Wednesday 28 October 2009

Der Sinn des Lebens

Es gibt Bücher, die kann man eigentlich nicht besprechen, weil sie derart treffend formuliert daherkommen, dass man den darin dargelegten Gedanken eigentlich gar nichts mehr hinzufügen mag. Zu diesen Büchern gehört "Der Sinn des Lebens" von Terry Eagleton, erschienen 2009 bei Ullstein in Berlin. Am besten stellt man dieses Werk vor, indem man den Autor selber zu Worte kommen lässt - und so sei es denn auch, doch bemerkt sein soll zuallererst noch dies: "Der Sinn des Lebens" ist ein scharfsinniges, witziges und hilfreiches Buch, das sich philosophierend am Leben, und nicht an der Theorie darüber, orientiert: ein gescheites, anregendes und - für einen Professor für Englische Literatur - erfrischend un-akademisches Buch, das hiermit wärmstens empfohlen werden soll, weil man darin so Sätze findet wie:

Nicht jede Frage kann zu jeder Zeit gestellt werden. So hätte etwa Rembrandt nicht fragen können, ob die realistische Malerei durch die Fotografie überflüssig wird.

Weshalb sollten wir glauben, dass es für jedes Problem auch eine Lösung gibt?

Sicher haben die Menschen in vormodernen Zeiten sich ab und an auch gefragt, wer sie sind und was sie hier tun. Nur bewegte sie diese Frage offenbar weniger als etwa Albert Camus oder den frühen T.S. Eliot. Und das hat viel mit ihrem Glauben zu tun.

Was den Glauben angeht, reist die Postmoderne lieber mit leichtem Gepäck. Sie glaubt so manches, aber sie hat keinen Glauben.

Weshalb sollte es nur einen Sinn des Lebens geben? Wie wir ihm mehr als einen Sinn zuschreiben können, so könnte es auch mehr als einen ursprünglichen Sinn haben, sofern es denn überhaupt einen ursprünglichen Sinn hat.

Und wenn nun das Leben einen Sinn hätte, der ganz und gar nicht unseren Vorstellungen entspräche? Vielleicht hat das Leben einen Sinn, aber die Mehrzahl aller Menschen, die jemals gelebt haben, hat sich darüber getäuscht. Falls Religion falsch wäre, träfe genau dies zu.

Für die meisten leidenschaftlichen Sinnsucher zählt vor allem die Ausbeute. Für Liberale und Postmoderne zählt dagegen der fröhliche Lärm des Gesprächs, der in ihren Augen wahrscheinlich das Maximum an Sinn ausmacht, das wir überhaupt zutage fördern können. Der Sinn des Lebens liegt in der Suche nach dem Sinn des Lebens. Vielen Liberalen sind Fragen wichtiger als Antworten, da sie Antworten für unangemessen einschränkend halten. Fragen haben etwas frei Fliessendes, Antworten hingegen nicht. Es kommt darauf an, den Geist für vielfältige Fragen offenzuhalten statt ihn mit einer faden, eindeutigen Antwort zu verschliessen. Es stimmt zwar, dass dieser Ansatz nicht sonderlich gut funktioniert, wenn man zum Beispiel fragt: "Wie können wir genug Lebensmittel dorthin schaffen, bevor die Menschen verhungern?" Oder: "Könnte man durch diese Massnahme rassistische Morde verhindern?" Aber vielleicht haben Liberale ja Fragen höherer Art im Sinn.

Der Sinn des Lebens ist nicht die Lösung eines Problems, sondern eine bestimmte Art zu leben. Er ist nicht metaphysisch, sondern ethisch. Er ist nichts vom Leben Losgelöstes, sondern das, was das Leben lebenswert macht - das heisst eine bestimmte Qualität, Tiefe, Fülle und Intensität des Lebens. In diesem Sinne ist der Sinn des Lebens das Leben selbst, auf eine bestimmte Weise betrachtet.

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