Wednesday, 23 September 2015

Fotografieren als Hingabe an die Gegenwart

Was mich ganz besonders an „Die stille Gegenwart der Photographie“ anspricht, ist, dass Liesenfeld Fragen aufgreift, die mich selber immer wieder beschäftigt haben. Zum Beispiel die, ob der Fotograf ein Künstler sei. „Ein wichtiger Faktor auf dem Kunstmarkt ist ebenfalls der Nimbus des Künstler als Schöpfer. Auch hier steht das 'Ich der Photographie' der Glorie des Fotografen im Wege, denn es ist ganz offensichtlich, dass der Fotoapparat die Bilder macht, und dass der Fotograf eine Fotografie eher 'in Auftrag gibt'.“ Treffender habe ich das bisher noch nirgendwo formuliert gefunden.

In der Photographie verberge sich die Wahrheit nicht hinter einer Fassade, schreibt Liesenfeld. Und: „Ich bemühe mich, die Wahrheit anhand der Oberfläche zu zeigen. Ich habe gelernt, die Welt durch das Auge des 'Ich der Photographie' zu betrachten.“

Mich erinnerten diese Ausführungen an Mont Redmonds von mir sehr geschätzte Essays in seinem „Wondering into Thai Culture“, wo er argumentiert, im Buddhismus gehe es nicht darum, hinter die Dinge zu sehen, sondern den Dingen ihre vermeintliche Tiefe zu nehmen. „'No self, no permanence, no happiness' means: seek no more. What you see is what you get, and what you’re seen to be is what you’ve got.“

Winogrand sei es nicht um die fertigen Aufnahmen gegangen, so Liesenfeld, sondern „lediglich ums Sehen, ums Fotografieren an sich, um diese einzigartige Verbindung mit dem Leben selbst.“ Ihm selbst geht es offenbar auch um diese Verbindung, denn er will (wie er seinen Besuch in Medjugorje am Karfreitag 2007 beschreibt, wo er Marienfiguren fotografiert), „keine Geschichten erzählen, sondern nur sehen, entdecken und aufzeichnen.“ So kann das Fotografieren zur Hingabe an die Gegenwart werden.

Der vollständige Text findet sich auf 
http://fotokritik.de/artikel_173_1.html

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