Wednesday 27 June 2018

In Stavanger

The view through the plane window when approaching Stavanger airport in the early evening sunlight was simply spectacular – fields in different shapes and forms in varieties of green, rivers, lakes, farms and hamlets. 

The receptionist wants to know whether I'm Swiss for the area code of my phone number indicated Switzerland. It turns out that she speaks Swiss German. She had picked it up from her grandmother and during regular four-week holidays in the Berner Oberland. Once again proof that talent and motivation trumps institutional learning.
It is about a half-hour walk from my hotel to the city centre that takes me along a lake and through some posh suburbs that appear as dead as residential areas the world over. At the pier I ask a man in uniform for directions. He turns out to be a pilot in charge of one of the huge cruisers towed there. We are three pilots on this one, he says while pointing to an incredibly large vessel that I think almost impossible to navigate. He could have stayed captain, he continues, but for family reasons prefers to work as pilot. Since I do not know the difference, I ask him to please explain. It is the area, he says, pilots only work in specifically assigned areas, in his case between Stavanger and Bergen. Ships are in his blood, he smiles, he started to row his first boat at the age of 5.

What exactly is a fjord? I wonder and the people I ask don't find my question easy to answer. Wikipedia informs me that it is a long, narrow inlet with steep sides or cliffs, created by a glacier. I so far had thought fjords unique to Norway but learned that they are also found on the costs of Alaska, British Columbia, Chile, Greenland, Iceland and and and. What also surprised me was that many Norwegians live on islands.
On my second day, I find myself at the train station and decide on the spot to take the train to Egersund, a small town by the sea that the gentleman at the information booth praised in the highest tones (it was his birth town). He made it a point that I should sit on the left side for the first half of the trip (in order the get a good view of the fjord the train was travelling along) and to the right side for the second half (because of the breathtaking view of the hilly and stony coastline).

On my third day, it is raining and a strong wind is blowing and so I only go for short walks in the vicinity of the hotel. One takes me to a nearby lake, another to a rather vast cemetery. On my way back, I stop at a Kiwi supermarket for Dutch strawberries and a 1 1/2 liter bottle of Sprite that costs four Swiss francs!
On my return flight from Stavanger to Amsterdam, I was sitting next to a young Chinese woman from Hong Kong who happened to work in a sausage factory near Stavanger. She prefers this work to an office job in Hong Kong where people are incredibly competitive and gossipy, she says and adds: Norwegian sausages are not suitable for Eastern people.

Eat in Hong Kong, live in Norway, this would be to her liking. Like all the Chinese I know she is fiercely opinionated and offers a lot of textbook knowledge about the world. She reminds me of a young Chinese English teacher in Fuijan province who took me on a ride on his motorbike up to the mountains near Quanzhou and who was so stunningly knowledgeable when it came to historical data that I kept uncharacteristically silent for most of our trip.

Wednesday 20 June 2018

In die Welt hinaus

Für den schwedischen Journalisten und Schriftsteller Per J. Andersson, Jahrgang 1962, ist Reisen wesentlich Therapie. "Erst wenn du in einer anderen Umgebung bist, kannst du anfangen, dich selber zu sehen. Indem du auf andere Kulturen reagierst, verstehst du, wer du bist und woher du kommst. Zu reisen, das ist, als würde man sich einen Spiegel vorhalten. Die reinste Therapie." Mir selber geht es auch so.

Menschen reisen aus den unterschiedlichsten Gründen, doch zu behaupten, wie das der Klappentext tut ("Wer reist ist nicht borniert und engstirnig. Wer weiss, wie es in anderen Weltgegenden aussieht. hat keine Angst vor dem Fremden") ist derart falsch, dass es falscher fast gar nicht geht. Ich jedenfalls habe auf meinen Reisen ganz viele bornierte und engstirnige Reisende erlebt und auch die Angst vor dem Fremden geht nicht einfach weg, wenn man in die Welt hinaus geht. Für Reisende wie auch für Zuhausebleibende gilt: Es ist die Einstellung, die zählt.

Per J. Andersson erzählt von seinen Erfahrungen in Indien und Südtirol, den USA und Griechenland, berichtet vom Reisen mit der Eisenbahn, dem Schiff und dem Flugzeug. Und auch davon, wie sich das Unterwegssein im Laufe der Zeit gewandelt hat. So machen heutzutage die Chinesen die grösste Gruppe der Auslandsreisenden aus.

Doch nicht nur Per J. Andersson, sondern auch ganz viele andere kommen in diesem Buch zu Wort. Darunter nicht wenige meiner Favoriten wie Henry David Thoreau ("In dem Moment, in dem meine Beine anfangen, sich zu bewegen, beginnen meine Gedanken zu fliessen.") und Rebecca Solnit ("Sich zu Fuss zu bewegen macht es scheinbar leichter, durch die Zeit zu reisen, das Bewusstsein wandert durch Zukunftspläne, Erinnerungen und Beobachtungen.").

Vom Schweden, der die Welt einfing und in seinem Rucksack nach Hause brachte ist auch ein sehr informatives Buch, wobei ich mich allerdings auch immer mal wieder gewundert habe, wo Sätze wie zum Beispiel dieser bloss herkommen. "Vor sechs Millionen Jahren kletterten unsere Vorväter von den Bäumen herunter." Wie haben die eigentlich in den Jahren zuvor gelebt? Von Baum zu Baum hopsend, Blätter und Zweige essend? Auch drängt es sich nicht unbedingt auf, über die Geschichte der Zähmung der Kamele zu lesen ("Vor fünftausend Jahren begann der Mensch das Kamel zu domestizieren ..."), nur weil der Autor auf einem Kamel in einem Sattel mit Steigbügeln aus Hanfseil durch die Gegend geschaukelt wird.

Doch das Positive überwiegt bei weitem. Speziell spannend fand ich des Autors Begegnungen mit Stieg Larsson und Kärsti Stiege (einer ehemaligen Sängerin in einer Punkband) oder die Bezugnahmen auf so ganz unterschiedliche Charaktere wie Walter Benjamin, Bruce Chatwin und Jean-Jacques Rousseau, "der meinte, nur dann meditieren zu können, wenn er ging" und der schrieb: "Wenn ich stehen bleibe, höre ich auf zu denken, meine Seele funktioniert nur, wenn sie mit meinen Beinen zusammenarbeitet."

Den für mich wichtigsten Grund zu reisen, erwähnt Andersson übrigens auch. "Ein Monat des Reisens kann sich wie ein ganzes Jahr anfühlen. Man erlebt mehr Eindrücke pro Minute, das Leben ist intensiviert. Für die Freunde, die zu Hause geblieben sind, scheint die Zeit hingegen stillgestanden zu haben. Das ist die reinste Zauberei."

Ein empfehlenswertes Buch!

Per J. Andersson
Vom Schweden, der die Welt einfing und in seinem Rucksack nach Hause brachte
Reisen in die Ferne und zu sich selbst
C.H.Beck, München 2018

Wednesday 13 June 2018

A Handful of Dust

There are pictures of the migration crisis we rarely get to see – pictures of the lives of the millions of Syrians who now live in Turkey. Documentary photographer Nish Nalbandian met very poor and also very wealthy (who managed to move their factories to Turkey) Syrians, some in the countryside, some in cities. His specific goal, he writes, „is to try to get you to see yourself in these pictures. Because these people lived lives in Syria not too different from your own. Try to imagine what your life would be like if a sudden war or disaster had you fleeing your home to a different country with nothing but a suitcase and some documents.“

It goes without saying that it is almost impossible to envisage such a situation for oneself. Yet this is also what most Syrians very probably had thought. Photographs to be understood must be felt. Photographs in combination with the stories behind the pictures stand a good chance to make us feel empathy.

Wednesday 6 June 2018

Leonardo da Vinci: Sämtliche Gemälde

Einer der Gründe, weshalb mich dieses Universalgenie fasziniert, ist ein ihm zugeschriebener Satz, der mich seit vielen Jahren begleitet. "Oh Lord, thou givest us everything, at the prize of an effort." Die Texte im vorliegenden Band richten sich an Leute, die mit Leonardos Werk weit besser vertraut sind als ich es bin und so lasse ich die Bilder auf mich wirken, bleibe immer mal wieder an einem Zitat hängen, speziell bei denen, welche von Autoren stammen, mit denen ich positive Assoziationen verbinde. Oswald Spengler, zum Beispiel, der meinte: "Lionardo kennt nur den einen, weiten, ewigen Raum, in dem seine Gestalten gleichsam verschweben. Der eine gibt innerhalb des Bildrahmens eine Summe einzelner und naher Dinge, der andere einen Ausschnitt aus dem Unendlichen." Keine Frage, ich betrachte die Bilder jetzt mit neuen Augen.

Ganz besonders hat es mir ein Zitat von Sigmund Freud angetan: "Der grosse Leonardo blieb überhaupt sein ganzes Leben über in machen Stücken kindlich, man sagt, dass alle grossen Männer etwas Infantiles bewahren müssen. Er spielte auch als Erwachsener weiter und wurde auch dadurch manchmal seinen Zeitgenossen unheimlich und unbegreiflich."
Verkündigung an Maria
um 1473-1475 (?)
Öl und Tempera auf Pappelholz, 100 x 221,5 cm
Florenz, Galleria degli Uffizi, Inv. 1618

.Dieses Buch wurde erstmals 2003 publiziert, was nun vorliegt ist die revidierte Neuauflage. Im Mittelpunkt stehen die Werke Leonardos sowie zahlreiche Originalquellen. "Die Analysen des Haupttextes sind einem gattungs- und sozialgeschichtlichen Ansatz verpflichtet. Im Mittelpunkt stehen dabei das 'historische Erklären von Bildern' (Baxandall 1985) und die Inhaltsdeutungen der Gemälde Leonardos vor dem Hintergrund von Kontext und Bildtradition." Mit anderen Worten: Das ist ein akademisches Buch, die Texte richten sich an Spezialisten.

Der Band ist clever gestaltet. Bleistiftzeichnungen und Gemaltes wechseln sich ab, Teilaspekte der Bilder werden vergrössert gezeigt. Umwerfend, die realitätsnah und detailgetreu Beobachtetes und Imaginiertes wiedergegeben wird.
Leonardo da Vinci und Werkstatt (?)
Christus als Salvator Mundi, nach 1507
Öl auf Walnussholz, 65,5 x 45,1-45,6 cm
Louvre Abu Dhabi (Zustand 2017)

"Unter den grossen Persönlichkeiten der Renaissance gilt Leonardo da Vinci immer noch als eine der rätselhaftesten Gestalten. Zwar besitzen wir von ihm den umfangreichsten schriftlichen Nachlass, der von einem Künstler seiner Generation überhaupt erhalten ist, doch finden sich auf Abertausenden von Manuskriptseiten nur spärliche Hinweise auf persönliche Anschauungen und Gefühle. Selbst von der äusseren Erscheinung Leonardos haben wir eine nur ungefähre, hauptsächlich durch zwei unterschiedliche Typen bestimmte Idee ...". Das heisst nichts anderes, dass ganz vieles, was man über Leonardo schreibt und sagt, wesentlich Spekulation ist und letztlich wohl hauptsächlich über den Spekulierenden Auskunft gibt. Doch gilt das so recht eigentlich über alles, was wir über andere Menschen auszusagen imstande sind. Gleichzeitig gilt: Informiert zu spekulieren und einfach eine Meinung zu haben, ist etwas gänzlich anderes.

Leonardo da Vinci: Sämtliche Gemälde ist ein höchst gelehrtes und wunderbar anregendes Werk

Frank Zöllner
Leonardo da Vinci
1452-1519
Sämtliche Gemälde
Taschen, Köln 2018