Als ich während eines Einsatzes als Therapeut einer Kollegin gegenüber wortreiche Ausführungen über meine Sicht der Dinge 'unseren' Patienten anlangend machte, sagte sie unvermittelt: Du bist eigentlich eher Philosoph als Therapeut. Sie hatte recht: Ich bin eindeutig lebensphilosophisch unterwegs, mit studierten Philosophen verbindet mich allerdings gar nichts. Für mich wesentlich ist die Grundeinstellung, der sogenannte mind-set, und das meint in meinem Falle, sich als Krieger zu verstehen, der alles im Leben als Herausforderung nimmt und sich voll und ganz dem stellt, was ihm zustösst, ohne Klage oder Bedauern. Sein Ziel ist es, nicht im Urteil der andern, sondern vor sich selbst zu bestehen. Es sei inspirierend, ein Krieger zu werden, schreibt Joseph Goldstein in The Experience of Insight, niemand sonst könne es für uns tun, wie alle müssen es selber tun. „Be aware, moment to moment, paying attention to what's happening in a total way. There's nothing mystical about it, it's so simple and direct and straightforward, but it takes doing,“
Wie ich zum Therapeuten geworden bin? Ich habe einfach beschlossen, einer zu sein. Klar, ich hatte schon Skrupel, und nicht zu wenig, glaubte, ich müsste zuerst eine entsprechende Qualifikation erwerben. Und so flog ich nach Minnesota, um mich im Hazelden Treatment Center über deren Counsellor-Ausbildung, die auf den 12-Schritten beruht, zu informieren.
Hazelden, da landeten die Berühmten, hatte ich gelesen. Auch von einem Priester hatte ich gehört, der von seinen Oberen dorthin geschickt worden war. Er erschien in Soutane, mit steifem Kragen, und erkundigte sich bei der Aufnahme, wie lange denn die Therapie dauere. Einen Monat, wurde ihm beschieden, worauf er sagte: Dann werde ich, schliesslich bin ich ein gebildeter Mann, es wohl in der Hälfte der Zeit schaffen. Und zur Antwort erhielt: Bei Ärzten, Anwälten und Priestern dauert die Behandlung in der Regel doppelt so lange wie üblich – ihre Egos sind schwieriger zu knacken.
Was meine Motivation sei, Therapeut werden zu wollen, fragt mich der Cheftherapeut. Mein Interesse gelte existenziellen Fragen, mich beschäftige, wie man leben solle, was ein gutes Leben sei. Da sei ich als Therapeut hier ganz falsch, denn da gehe es darum, die Leute wieder fit, also alltagstauglich zu machen, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. sagt er. Ich kann kaum glauben, was ich da höre. Die Patienten wieder fit für unseren Wettbewerbs-Alltag und unsere Konsummentalität machen? Wirklich?! Nichts, dass der Sucht förderlicher wäre als der Imperativ unseres Konsumirrsinns: Mehr-Mehr-Mehr!
Hans Durrer: Greogors Pläne, neobooks 2021
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