Schön gestaltet ist dieses Buch, gut in der Hand liegt es auch, doch der Titel erregt mein Missfallen. Können wir eigentlich nur in Rechten und Pflichten denken? Und überhaupt: Rechte zeichnet aus, dass man sie einklagen kann. Wer also soll für Pflanzen sprechen? Nach den ersten paar Seiten bin ich jedoch bereits versöhnt und als ich dann noch den Originaltitel nachschlage – La nazione delle piante – ist mir klar, dass hier nicht eine Gruppe selbsternannter Aktivisten einen Lebenssinn sucht und sich wichtig macht, sondern es hier um Grundsätzliches geht.
"In unserer Wahrnehmung sind Pflanzen der anorganischen Welt sehr viel näher als der lebendigen Welt – ein grundlegender Perspektivfehler, der uns teuer zu stehen kommen könnte." Denn ohne Pflanzen gäbe es uns nicht, wir können nur mit ihnen zusammen existieren. Stefano Mancuso stellt sich die Pflanzen gerne als fürsorgliche Eltern vor, die unsere Existenz erst möglich machen. Ein wunderbar hilfreicher Gedanke, wir sollten ihn pflegen.
"Eine Charta zur Erhaltung unserer Natur" nennt der Autor sein Werk im Untertitel. Seine Charta besteht aus acht Artikeln. Artikel 1 benennt den Ausgangspunkt, aus dem sich alles ergibt: "Die Erde ist die gemeinsame Heimat allen Lebens. Die Macht gehört allen Lebewesen." Bei diesem Gedanken zu verweilen, ihn zu spüren versuchen, ermöglicht uns, uns als Teil des Universums zu fühlen.
An zahlreichen Beispielen zeigt Stefano Mancuso auf, weshalb der Mensch nicht nur schlecht beraten ist, wenn er sich wie der Herrscher des Planeten aufführt, der sich einfach nimmt, was ihm passt, sondern an seinem eigenen Untergang arbeitet. Das Leben auf dem Planeten Erde ist ein Geschenk, wir sollten entsprechend damit umgehen. Darauf kopf- und rücksichtslos herum zu trampeln ist keine Option.
Doch leider tun wir genau das, denn wir verkennen, dass die vielen ökologischen Gemeinschaften den Motor des Lebens bilden. Mit anderen Worten: Alles ist miteinander verknüpft. Einzugreifen, ohne die Folgen abschätzen zu können (und das können wir oft deswegen nicht, weil wir nicht wissen, wir die Gesetzmässigkeiten nicht kennen, nach denen Lebensgemeinschaften auf der Erde funktionieren), ist mehr als dumm. Wir tun es trotzdem, denn langfristig zu denken scheint uns nicht gegeben.
"Wir sind Neuankömmlinge auf dem Planeten und verhalten uns wie Kinder, die gefährlichen Unsinn anstellen, ohne den Wert und die Bedeutung dessen zu erkennen, womit sie herumspielen." Dieses Buch zeigt, dass man am besten Gegensteuer geben kann, indem man respektiert, was man vorfindet und sich nicht einmischt. Die Erde sollte ganz im Sinne der Gaia-Theorie als ein einziges Lebewesen betrachtet werden.
Stefano Mancuso fordert eine radikale Neuausrichtung. Und führt am Beispiel der Hierarchie aus, weshalb diese Form der Organisation die Falschen fördert und überdies krank macht. Dabei nimmt er auch Bezug aufs Peter-Prinzip, die Parkinson'schen Gesetze, Hannah Arendt und Stanley Milgram. Mit anderen Worten: Dieses Buch handelt nicht "nur" von Pflanzen, sondern vom Leben auf dem Planeten Erde, das die Raubtiernatur des Menschen im Begriff ist zu zerstören. Höchste Zeit also, dem angeblich so natürlichen Egoismus den Riegel vorzuschieben und uns für Zusammenarbeit (und gegen den Wettbewerb) zu entscheiden. Die Pflanzen zeigen uns wie das geht.
Fazit: Eine notwendige und überaus hilfreiche Lektüre.
Stefano Mancuso
Die Pflanzen und ihre Rechte
Eine Charta zur Erhaltung unserer Natur
Klett-Cotta, Stuttgart 2021
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