Das DU vom Mai 2011 wartet mit etwas sehr Speziellem auf. Das tut das DU immer, höre ich die Verantwortlichen bereits sagen und so will ich präzisieren: für an der Reportage Interessierte.
„Ohne das Wechselspiel zwischen Bild und Text wäre die Kunst der Reportage nicht denkbar“, lese ich im Vorspann zu Barbara Bastings informativem Einführungstext, der, und das spricht in besonderem Masse für ihn, nicht nur auf die Fotografien Bezug nimmt, sondern sich mit diesen – und damit der Bildsprache – auseinandersetzt. Das ist selten. Meistens ist es nämlich so, dass die Texte, welche Fotos beigegeben werden, die Fotos gar nicht brauchen und auch gänzlich unabhängig von diesen gelesen werden können
Gezeigt werden Aufnahmen von sieben Magnum-Fotografen, die von ganz unterschiedlichen Texten sehr verschiedener Autoren begleitet werden. So schreibt etwa John Steinbeck:
„... heutzutage sind Nachrichten keine Nachrichten mehr, zumindest nicht jene, die die meiste Aufmerksamkeit erregen. Nachrichten sind ein Fall für Spezialisten geworden. Ein Mann, der an einem Schreibtisch in Washington oder New York sitzt, liest die Agenturtelegramme und ändert sie so ab, dass sie seinem persönlichen Denkmuster und seinem Namenszug entsprechen. Was uns oft als Nachrichten präsentiert wird, sind überhaupt keine Nachrichten, sondern die Meinung von einem halben Dutzend Experten, was diese Nachrichten bedeuten.“
Und so macht er sich zusammen mit Robert Capa im Jahre 1948 nach Russland auf, um Fragen nachzugehen wie diesen: „Was tragen die Leute dort? Was tischen sie zum Abendessen auf? Feiern sie Feste? Welches Essen gibt es dort? Wie lieben sie, und wie sterben sie?“ etc. etc.
Bob Adelmann zeigt einfühlsam, wie er die privaten Welten des Einzelgängers Raymond Carver bebildert; Carl de Keyzers Bilder aus dem Kongo werden von einer Textmontage von David Van Reybrouck begleitet. Im ersten Fall ordnen sich die Bilder dem Text unter; im zweiten ist es umgekehrt.
Der Journalist Scott Anderson und der Fotograf Paolo Pellegrini demonstrieren überzeugend, dass das Zusammengehen von Text und Bild Ereignisse wirkungsmächtiger darzustellen imstande ist, als das Text oder Bild alleine vermöchten. So lesen wir neben dem Bild eines vollständig zerstörten Autos: „Dieser Mercedes, der zu Beginn der Kämpfe von israelischen Raketen zerstört wurde, stand am Rande einer Nebenstrasse, die nach Tyros führt. Den zerfetzten Bündeln im Kofferraum und auf dem Rücksitz nach zu schliessen, hatten die Insassen rückwärts zu fliehen versucht, als das Auto getroffen wurde. Wir fuhren mehrmals täglich daran vorbei, und obschon wir wussten, dass dem nicht so war, kam es uns immer vor, als liege auf den Sitzen eine zusammengesunkene Leiche.“
Die Paarung Anderson/Pellegrini ist die kongenialste in diesem Heft, andere Paarungen sind eigentlich keine oder wenn, dann nur ganz am Rande: Raymond Depardon zeigt Bilder von seiner Rund-um-die-Welt-Reise in vierzehn Tagen, Paul Virillo steuert dazu einen Text bei über die posturbane Revolution im 21. Jahrhundert. Mir erschloss sich nicht so recht, was die Bilder mit dem Text oder der Text mit den Bildern zu tun hatte.
Claudia Glenn Dowling beschreibt in einem anregenden und informativen Text, was wir auf den Aufnahmen von Chen-Chi Chang sehen und was wir darauf nicht sehen: wie die taiwanische Firma Lotus 2000 in Ho-Chi-Minh-Stadt junge vietnamesische Frauen mit taiwanischen Männern zusammenbringt.
Zum Schluss zeigt uns der Fotograf Mark Power wie er das heruntergewirtschaftete England wahrnimmt. Der Text dazu, nein, ein wirklicher Text ist das nicht, also: die paar Worte dazu stammen von Daniel Cockrill. Barbara Basting meint: „Weil das grafische Element in Cockrills Lyrik eine wichtige Rolle spielt, schärft sie den Blick auf die Fotografien zusätzlich. Diese Grafik stammt von Dominic Brookman. Der Grafiker wird zum dritten Autor des Buches, indem er das Zusammenspiel von Bild und Text auf eine neue Ebene stellt.“ Treffende Worte, die den Blick auf die Bilder schärfen. Und genau deswegen brauchen Bilder Worte.
DU Mai 2011
Doppelter Blick
Sieben Magnum-Fotografen unterwegs mit sieben Autoren
http://www.du-magazin.com/
„Ohne das Wechselspiel zwischen Bild und Text wäre die Kunst der Reportage nicht denkbar“, lese ich im Vorspann zu Barbara Bastings informativem Einführungstext, der, und das spricht in besonderem Masse für ihn, nicht nur auf die Fotografien Bezug nimmt, sondern sich mit diesen – und damit der Bildsprache – auseinandersetzt. Das ist selten. Meistens ist es nämlich so, dass die Texte, welche Fotos beigegeben werden, die Fotos gar nicht brauchen und auch gänzlich unabhängig von diesen gelesen werden können
Gezeigt werden Aufnahmen von sieben Magnum-Fotografen, die von ganz unterschiedlichen Texten sehr verschiedener Autoren begleitet werden. So schreibt etwa John Steinbeck:
„... heutzutage sind Nachrichten keine Nachrichten mehr, zumindest nicht jene, die die meiste Aufmerksamkeit erregen. Nachrichten sind ein Fall für Spezialisten geworden. Ein Mann, der an einem Schreibtisch in Washington oder New York sitzt, liest die Agenturtelegramme und ändert sie so ab, dass sie seinem persönlichen Denkmuster und seinem Namenszug entsprechen. Was uns oft als Nachrichten präsentiert wird, sind überhaupt keine Nachrichten, sondern die Meinung von einem halben Dutzend Experten, was diese Nachrichten bedeuten.“
Und so macht er sich zusammen mit Robert Capa im Jahre 1948 nach Russland auf, um Fragen nachzugehen wie diesen: „Was tragen die Leute dort? Was tischen sie zum Abendessen auf? Feiern sie Feste? Welches Essen gibt es dort? Wie lieben sie, und wie sterben sie?“ etc. etc.
Bob Adelmann zeigt einfühlsam, wie er die privaten Welten des Einzelgängers Raymond Carver bebildert; Carl de Keyzers Bilder aus dem Kongo werden von einer Textmontage von David Van Reybrouck begleitet. Im ersten Fall ordnen sich die Bilder dem Text unter; im zweiten ist es umgekehrt.
Der Journalist Scott Anderson und der Fotograf Paolo Pellegrini demonstrieren überzeugend, dass das Zusammengehen von Text und Bild Ereignisse wirkungsmächtiger darzustellen imstande ist, als das Text oder Bild alleine vermöchten. So lesen wir neben dem Bild eines vollständig zerstörten Autos: „Dieser Mercedes, der zu Beginn der Kämpfe von israelischen Raketen zerstört wurde, stand am Rande einer Nebenstrasse, die nach Tyros führt. Den zerfetzten Bündeln im Kofferraum und auf dem Rücksitz nach zu schliessen, hatten die Insassen rückwärts zu fliehen versucht, als das Auto getroffen wurde. Wir fuhren mehrmals täglich daran vorbei, und obschon wir wussten, dass dem nicht so war, kam es uns immer vor, als liege auf den Sitzen eine zusammengesunkene Leiche.“
Die Paarung Anderson/Pellegrini ist die kongenialste in diesem Heft, andere Paarungen sind eigentlich keine oder wenn, dann nur ganz am Rande: Raymond Depardon zeigt Bilder von seiner Rund-um-die-Welt-Reise in vierzehn Tagen, Paul Virillo steuert dazu einen Text bei über die posturbane Revolution im 21. Jahrhundert. Mir erschloss sich nicht so recht, was die Bilder mit dem Text oder der Text mit den Bildern zu tun hatte.
Claudia Glenn Dowling beschreibt in einem anregenden und informativen Text, was wir auf den Aufnahmen von Chen-Chi Chang sehen und was wir darauf nicht sehen: wie die taiwanische Firma Lotus 2000 in Ho-Chi-Minh-Stadt junge vietnamesische Frauen mit taiwanischen Männern zusammenbringt.
Zum Schluss zeigt uns der Fotograf Mark Power wie er das heruntergewirtschaftete England wahrnimmt. Der Text dazu, nein, ein wirklicher Text ist das nicht, also: die paar Worte dazu stammen von Daniel Cockrill. Barbara Basting meint: „Weil das grafische Element in Cockrills Lyrik eine wichtige Rolle spielt, schärft sie den Blick auf die Fotografien zusätzlich. Diese Grafik stammt von Dominic Brookman. Der Grafiker wird zum dritten Autor des Buches, indem er das Zusammenspiel von Bild und Text auf eine neue Ebene stellt.“ Treffende Worte, die den Blick auf die Bilder schärfen. Und genau deswegen brauchen Bilder Worte.
DU Mai 2011
Doppelter Blick
Sieben Magnum-Fotografen unterwegs mit sieben Autoren
http://www.du-magazin.com/
No comments:
Post a Comment