Maja Hoffmann, die Gründungspräsidentin der LUMA Foundation in Arles, macht in ihrem Geleitwort klar, dass dieses Buch zum Ziel hat, Annie Leibovitz' "weithin anerkannte Arbeitsweise umfassender und intensiver zu kontextualisieren." Und das ist auch bestens gelungen. So findet sich in diesem Buch eine Chronologie sogenannt wichtiger Ereignisse von 1967 bis 1984, also von der Tet-Offensive vom 30. Januar 1968, bei der nordvietnamesische und Vietcong-Truppen die amerikanischen und südvietnamesischen Stellungen angriffen, bis zur Flucht von Roman Polanski vor den amerikanischen Strafbehörden nach Frankreich, um sich einer Verurteilung wegen Geschlechtsverkehrs mit einer 13Jährigen zu entziehen.
Nixon's Resignation
Washington, D.C., 9. August 1974
Matthieu Humery, Luc Sante und Jann Wenner haben Texte beigetragen, doch der spannendste stammt von Annie Leibovitz selbst. Sie beschreibt darin unter anderem, wie wichtig das Autofahren für ihren Vater war (und auch für sie geworden ist). "Mit 17 ging ich nach Kalifornien. Ich hatte die Highschool in Maryland gerade abgeschlossen und wollte, dass die Zukunft begann. Sobald ich konnte, zog ich so weit wie nur möglich von der Ostküste fort. Ich entschied mich für das San Francisco Art Institute nicht nur, weil ich Künstlerin werden wollte, sondern auch wegen des Fotos auf dem Titelblatt der Schulbroschüre – ein Blick auf die San Francisco Bay vom Fenster des Instituts aus. Eine romantische Vorstellung, die für mich nie in Erfüllung ging." Treffender und anrührender habe ich selten gelesen, was uns motiviert – und auch häufig enttäuscht.
San Francisco ist bekanntlich auch recht hügelig ("bergig", wie der deutsche Text meint, finde ich etwas übertrieben) und einige dieser Hügel fallen recht steil ab. Beim Parken gilt es, die Räder zum Randstein einzuschlagen, damit das Auto nicht den Hügel runterrollt. Zu der Zeit, als Annie Leibovitz einen roten BMW fuhr, vergass sie das einmal. "Ich blickte die Strasse hinunter, und da stand er, verkeilt in ein anderes Auto, das dort parkte. Seitdem habe ich kein rotes Auto mehr gekauft. Sie machen nur Ärger." Ich mag nicht nur ihre Bilder, ich mag auch ihren Humor!
Rolling
Stones Tour
Cleveland,
Ohio 1975
Die Bandbreite der Sujets ist wunderbar vielfältig und stark von der damaligen Musikkultur geprägt. Die Rolling Stones, Chris Stein und Deborah Harry, Cheap Trick, Pat Benatar, Patti Smith, Linda Ronstadt, Bruce Springsteen und und und. Das berühmte Foto von Yoko Ono mit dem nackten "Säugling" John Lennon in New York City findet sich genau so in diesem Band wie Aufnahmen von Arnold Schwarzenegger, Dianne Feinstein, Dan Rather, John Gregory Dunne und Joan Didion, Jerry Brown und Hunter S. Thompson – letzterer
im Hotelbett, das Leintuch über den Kopf gezogen sowie eine Dose
Budweiser und eine kleine Flasche Johnny Walker auf dem Nachttisch
(das war 1976 während der Democratic National Convention in New York
City); besser kann man den Autor von "Fear and Loathing on the
Campaign Trail" wahrlich nicht ablichten.
Andy Warhol und Diana Vreeland
New York City, 1976
Die meisten Aufnahmen sind in Schwarz/Weiss und verstärken damit mein Gefühl einer Zeitreise in die Vergangenheit. Das Magische an diesen Fotografien ist, dass sie mich glauben lassen, sie hätten etwas mit mir zu tun – dabei war ich gar nicht vor Ort und die Abgebildeten, die ich kenne, kenne ich nur aus dem Medien. Doch es war eben auch meine Zeit, also die, in der ich gross geworden bin und somit zeigen diese Aufnahmen auch einen Blick in meine eigene Vergangenheit.
Annie Leibovitz
The early years, 1970-1983
Englisch, Deutsch, Französisch
Taschen, Köln 2018
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