Wednesday 10 December 2014

Künstlerhäuser

Nachdem ich mich gerade mit einem Fotoband voller Psychotherapeuten, die an ihren Arbeitsplätzen porträtiert wurden, beschäftigt hatte, war ich recht gespannt, wie wohl die Ateliers und Lebensräume berühmter Maler und Bildhauer aussehen würden. 

Zuallererst ist mir bei Künstlerhäuser der an der Architekturfotografie geschulte Blick von Achim Bednarz aufgefallen: meisterhaft, wie dieser Mann Bilder rahmt.

Künstlerhäuser seien 'topografische Fixpunkte', schreibt Boris Plachta. "An diesen Orten erinnern wir uns an grosse Persönlichkeiten und ihre Leistungen und vergegenwärtigen das Vergangene."

Künstlerhäuser ist eine detailreiche Abhandlung über die Wohn- und Arbeitsstätten von Malern und Bildhauern. Fünfzig als Museen und Gedenkstätten gepflegte Künstlerhäuser und/oder Ateliers in ihren jeweiligen kunsthistorischen Kontexten versammelt dieser höchst informative Band, der auch einzelne Lebensschicksale schildert, besonders eindrücklich etwa die etwa von Otto Dix und von Käthe Kollwitz.

Mein spezielles Interesse gehört dem umgebauten Stall in Stampa, den Alberto Giacometti als Atelier nutzte. Zu sehen ist jedoch nur eine Aussenansicht, dafür erfährt man einiges über die Künstlerfamilie Giacometti, deren stabilisierendes Element offenbar die aus einer begüterten Bergeller Familie stammende Annetta Stampa, die Mutter von Alberto, Diego und Bruno, gewesen ist.

Auch Giacomettis knapp "24 Quadratmeter grosses Atelier mit rohem Betonfussboden und nackten Wänden in einem verwickelten Barackenkomplex in der Rue Hippolyte-Maindron 46" in Paris ist nicht abgebildet. "Das Atelier spiegelt Giacomettis Willen wider, als Künstler zu reüssieren", schreibt Plachta.

Aufschlussreich fand ich unter anderem die Aufnahmen von der rekonstruierten Pariser Wohnung Mondrians, die sowohl in der Anordnung als auch in der Farbauswahl genauso auf mich wirkt wie seine Bilder.

Gestaunt habe ich über die luxuriös ausgestatteten Salons im ersten Stock von de Chiricos Römer Wohnung an der Piazza di Spagna. Die Privaträume, einen Stock höher gelegen, seien jedoch, so Plachta, spartanisch eingerichtet gewesen.

Künstlerhäuser ist eine wahre Fundgrube. Da findet man Rembrandts Haus in Amsterdam, Rubens' Stadtpalast in Antwerpen, die Villa Franz von Lenbachs in München, das Wohn- und Atelierhaus von Auguste Rodin in Meudon, die Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe und und und ...

Sich in Künstlerhäuser zu vertiefen, ist höchst anregend. Und Horizont erweiternd. Mir jedenfalls eröffneten sich dabei viele bis anhin nicht bekannte Welten. Ganz besonders angetan haben es mir etwa das von Kandinsky gemalte Treppengeländer, das Bibliothek-Wohnzimmer von Alfred Kubin und Edvard Munchs Warnemünder Ferienunterkunft im Haus des Lotsen Carl Nielsen.

Bodo Plachta
Künstlerhäuser
Reclam Verlag, Stuttgart 2014

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