Wednesday, 25 December 2019

Die unbewohnbare Erde

"Es ist schlimmer, viel schlimmer, als Sie denken. Das langsame Voranschreiten des Klimawandels ist ein Märchen, das vielleicht ebenso viel Schaden anrichtet wie die Behauptung, es gäbe ihn gar nicht," So beginnt der beim New York Magazine tätige Journalist David Wallace-Wells seinen Report über den gegenwärtigen und zukünftigen Stand des weltweiten Klimas.

Auch heute noch wird darüber gestritten, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Dass dabei eine Minderheit der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler, die ganz klar einen Klimawandel feststellen, kein Vertrauen entgegenbringt, ist nicht nur erstaunlich, sondern schlicht nicht zu fassen. Jedenfalls für mich. Andererseits gibt es einiges in der heutigen Welt, das mich ähnlich fassungslos macht – etwa die nordamerikanischen und britischen Wähler oder das Schweizer Parlament.

Es gehört wesensmässig zum Menschen, dass er das Offensichtliche nicht wahrhaben will, also verdrängt er es. Vom eigenen Tod bis zu der Tatsache, dass jedes Verhalten (oder Nicht-Verhalten) Folgen hat – dass dem unkontrollierten Abholzen der Amazonas Wälder kein Einhalt geboten wird und dazu beiträgt, dem Planeten die Lebensgrundlage zu entziehen möge als Beispiel dienen.

Das Grundübel ist die Ignoranz. Lässt sich dagegen mit Information angehen? Ich bin zwar skeptisch, doch versuchen sollte man es trotzdem. Weil einem gar nichts anderes übrig bleibt. Denn Wissen ist das einzige Heilmittel gegen Unwissenheit.

Dass wir unter extremen Wetterverhältnissen leben, ist uns bewusst. Und so sehr wir heisse Sommer schätzen mögen, dass in der Schweiz, also vor meiner Nase, Gletscher schmelzen, mutet mehr als eigenartig an. "... extreme Wetterereignisse sind nicht 'normal' – sie sind nur die Randerscheinungen des immer schlimmer werdenden Klimageschehens, die uns nun heimsuchen."

So haben sich etwa in den USA die Schäden durch normale Gewitter seit den 1980er Jahren mehr als versiebenfacht und die Stromausfälle durch Stürme haben sich seit 2003 verdoppelt. Es sind unter anderem solche konkreten Informationen, die mir dieses Buch wertvoll machen.

Angenommen, die Erde würde sich um drei Grad erwärmen, dann würde der Meeresspiegel um 50 Meter ansteigen und unter anderem zur Folge haben, dass nicht nur 97 Prozent von Florida und Delaware, 80 Prozent von Louisiana und und und .... versunken wären, sondern auch Städte wie New York, San Francisco, Houston, Manaus, Buenos Aires sowie die grösste Stadt im gänzlich von Land umschlossenen Paraguay, Asunción. Wie auch London, Dublin, Doha, Dubai, Bagdad, Peking ... um nur einige zu nennen. "Die Welt wäre durch diese Überschwemmung zwar nicht buchstäblich bis zur Unkenntlichkeit entstellt, aber doch nicht weit davon entfernt."

Übrigens: Wer Zweifel am Klimawandel hat, sollte sich  die Tatsache vor Augen führen, dass das US-Militär vom Klimawandel geradezu besessen ist. Einmal aus strategischen Gründen (vom Militär genutzte Inseln werden schlicht untergehen), dann aber auch aus Gründen der Stabilität. Sinkende Erträge und Produktivität haben Zwangsmigration zur Folge, nicht-staatliche Akteure wie der IS könnten sich der lokalen Ressourcen wie Trinkwasser bemächtigen. Konzerne sind ja bereits dabei ...

Die unbewohnbare Erde. Leben nach der Erderwärmung ist der anschauliche und überzeugende Versuch, die wíssenschaftlichen Fakten des Kilmawandels verständlich darzustellen.

David Wallace-Wells
Die Unbewohnbare Erde
Leben nach der Erderwärmung
Ludwig, München 2019

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