zwei solcher Jungs trifft? „African Queen“ lesen!

An einem Strand in Dakar wird er reingelegt. Und ärgert sich schwarz. Über sich. „Anfänger! Esel! Blöder Tourist! Goldhäschen, Volltrottel, Europäer! Das schlechte Gewissen der exkolonialen Rasse zollt Leuten Respekt, die absolut keinen Respekt vor mir haben. Ich kenne das seit dreissig Jahren. Wie lange muss ich noch reisen, um darauf nicht mehr reinzufallen? Vergiss es, schwör dir nichts, sonst ärgerst du dich beim nächsten Mal noch mehr als jetzt. Was du jetzt brauchst sind keine guten Vorsätze, sondern ein Drink.“

Kurz darauf, stosse ich auf einen meiner Lieblingssätze in diesem Buch: „Aberglaube unterscheidet sich vom rechten Glauben nur unwesentlich, was den ihm innewohnenden Unsinn angeht.“ Und kurz darauf auf diese mich recht nachdenklich machende Erkenntnis: „Ich bin zu höflich für Afrika.“

Helge Timmerberg ist ein guter Geschichtenerzähler und „African Queen“ ist denn auch voller guter Geschichten. Über „das Auf und Ab der Liebe, über die Grenzüberschreitungen des Ego, über die Angst“. Über seine Erfahrungen mit Voodoo und seinen Glauben an „die profane, unsentimentale Wissenschaft“. Und über die Unberechenbarkeit der Frauen und und und ... Und dann ist da noch die unglaublich berührende Geschichte des zierlichen roten Schuhs, derentwegen dieses Buches schon ganz allein lohnt!

Helge Timmerberg
African Queen
Ein Abenteuer
Rowohlt Berlin, 2012

Wednesday 2 December 2020

Sometimes I see what's in front of me (2)





Santa Cruz do Sul, February 2018

Why did I take these pictures? 

They show what for several weeks I did daily see. I took them because I want them to remind me how enchanted I felt discovering the greatest artist of all – nature.