Zuerst aufgefallen ist mir, dass dieses Buch von einem emeritierten Lehrstuhlinhaber für Marketing (Stefan Müller) und einer Lehrstuhlinhabern für Internationales Management (Katja Gelbrich) verfasst worden ist, von Leuten also, die nicht unwesentlich mit Fragen des Verkaufens befasst sind und damit speziell geeignet scheinen, sich über interkulturelle Kommunikation auszulassen. Es ist denn auch nicht verwunderlich, dass der Teil über kommerzielle Kommunikation, der praktischen Relevanz wegen, der ergiebigste ist.
Meinen ersten Blick warf ich ins Literaturverzeichnis, wo ich, wie zu erwarten war, mein eigenes Buch nicht fand. Doch auch einige der Autoren, von denen ich viel halte und einiges gelernt habe, waren dort nicht zu finden: Christoph Antweiler, Norbert von Mecklenburg und ganz besonders Elmar Holenstein. Dafür waren natürlich ganz, ganz viele andere dort vermerkt ...
Interkulturelle Kommunikation wendet sich an Studierende und Doktoranden. Da wird also unterschieden, was unterschieden werden kann, werden Begriffe erfunden, um dann wieder geklärt zu werden, wird das akademisch Gefragte präsentiert – damit Studierende und Doktoranden ihre Prüfungen bestehen können. Doch was hilft es dem interkulturell Interessierten, wenn er oder sie weiss, dass es nicht nur verbale und nonverbale, sondern auch paraverbale, und extraverbale Kommunikation gibt?
Die Fülle an Informationen, die Eingang in dieses umfangreiche Werk gefunden hat, ist beeindruckend. Ob die gewählten Beispiele zutreffend dargestellt worden sind, vermag ich nicht generell zu beurteilen, in Einzelfällen hingegen schon. Dass etwa in Thailand "abfällige Bemerkungen über den König und dessen Familie" zu "den ungeeigneten Gesprächsthemen zählen" sollen, gehört jedenfalls zu den Untertreibungen des Jahres, denn Majestätsbeleidung kann in Thailand (laut Wikipedia) mit Gefängnisstrafen bis zu 15 Jahren geahndet werden.
Schade auch, dass die Ausführungen zu "Sprachrelativismus vs. Sprachuniversalismus" so dürftig ausgefallen sind: Sollte 'die Realität' "nicht unterschiedlich wahrgenommen, sondern unterschiedlich kategorisiert und benannt werden", wäre das ja nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Diskussion, denn so recht eigentlich wird doch 'die Realität' erst nachdem sie unterschiedlich kategorisiert und benannt worden ist, auch unterschiedlich wahrgenommen.
Es versteht sich: man kann auf 500 Seiten unmöglich umfassend über ein so weites Feld wie die interkulturelle Kommunikation informieren, doch dass ich da überhaupt gar nichts von Grundkonzepten wie etwa dem thailändischen sanug oder dem brasilianischen jeito las, ohne die diese Kulturen kaum verständlich sind, schien mir dann doch reichlich seltsam. Noch seltsamer ist hingegen die Logik dieser Sätze: "An den zahllosen Ahnenschreinen kann jeder Thailand-Reisende die Toleranz des Buddhismus erkennen. Denn obwohl 94% der Thais sich zum Theravada-Buddhismus bekennen, bestimmen nach wie vor die ursprünglich animistischen Rituale – wie die Ahnenverehrung – das tägliche Leben insb. der Dorfbevölkerung." Nun ja, die Lebenserfahrung lehrt, dass das, wozu man sich bekennt und das, was man praktiziert, sich eher selten decken.
Nichtsdestotrotz, ich finde Interkulturelle Kommunikation auf vielfältige Art und Weise informativ und anregend. So erfährt man etwa, dass die Sprache nicht nur für die Konstruktion der Wirklichkeit entscheidend ist, sondern ebenso "um den sozialen Status der Sprecher zu steigern und (Sexual)Partner zu gewinnen." Oder dass die Variante "Blutspenden verhindern Todesfälle" offenbar mehr Menschen dazu bewegt, Blut zu spenden als die Variante "Blutspenden retten Leben". Oder dass die Effizienz interkultureller Teams "im Prinzip nicht schlechter, zum Teile sogar besser" sei, als die von monokulturellen Gruppen, nur müssten erstere "in der Anfangszeit mehr Probleme bewältigen."
PS: Die Schweiz wird übrigens zweimal erwähnt, beide Male mit einem weitestgehend identischen Text: "Es ist für Schweizer normal", lese ich da, "sich schon vor dem Treffen mit allen Beteiligten über ihre Standpunkte auszutauschen. Das Ergebnis steht oft zum grossen Teil schon vor dem Beginn des Meetings fest." Das liegt vermutlich auch daran, dass man in der Konsens-Schweiz den Kompromiss sucht, bevor man das Problem erkannt hat, nur scheint diese Konsens-Schweiz seit einiger Zeit in Auflösung begriffen ...
Stefan Müller / Katja Gelbrich
Interkulturelle Kommunikation
Verlag Franz Vahlen, München 2014
Die Fülle an Informationen, die Eingang in dieses umfangreiche Werk gefunden hat, ist beeindruckend. Ob die gewählten Beispiele zutreffend dargestellt worden sind, vermag ich nicht generell zu beurteilen, in Einzelfällen hingegen schon. Dass etwa in Thailand "abfällige Bemerkungen über den König und dessen Familie" zu "den ungeeigneten Gesprächsthemen zählen" sollen, gehört jedenfalls zu den Untertreibungen des Jahres, denn Majestätsbeleidung kann in Thailand (laut Wikipedia) mit Gefängnisstrafen bis zu 15 Jahren geahndet werden.
Schade auch, dass die Ausführungen zu "Sprachrelativismus vs. Sprachuniversalismus" so dürftig ausgefallen sind: Sollte 'die Realität' "nicht unterschiedlich wahrgenommen, sondern unterschiedlich kategorisiert und benannt werden", wäre das ja nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Diskussion, denn so recht eigentlich wird doch 'die Realität' erst nachdem sie unterschiedlich kategorisiert und benannt worden ist, auch unterschiedlich wahrgenommen.
Es versteht sich: man kann auf 500 Seiten unmöglich umfassend über ein so weites Feld wie die interkulturelle Kommunikation informieren, doch dass ich da überhaupt gar nichts von Grundkonzepten wie etwa dem thailändischen sanug oder dem brasilianischen jeito las, ohne die diese Kulturen kaum verständlich sind, schien mir dann doch reichlich seltsam. Noch seltsamer ist hingegen die Logik dieser Sätze: "An den zahllosen Ahnenschreinen kann jeder Thailand-Reisende die Toleranz des Buddhismus erkennen. Denn obwohl 94% der Thais sich zum Theravada-Buddhismus bekennen, bestimmen nach wie vor die ursprünglich animistischen Rituale – wie die Ahnenverehrung – das tägliche Leben insb. der Dorfbevölkerung." Nun ja, die Lebenserfahrung lehrt, dass das, wozu man sich bekennt und das, was man praktiziert, sich eher selten decken.
Nichtsdestotrotz, ich finde Interkulturelle Kommunikation auf vielfältige Art und Weise informativ und anregend. So erfährt man etwa, dass die Sprache nicht nur für die Konstruktion der Wirklichkeit entscheidend ist, sondern ebenso "um den sozialen Status der Sprecher zu steigern und (Sexual)Partner zu gewinnen." Oder dass die Variante "Blutspenden verhindern Todesfälle" offenbar mehr Menschen dazu bewegt, Blut zu spenden als die Variante "Blutspenden retten Leben". Oder dass die Effizienz interkultureller Teams "im Prinzip nicht schlechter, zum Teile sogar besser" sei, als die von monokulturellen Gruppen, nur müssten erstere "in der Anfangszeit mehr Probleme bewältigen."
PS: Die Schweiz wird übrigens zweimal erwähnt, beide Male mit einem weitestgehend identischen Text: "Es ist für Schweizer normal", lese ich da, "sich schon vor dem Treffen mit allen Beteiligten über ihre Standpunkte auszutauschen. Das Ergebnis steht oft zum grossen Teil schon vor dem Beginn des Meetings fest." Das liegt vermutlich auch daran, dass man in der Konsens-Schweiz den Kompromiss sucht, bevor man das Problem erkannt hat, nur scheint diese Konsens-Schweiz seit einiger Zeit in Auflösung begriffen ...
Stefan Müller / Katja Gelbrich
Interkulturelle Kommunikation
Verlag Franz Vahlen, München 2014
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