Einer der Gründe, weshalb mich dieses Universalgenie fasziniert, ist ein ihm zugeschriebener Satz, der mich seit vielen Jahren begleitet. "Oh Lord, thou givest us everything, at the prize of an effort." Die Texte im vorliegenden Band richten sich an Leute, die mit Leonardos Werk weit besser vertraut sind als ich es bin und so lasse ich die Bilder auf mich wirken, bleibe immer mal wieder an einem Zitat hängen, speziell bei denen, welche von Autoren stammen, mit denen ich positive Assoziationen verbinde. Oswald Spengler, zum Beispiel, der meinte: "Lionardo kennt nur den einen, weiten, ewigen Raum, in dem seine Gestalten gleichsam verschweben. Der eine gibt innerhalb des Bildrahmens eine Summe einzelner und naher Dinge, der andere einen Ausschnitt aus dem Unendlichen." Keine Frage, ich betrachte die Bilder jetzt mit neuen Augen.
Ganz besonders hat es mir ein Zitat von Sigmund Freud angetan: "Der grosse Leonardo blieb überhaupt sein ganzes Leben über in machen Stücken kindlich, man sagt, dass alle grossen Männer etwas Infantiles bewahren müssen. Er spielte auch als Erwachsener weiter und wurde auch dadurch manchmal seinen Zeitgenossen unheimlich und unbegreiflich."
Verkündigung an Maria
um 1473-1475 (?)
Öl und Tempera auf Pappelholz, 100 x 221,5 cm
Florenz, Galleria degli Uffizi, Inv. 1618
.Dieses Buch wurde erstmals 2003 publiziert, was nun vorliegt ist die revidierte Neuauflage. Im Mittelpunkt stehen die Werke Leonardos sowie zahlreiche Originalquellen. "Die Analysen des Haupttextes sind einem gattungs- und sozialgeschichtlichen Ansatz verpflichtet. Im Mittelpunkt stehen dabei das 'historische Erklären von Bildern' (Baxandall 1985) und die Inhaltsdeutungen der Gemälde Leonardos vor dem Hintergrund von Kontext und Bildtradition." Mit anderen Worten: Das ist ein akademisches Buch, die Texte richten sich an Spezialisten.
Der Band ist clever gestaltet. Bleistiftzeichnungen und Gemaltes wechseln sich ab, Teilaspekte der Bilder werden vergrössert gezeigt. Umwerfend, die realitätsnah und detailgetreu Beobachtetes und Imaginiertes wiedergegeben wird.
Leonardo da Vinci und Werkstatt (?)
Christus als Salvator Mundi, nach 1507
Öl auf Walnussholz, 65,5 x 45,1-45,6 cm
Louvre Abu Dhabi (Zustand 2017)
"Unter den grossen Persönlichkeiten der Renaissance gilt Leonardo da Vinci immer noch als eine der rätselhaftesten Gestalten. Zwar besitzen wir von ihm den umfangreichsten schriftlichen Nachlass, der von einem Künstler seiner Generation überhaupt erhalten ist, doch finden sich auf Abertausenden von Manuskriptseiten nur spärliche Hinweise auf persönliche Anschauungen und Gefühle. Selbst von der äusseren Erscheinung Leonardos haben wir eine nur ungefähre, hauptsächlich durch zwei unterschiedliche Typen bestimmte Idee ...". Das heisst nichts anderes, dass ganz vieles, was man über Leonardo schreibt und sagt, wesentlich Spekulation ist und letztlich wohl hauptsächlich über den Spekulierenden Auskunft gibt. Doch gilt das so recht eigentlich über alles, was wir über andere Menschen auszusagen imstande sind. Gleichzeitig gilt: Informiert zu spekulieren und einfach eine Meinung zu haben, ist etwas gänzlich anderes.
Leonardo da Vinci: Sämtliche Gemälde ist ein höchst gelehrtes und wunderbar anregendes Werk
Frank Zöllner
Leonardo da Vinci
1452-1519
Sämtliche Gemälde
Taschen, Köln 2018
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