Wednesday 29 November 2023

Bob Dylan

Mit Bob Dylan verbinde ich ganz vieles, und das meiste ist mir gar nicht bewusst. Was ich automatisch mit ihm assoziiere: Ein ungemein begabter Songwriter, der nicht singen kann oder genauer: über eine Stimme verfügt, die ich nicht mit einem guten Sänger in Verbindung bringe. Viele seiner Songs haben mich durch meine Jugend begleitet, My Back Pages, Mister Tambourine Man , The Times They Are A-Changin' kann ich auch heute noch auswendig.

Sein Leben nacherzählen könnte ich hingegen nicht, obwohl ich einige seiner Phasen am Rande mitgekriegt habe. Und dass er den Nobelpreis für Literatur gewonnen hat, machte mir bewusst, dass ich mich nie wirklich mit seinen Texten auseinandergesetzt habe – und als ich dann einen halbherzigen Versuch machte, blieben mir die wenigsten verständlich.

Sich auf dieser Grundlage mit dem vorliegenden Werk zu beschäftigen, ist ungemein bereichernd, vor allem, weil sich anhand dieses Menschen eine Zeit erfahren lässt, die für viele von Aufbruchsgefühlen geprägt war. Nichts gab den damaligen Sehnsüchten besser Ausdruck als Folk und Rock 'n' Pop. Und kaum einer symbolisierte dieses Gefühl, dass es da noch etwas anderes gab, als was Schule und Berufsleben zu bieten hatten, eindrücklicher.

Mir geht es nicht so sehr um die Person Bob Dylan – ich halte Personen-Kult für ungesund, besonders für die Person, die gefeiert wird – , sondern darum, was er exemplarisch verkörpert: In ihm verkörpert sich das Empfinden eines grossen Teils seiner wie auch früherer und späterer Generationen, denn in ihm zeigte sich, was viele von uns ausmacht. Rebellion, seinen eigenen Weg gehen, die Verbindung zu etwas Grösserem als wir alleine sind.

Douglas Brinkley schreibt, Dylan sei ein aussergewöhnlich gebildeter Mann, der Dummköpfe nur schlecht ertrage. Was mir dieses schöne Zitat von ihm in Erinnerung ruft: „Als 'Hound Dog' im Radio lief, war meine Reaktion nicht: 'Wow, was für ein toller Song, wer den wohl geschrieben hat?' Mir war im Grunde gleichgültig, wer ihn geschrieben hat. Es war egal. Er war einfach ... er war einfach da.“ Auch seine Antwort auf die Frage, ob er glaube, was einige behaupteten, dass Jim Morrison in den Anden lebe, machte mich schmunzeln: "Ich habe bisher nicht das Bedürfnis gehabt, mir dazu eine Meinung zu bilden ...“.

Viele ganz unterschiedliches Essay finden sich in diesem voluminösen Band. Derjenige von Michael Ondaatje wird von drei ganz wunderbaren Zitaten eingeleitet, von den das von Brenda Hillmam das Phänomen Dylan schön charakterisiert: Ist das nicht immer so? Irgendetwas Unkontrollierbares wird zum Helden ...".

Bob Dylan ist ein ungemein wandelbarer Mensch, eine Art work in progress, der wie viele andere auch, sich als junger Mann an sich selber herantastet. Den damals 19Jährigen beschreibt Greil Marcus so: "Zu hören ist jemand, der sich zu einer Haltung vortastet, aus der heraus Lieder nicht länger respektvoll verehrt, sondern als Weg begriffen werden, auf dem Man Schritt für Schritt herausfindet, wonach man eigentlich sucht."

Die Texte in diesem Band sind so vielfältig wie Dylan als Person. Da kommt der Sammler zu Wort, da erfährt man, dass viele Rohentwürfe zu Dylan-Songs sich auf Hotel-Briefpapier finden und freut sich an dem hellsichtigen Dylan-Satz: "If there's an original thought out there, I could use it right now!" Nichts könnte schöner illustrieren, dass sich in Bob Dylan manifestiert, was irgendwo dort draussen (und vermutlich in uns allen) schlummert.

Bob Dylan. Mixing up the Medicine ist ein ungemein faszinierendes Dokument mit ganz vielen Fotos, Briefen von Bill Clinton und Jimmy Carter, einer Auflistung von Ehrungen und Preisen, Notizbüchern, Konzertberichten und und und ....Es ist genau, was das Buch auch so ausweist: Das Bob Dylan-Archiv 1941 bis heute. Ein Sammelsurium der Extraklasse! 

Ein Buch zum Blättern und zum Verweilen, eine Einladung zu einer Zeitreise, die einen anregt, sich der Musik des Robert Allen Zimmerman aus Duluth, Minnesota hinzugeben.

Bob Dylan
Mixing up the Medicine
Herausgegeben und verfasst von Mark Davidson und Parker Fishel
Droemer, München 2023

No comments: