Bibliotheken sind nicht nur Orte, wo Wissen versammelt ist, Bibliotheken sind auch Orte, wo sich Wissensdurstige treffen und austauschen können. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen ihre Zeit alleine vor einem Computer-Bildschirm verbringen, scheint zunehmend geboten, an die soziale Funktion der Bibliotheken zu erinnern. Und natürlich auch daran, dass Bibliotheken einmal veritable Tempel des Wissens gewesen sind. Massimo Listris grossformatiger und mehrere Kilo schwere Prachtband Die schönsten Bibliotheken der Welt legt davon eindrücklich Zeugnis ab.
Besser als mit "Gedächtnis der Welt", dem Titel des einleitenden und höchst informativen Essays von Georg Ruppelt, lassen sich Bibliotheken kaum charakterisieren. Er zitiert unter anderen Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) mit dessen Vorstellung von der Bedeutung und dem Nutzen einer universalen Bibliothek: "Sie ist die Schatzkammer aller Reichtümer des menschlichen Geistes, zu der man seine Zuflucht nimmt für die Künste des Friedens und des Krieges, für die Erhaltung des menschlichen Körpers, für die Kenntnis der Mineralien, Pflanzen, Tiere, überhaupt für die Geheimnisse der Natur, für die Bewegungen der Gestirne, der verschiedenen Regionen der Erde, für bürgerliche und militärische Baukunst, für Verschönerungen und öffentliche Anlagen, für Gesetze, Polizei und gute Staatsordnung, für alte und neuere Geschichte, für die Angelegenheiten der Fürsten, für alles das menschliche Interesse reizende Schöne, kurz für das Angenehme sowohl wie für das Nützliche und Notwendige (...)." Ziemlich umfassend, würde ich sagen.
Für mich, der ich einmal Bibliothekar werden wollte, weil ich mir darunter der Bildung und dem Wissen verpflichtete Menschen vorstellte, die sich breit auskannten und einem vielfältig zu raten wussten, sind die auch architektonisch eindrücklichen Bibliotheken in diesem Band Stätten der Kultur, denen ich mir Staunen und Ehrfurcht begegne.
Bibliothèque Sainte-Geneviève, Paris, Frankreich
Copyright: Massimo Listri / TASCHEN
Die schönsten Bibliotheken der Welt ist gegliedert in Bibliotheken aus Südeuropa (Italien, Spanien, Portugal), West- und Nordeuropa (Irland, England, Frankreich, die Niederlande und Schweden), Zentraleuropa (Deutschland, die Schweiz, Österreich und die tschechische Republik) und die Amerikas (die Vereinigten Staaten, Mexiko, Brasilien und Peru).In einem gewissen Sinne ist dieser Band auch eine geografische Geschichtslektion – mir jedenfalls war die portugieische Kleinstadt Marfa bislang kein Begriff. Meine Nachforschungen ergaben, dass sie 40 Kilometer nordöstlich von Lissabon liegt. Der im Stil des Barock zwischen 1717 und 1730 erbaute Palácio de Mafra ist die grösste Schloss- und Klosteranlage Portugals und die von Massimo Listri höchst eindrücklich fotografierte Bibliothek umfasst 40 00 Bände aus dem 16. und 18. Jahrhundert. José Saramago hat die Bauarbeiten in "Das Memorial" dargestellt.
Eine weitere, ganz wunderbare Entdeckung ist das Real Gabinete Portuguès de Leitura in Rio de Janeiro, die grösste portugiesische Büchersammlung ausserhalb Portugals – ich komme beim Betrachten dieser Bilder aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das liegt einerseits an den Fotografien, andererseits aber eben auch daran, was ich mit Bilbliotheken verbinde und mir Eindruck macht: Gelehrtheit.
Eine weitere, ganz wunderbare Entdeckung ist das Real Gabinete Portuguès de Leitura in Rio de Janeiro, die grösste portugiesische Büchersammlung ausserhalb Portugals – ich komme beim Betrachten dieser Bilder aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das liegt einerseits an den Fotografien, andererseits aber eben auch daran, was ich mit Bilbliotheken verbinde und mir Eindruck macht: Gelehrtheit.
Stiftsbibliothek Sankt Gallen, St. Gallen, Schweiz
Copyright: Massimo Listri / TASCHEN
Die Aufnahmen der St. Galler Stiftsbibliothek haben mich bewogen, mir diese Bibliothek mit eigenen Augen anzuschauen. Sie war kleiner und dunkler als ich mir gedacht hatte und sie war voller Touristen, was mich diesen Bildband, der ein ungestörtes und stilles Betrachten ermöglicht, umso mehr schätzen lässt. Zu meinen Erstaunen erfuhr ich, dass es sich um eine Ausleihbibliothek handelt. Bücher, die nicht mehr als 100 Schweizer Franken wert sind, dürfen mit nach Hause genommen werden; diejenigen, deren Wert darüber liegt, können im Lesesaal gelesen werden.
Klosterbibliothek Ottobeuren, Ottobeuren, Deutschland
Copyright: Massimo Listri / TASCHEN
Die schönsten Bibliotheken der Welt zeichnet sich nicht nur durch eindrückliche Fotografien aus, sondern auch durch die diesen beigegebenen Informationen über die Geschichte und den Bestand der jeweiligen Bibliotheken.
Seit den 1970er Jahren sei oft die Rede vom baldigen Ende der Bücher und damit auch der Bibliotheken, schreibt Georg Ruppelt. "Vielerorts war man der Meinung, dass künftige Bibliotheken, wenn es denn in Zukunft überhaupt noch welche geben sollte, keine Büchermagazine mehr benötigen würde. Doch in vielen Teilen der Welt sind in den letzten Jahrzehnten grosse und architektonisch ambitionierte Bibliotheken neu errichtet und andere umgebaut worden – und alle haben sie Platz für Bücher. Zu ihnen gehören beispielsweise die Bibliotheken in Alexandria, Berlin, Cottbus, Delft, Dresden, Hannover, Kopenhagen. Leipzig, Osaka, Paris, Peking, Stuttgart. Utrecht, Weimar oder Zürich."
Ein sehr schön gemachtes, beeindruckendes und wunderbar anregendes Buch!
Massimo Listri
Die schönsten Bibliotheken der Welt
Taschen, Köln 2018
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