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Bilder erzählen keine Geschichten, wir brauchen Bildlegenden, also Worte, die uns erklären, was wir sehen, weil wir sonst nur sehen, was wir schon wissen. Wir können nämlich nur er-kennen, was wir kennen, wie das Goethe einmal gesagt haben soll.
Entscheidend beim Bilder-Lesen ist also die Information zum Bild, denn diese, und nicht etwa das Bild, bestimmt unser Sehen. Hans-Michael Koetzle nennt es „die Geschichte hinter den Bildern“ und das ist nicht nur unglücklich gewählt, sondern falsch und müsste richtiger heissen: Die Geschichten hinter dem Bild (oder den Bildern), denn es gibt davon immer mehrere, und zwar zu jedem Bild.
Aufschlussreich ist auch, was Koetzle zu Thomas Hoepkers „Blick von Williamsburg, Brooklyn, auf Manhattan, am 11. September 2001“ zusammengetragen hat: er erzählt uns von den Umständen des Zustandekommens dieses Bildes. Das ist verdienstvoll, doch leider erfahren wir von der sehr kontrovers geführten Diskussion über das Bild so ziemlich gar nichts. So schrieb zum Beispiel Walter Sipser, der rechts aussen auf dem Bild („eine Gruppe ausgelassener Jugendlicher“, nimmt Koetzle da wahr) zu sehen ist: „Had Hoepker walked fifty feet over to introduce himself he would have discovered a bunch of New Yorkers in the middle of an animated discussion about what had just happened. He instead chose to publish the photograph that allowed him to draw the conclusions he wished to draw ...“
So sehr ich die vielfältigen Informationen zu den Bildern, die der Autor liefert, schätze, je länger ich mich mit dem Buch beschäftigte, desto skeptischer wurde ich. Mit einigen der Bilder hatte ich mich nämlich bereits selber (und eingehend) beschäftigt – und fand dann Koetzles Akzentsetzung nicht immer überzeugend. Auch begann ich mich zu fragen, ob die Auswahl (Sandy Skoglund? Bettina Rheims?) wirklich geglückt war. Doch so recht eigentlich sind das Details. Entscheidend sind nämlich möglichst vielfältige Informationen zu den Bildern – und die liefert der Autor.
Im Vorwort weist Koetzle auch auf John Szarkowskis „Looking at Photographs“ hin, doch eigentlich nur, um zu sagen, der vorliegende Band gehe über dessen feuilletonistischen Ansatz hinaus. Nun ja, die beiden Bände haben dermassen wenig miteinander zu tun (wenn man's recht bedenkt: überhaupt nichts), dass diese Aussage einigermassen erstaunt.
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Summa summarum: Trotz der Einwände überzeugt dieses Buch nicht zuletzt, weil sowohl Porträts, Landschaften, Akte und Momentaufnahmen berücksichtigt worden sind. Sich damit zu beschäftigen, lohnt, wenn wir uns immer vor Augen halten, dass die Kontexte, die Hans-Michael Koetzle hier beschreibt, obzwar breit recherchiert, gleichwohl nur eine mögliche Variante der Geschichte hinter dem Bild darstellen, denn Kontext, und dies kann nicht genug betont werden, ist auch immer konstruiert. Doch eben selten so um Fakten bemüht, informativ und anregend wie in diesem schön gemachten Band.
Hans-Michael Koetzle
50 Photo Icons
Die Geschichte hinter den Bildern
Taschen, Köln 2011
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