Sunday 27 February 2011

René Burri

Die März-Ausgabe zum 70. Geburtstag von DU ist René Burri gewidmet, nein, nicht ausschliesslich, doch hauptsächlich; sie erscheint mit zwei verschiedenen Titelbildern.

Fällt der Name René Burri, denke ich seit meiner Zeit in Brasilien immer an sein São Paulo-Bild, Männer auf dem Dach, aus dem Jahre 1960. Sieht man sich dieses an (ja, ich spreche von mir), fragt man sich nicht mehr, ob Fotografie Kunst sei, man weiss es. Genauer: man ist sich gewiss, dass Fotografien wie diese zweifellos Kunst sind. Früher jedoch, als ich mich oft in Kuba aufhielt, dachte ich bei René Burri immer an seine Aufnahme von Che Guevara, aufgenommen in Havanna, 1963. Blättere ich nun durch dieses ganz wunderbare DU-Heft, gibt es neben den beiden gerade erwähnten Bildern, noch ein paar andere, von denen ich annehme, dass sie mir wohl künftig in den Sinn kommen werden, wenn der Name René Burri fällt: die Arbeiterfamilie in Brasilia aus dem Jahre 1960 etwa, oder der ägyptische Militärkonvoi am Mitlapass in Ägypten (1967), oder die Feuerwehrübung in Tokio (1972), oder ...

Warum mich gewisse Bilder erreichen, warum sie mir bleiben, vermag ich nicht wirklich zu sagen. Sicher, ich kann Vermutungen anstellen und im Falle der gerade erwähnten Aufnahmen erkläre ich es mir mit Burris Auge für Komposition, seiner Fähigkeit des Einrahmens. Dieser Mann versteht zu sehen und das meint, dass seine Augen nicht nur passiv aufnehmen, sondern aktiv gestalten. Und zwar auf eine Art und Weise, die mich anspricht und, da bin ich mir recht gewiss, wohl nicht nur mich.

Man findet nicht nur tolle Bilder in diesem prächtigen Heft, man findet auch Texte. Etwa eine DU-Zeitreise mit René Burri und Dieter Bachmann, von 1988 bis 1998 DU-Chefredaktor, in dem sich unter anderem der Satz findet: "René und die Fotografie sind sozusagen nicht unterscheidbar." Und auch auf diese schönen Ausführungen trifft man da: "Wahrscheinlich gibt es zwei Arten von Reisenden. Die einen denken sich in der Fremde immer nach Hause. Unter diesen sind viele Schriftsteller, und so bedeutende wie Gottfried Keller oder James Joyce. Die anderen müssen immer dort zu Hause sein, wo sie gerade sind - das sind die ewigen Migranten, und mit ihnen die Reporter, und sehr oft die Fotografen. Omnia sua secum portans: Sie tragen alles auf sich, was sie brauchen. Ich würde mich nicht wundern, wenn es das Wort burri in irgendeinem Hopi-Dialekt geben würde, und es würde 'unterwegs' bedeuten."

Und dann gibt es da noch ein tolles Interview, das die "Kulturjournalistin und Publizistin" (warum nicht einfach Publizistin?) Daniele Muscionico mit René Burri führte, das ich nicht zuletzt deswegen toll fand, weil die Fragerin den Leser mit bildreichen Einsprengseln an der Atmosphäre teilhaben lässt, in der sich die beiden unterhalten haben.

Neben einem vollständigen Faksimile der Erstausgabe von Burris Klassiker "Die Deutschen" gibt es noch drei weitere Texte zu diesem Ausnahmekönner im Heft - "Galerie der nicht geschossenen Bilder" (Erinnerungen Burris an Bilder, die er hätte machen können, doch nicht gemacht hat, ergänzt mit gescheiten Bemerkungen zum Fotografieren von Brigitte Ulmer); "Duckling breast with oranges" von Guido Magnaguagno, ehemaliger Vizedirektor am Kunsthaus Zürich, der - zerschnipselte Bilder einer zerschnipselten Welt kündigt ein Zwischentitel treffend an - ziemlich wild in der Gegend rumschwadroniert und dabei auch beim Collagisten Burri landet sowie aufschlussreiche Aufzeichnungen über den doppelten (schwarz-weiss/farbig) Burri.

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