Der Fotograf Gerhard Launer zeige mit seinen Luftaufnahmen von Deutschland „überraschende, aussergewöhnliche Perspektiven“, schreibt („Bundespräsident a. D. Prof. Dr.“) Roman Herzog im Vorwort und man kann ihm da nur zustimmen, doch dass er dann hinzufügt: „Ohne Emotionalität lernen wir mit ihm unser Land neu zu sehen und seine Schönheit zu geniessen“ verwundert und irritiert etwas. Sicher, man sieht vieles neu und geniesst auch diese Schönheit, aber warum bloss "ohne Emotionalität"? Bilder setzen doch immer Emotionen frei, das ist Teil ihres Wesens.
Der Fotoband „Über Deutschland“ trägt den Untertitel „Texte und Landschaften“. Konkret meint das, dass neben den schön gestalteten Luftbildern Texte deutscher Dichter und Denker zu finden sind. Von Johann Wolfgang von Goethe etwa, oder von Friedrich Nietzsche, Hermann Hesse, Thomas Mann, Robert Gernhardt und anderen. „Es scheint manchmal“, so Roman Herzog, als hätten die Autoren ihre spontanen Eindrücke vor den Bildern formuliert.“ In der Tat und ganz besonders hat man dieses Gefühl, wenn man den Text von Ernst Willkomm zur Aufnahme der Nordsee bei Büsum bei Ebbe liest. Hier ein Ausschnitt: „Jene eigentümliche unterseeische Welt, welche in einer Ausdehnung von etwa siebzig geographischen Meilen bei dem Ablaufen der Flut and der schleswigschen Küste gleichsam aus dem Meer emporsteigt, nennt man die Watten der Nordsee. Sie bestehen grösstenteils aus einem fetten, dicken, schwarzgrauen Schlamm, der hin und wieder so fest ist, dass man ihn fast trockenen Fusses betreten kann, gewöhnlich aber ist er weich und zäh und besitzt eine solche Saugkraft, dass nicht nur kleine Gegenstände von einiger Schwere, sondern sogar Wracke gestrandeter Schiffe in gar nicht langer Zeit von ihm eingeschluckt werden.“ Oder wenn man Hermann Löns’ schönes Gedicht über den Vorfrühling an der Ostsee geniesst, das der Aufnahme der Insel Poel bei Wismar, beigegeben ist und so beginnt:
Der Fotoband „Über Deutschland“ trägt den Untertitel „Texte und Landschaften“. Konkret meint das, dass neben den schön gestalteten Luftbildern Texte deutscher Dichter und Denker zu finden sind. Von Johann Wolfgang von Goethe etwa, oder von Friedrich Nietzsche, Hermann Hesse, Thomas Mann, Robert Gernhardt und anderen. „Es scheint manchmal“, so Roman Herzog, als hätten die Autoren ihre spontanen Eindrücke vor den Bildern formuliert.“ In der Tat und ganz besonders hat man dieses Gefühl, wenn man den Text von Ernst Willkomm zur Aufnahme der Nordsee bei Büsum bei Ebbe liest. Hier ein Ausschnitt: „Jene eigentümliche unterseeische Welt, welche in einer Ausdehnung von etwa siebzig geographischen Meilen bei dem Ablaufen der Flut and der schleswigschen Küste gleichsam aus dem Meer emporsteigt, nennt man die Watten der Nordsee. Sie bestehen grösstenteils aus einem fetten, dicken, schwarzgrauen Schlamm, der hin und wieder so fest ist, dass man ihn fast trockenen Fusses betreten kann, gewöhnlich aber ist er weich und zäh und besitzt eine solche Saugkraft, dass nicht nur kleine Gegenstände von einiger Schwere, sondern sogar Wracke gestrandeter Schiffe in gar nicht langer Zeit von ihm eingeschluckt werden.“ Oder wenn man Hermann Löns’ schönes Gedicht über den Vorfrühling an der Ostsee geniesst, das der Aufnahme der Insel Poel bei Wismar, beigegeben ist und so beginnt:
Hellgrüne Felder,
Braungrüne Wälder,
Jubelnder, jauchzender Singdrosselsang,
Erlsträucher blühen,
Strandläufer ziehen
Lockend und trillernd die Dünung entlang.
Die den Fotos an die Seite gestellten Texte ergänzen sich jedoch nicht immer so gut wie in den vorausgegangenen Beispielen: was etwa Hermann Hesse unter dem Titel „Einst in Würzburg“ dichtete, hat nämlich mit dem Bild von Würzburgs Alter Mainbrücke recht eigentlich nichts zu tun. Und der Aufnahme der modernen, mit Hochhäusern bestückten Frankfurter Innenstadt mit Hauptbahnhof einen Text auf dem Jahre 1848 beizugeben, macht auch nicht allzu viel Sinn … doch lassen wir das, es sind Details und überhaupt könnte man auch argumentieren, dass es Sinn und Zweck dieser Texte sei, den Betrachter zu einer zusätzlichen, bis anhin nicht bedachten Sichtweise zu inspirieren und dies ist zweifellos gelungen.
„Über Deutschland“ ist ein in jeder Hinsicht anregendes Buch. Zum einen, weil die Dinge auf Erden aus der Luft zu betrachten, einen in erster Linie staunen lässt, dann aber auch, weil die Fotografen Gerhard und Tobias (vier der Aufnahmen stammen von ihm) Launer über „the good eye“ verfügen (nein, das kann man nicht definieren, doch man merkt, wenn es einer hat) und schliesslich, weil man, um solche Aufnahmen machen zu können, auch erfindungsreich sein muss – es ist anzunehmen, dass noch nicht viele draufgekommen sind, das nächtlich beleuchtete Münchner Oktoberfest aus der Luft zu fotografieren.
Ganz speziell beeindruckend ist die farbenprächtige Aufnahme der Landschaft bei Würmlingen im Kreis Tuttlingen in Baden Württemberg, die auch das Titelbild schmückt. Und dann der Feringasee in Unterföhring bei München. Und der Weilheimer Marktplatz, auf dessen Pflastersteinen Wassily Kandinskys gleichnamiges Gemälde als farbige Bemalung umgesetzt ist. Und die terrassenförmig angelegten Reben bei Kaiserstuhl in Baden (die mich, auf den ersten Blick, an die Reisterrassen auf den Philippinen erinnerten). Und …
Gerhard Launers Luftbilder zeigen ein Deutschland, das ich so noch nie gesehen habe – das Buch ist eine Einladung zur Horizonterweiterung, einer schönen und farbenprächtigen.
Gerhard Launer
Über Deutschland
Texte und Landschaften /
Mit einem Vorwort von Roman Herzog
Knesebeck, München 2009
Braungrüne Wälder,
Jubelnder, jauchzender Singdrosselsang,
Erlsträucher blühen,
Strandläufer ziehen
Lockend und trillernd die Dünung entlang.
Die den Fotos an die Seite gestellten Texte ergänzen sich jedoch nicht immer so gut wie in den vorausgegangenen Beispielen: was etwa Hermann Hesse unter dem Titel „Einst in Würzburg“ dichtete, hat nämlich mit dem Bild von Würzburgs Alter Mainbrücke recht eigentlich nichts zu tun. Und der Aufnahme der modernen, mit Hochhäusern bestückten Frankfurter Innenstadt mit Hauptbahnhof einen Text auf dem Jahre 1848 beizugeben, macht auch nicht allzu viel Sinn … doch lassen wir das, es sind Details und überhaupt könnte man auch argumentieren, dass es Sinn und Zweck dieser Texte sei, den Betrachter zu einer zusätzlichen, bis anhin nicht bedachten Sichtweise zu inspirieren und dies ist zweifellos gelungen.
„Über Deutschland“ ist ein in jeder Hinsicht anregendes Buch. Zum einen, weil die Dinge auf Erden aus der Luft zu betrachten, einen in erster Linie staunen lässt, dann aber auch, weil die Fotografen Gerhard und Tobias (vier der Aufnahmen stammen von ihm) Launer über „the good eye“ verfügen (nein, das kann man nicht definieren, doch man merkt, wenn es einer hat) und schliesslich, weil man, um solche Aufnahmen machen zu können, auch erfindungsreich sein muss – es ist anzunehmen, dass noch nicht viele draufgekommen sind, das nächtlich beleuchtete Münchner Oktoberfest aus der Luft zu fotografieren.
Ganz speziell beeindruckend ist die farbenprächtige Aufnahme der Landschaft bei Würmlingen im Kreis Tuttlingen in Baden Württemberg, die auch das Titelbild schmückt. Und dann der Feringasee in Unterföhring bei München. Und der Weilheimer Marktplatz, auf dessen Pflastersteinen Wassily Kandinskys gleichnamiges Gemälde als farbige Bemalung umgesetzt ist. Und die terrassenförmig angelegten Reben bei Kaiserstuhl in Baden (die mich, auf den ersten Blick, an die Reisterrassen auf den Philippinen erinnerten). Und …
Gerhard Launers Luftbilder zeigen ein Deutschland, das ich so noch nie gesehen habe – das Buch ist eine Einladung zur Horizonterweiterung, einer schönen und farbenprächtigen.
Gerhard Launer
Über Deutschland
Texte und Landschaften /
Mit einem Vorwort von Roman Herzog
Knesebeck, München 2009
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