Wednesday, 8 July 2015

Die Nachrichten: Eine Gebrauchsanweisung

Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ schreibt Niklas Luhmann in 'Die Realität der Massenmedien'. Und fährt fort: Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können. Wir wehren uns mit einem Manipulationsverdacht, der aber nicht zu nennenswerten Konsequenzen führt, da das den Massenmedien entnommene Wissen sich wie von selbst zu einem selbstverstärkenden Gefüge zusammenschliesst. Man wird alles Wissen mit dem Vorzeichen des Bezweifelbaren versehen – und trotzdem darauf bauen, daran anschliessen müssen.“

Alain de Botton geht in „Die Nachrichten“ dieses Thema auf seine typische Art und Weise an. Also eloquent, smart und witzig. Und dabei Zusammenhänge kreierend, die viel phantasievoller und anregender sind, als das, was uns die Medien als Nachrichten-würdig präsentieren.

So meldet etwa die BBC: „Der Wirtschaftsprüfer der Regierung von Uganda hat berichtet, dass mehrere Millionen Dollar vom Ministerium des Premierministers Amama Mbabazi auf private Konten überwiesen wurden. Mr Mbabazi gibt zu, dass seinem Ministerium Geld abhanden gekommen ist, streitet aber ab, etwas damit zu tun zu haben.“

De Botton macht sich auf nach Uganda und schreibt, dass wenn uns Nachrichten aus diesem Land irgendwie berühren sollen, wir erst einmal etwas über die Mangobäume in Kampala wissen müssen, „deren süsser Duft nach den fast stündlich einsetzenden Tropenregen durch die überfüllten Boulevards weht.“

Er begleitet den BBC-Korrespondenten zu einer Pressekonferenz des seit Wochen mit Diebstahlsvorwürfen von ausländischen Regierungen und von seinem eigenen Volk bedrängten Premierministers. „Bei solchen Gelegenheiten erwartet die Medienmaschinerie in erster Linie ein Zitat, circa fünfzig Worte lang, das dann um weitere fünfzig Worte von einem Sprecher der Opposition ergänzt wird.“

Dem Premierminister sind die Gepflogenheiten des zeitgenössischen Journalismus jedoch ziemlich egal. „Meine Freunde“, hebt er an, „liebe Freunde, ihr alle hier seid meine Freunde; hier in Uganda reichen wir der Welt unsere Hand zur Freundschaft. Also, ihr heute hier Versammelten, ich sage euch: genug Misstrauen und Traurigkeit, genug der Anklage! Nichts Böses wird uns in der Zukunft widerfahren, die wir für die Menschen in Uganda erschaffen, für alle Menschen in Uganda, die Armen ebenso wie diejenigen, welche zu Wohlstand gelangt sind, heute und morgen und an jedem Tag, den uns der Herr gewährt.“ Dazu meint de Botton: „Gewiss keine Äusserung, die sich ordentlich ins nächste Bulletin platzieren liesse.“ Selten so gelacht!

De Botton bezeichnet sein Buch als „Gebrauchsanweisung“. Und genau das ist es auch. Weil es aufzeigt, was und wie man es auch anders machen könnte. Dabei ist er weit entfernt von dem, was gemeinhin unter Medienkritik verstanden wird. Dem Interesse an Prominenten, das bei seriösen Medienunternehmen allgemein verpönt ist, gewinnt er durchaus Positives ab. Wenn es denn in die richtigen Bahnen gelenkt würde.

Nehmen wir das Promi-Interview. „Dieses Genre, das sich derzeit wesentlich auf persönliche Beziehungen und wirre Fragen nach dem 'neuen Projekt', beschränkt, sollte idealerweise vor allem eine Frage beantworten: 'Was können wir von dieser Berühmtheit lernen?' Es sollte keine Rolle spielen, dass die betreffende Person in einem anderen Bereich tätig ist als wir. Erfahrungen und Tugenden sind ja auf andere Tätigkeiten übertragbar.“

Alain de Bottons "Die Nachrichten. Eine Gebrauchsanweisung ist voll solcher hilfreicher Anregungen. Eine höchst unterhaltende und inspirierende Lektüre!

Alain de Botton
Die Nachrichten
Eine Gebrauchsanweisung
Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2015

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