Wednesday, 20 April 2022

Andere Länder, andere Sprüche

Es gibt Redewendungen, bei denen ich nicht in Versuchung gerate, sie in meine Muttersprache, das Schweizerdeutsche, zu übersetzen, ganz einfach, weil sie im Original für meine Ohren besser klingen. C'est le ton qui fait la musique (Der Ton macht die Musik), zum Beispiel. Dann gibt es welche, die jemand mal gebraucht hat, ich nicht verstanden habe, mir dann habe erklären lassen, und die mir deshalb geblieben sind. Etwa das portugiesische engolir sapos für "eine bittere Pille schlucken".

"Redewendungen in fünf Sprachen" lautet der Untertitel dieses von Daniele Simonelli mit Illustrationen versehenen Werkes, das Redensarten aus diversen Regionen versammelt, die so recht eigentlich gute Ratschläge sind, und von Michela Tartaglia und Marianna Rossi zusammengetragen wurden. Die fünf Sprachen sind: Deutsch. Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch.

Sprichwörter sind Frucht der jeweiligen Lebenswelt, sie lassen sich zumeist nicht wörtlich übersetzen. Doch es gibt einige, die sich sprachlich näher stehen als andere. So heisst "Der Appetit kommt mit dem Essen" im Italienischen L'appetito vien mangiando, im Französischen L'appetit vient en mangeant, im Englischen Appetite comes with eating und im Spanischen Comiendo entra la gana. Die Bedeutung? Hat man einmal etwas angefangen, dann bekommt man auch Lust darauf.

Andere Länder, andere Sprüche lädt zum Sich-Wundern ein. Weshalb "Es giesst wie aus Eimern" eigentlich im Englischen I'ts raining cats and dogs (Es regnet Katzen und Hunde) heisst? Und wie kommt es, dass im Spanischen Llover sapos y culebras (Es regnet Kröten und Schlangen) und im Französischen Il pleut des cordes (Es regnet Seile) benutzt wird?

Dankenswerterweise wartet Michela Tartaglia nicht mit psychologischen, linguistischen oder ethnologischen Erklärungsversuchen auf, denn diese könnten eh nichts anderes als Vermutungen sein, doch ihren Hinweis auf den "Anflug von magischem Realismus", der sich durchs Spanische zieht, fand ich nicht nur nützlich und interessant, sondern ausgesprochen anregend. Nicht zuletzt ihre Erläuterung, dass sapos y culebras nicht nur hinabregnen, sondern in Verbindung mit anderen Verben die Bedeutung wechseln. So heisst etwa echar sapos y culebras "Gift und Galle spucken" und tragar sapos y culebras "in den sauren Apfel beissen".

Andere Länder, andere Sprüche zeigt unterhaltsam, dass mit einer Sprache vertraut zu werden, sich nicht im Vokabeln-Lernen erschöpft, und dass auch kulturelle Faktoren häufig nicht erklären können, weshalb man etwas so und nicht anders sagt, ja, dass Sprache letztlich ein Rätsel ist, ein überaus faszinierendes.

Fazit: Ein Buch zum Schmunzeln und Sich-Wundern.

Michela Tartaglia
Andere Länder, andere Sprüche
Redewendungen in fünf Sprachen
DuMont, Köln 2022

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