"Plädoyer für eine differenzierte Berichterstattung" heisst der Untertitel dieses Buches von Martin Sturmer, und wer wollte da nicht zustimmen ...
Ich habe selber einmal in Afrika gearbeitet, weiss nur allzu gut, dass Berichterstattung und Wirklichkeit vor Ort meist weit auseinander fallen (doch ist das so recht eigentlich bei fast jeder Berichterstattung so) und da ich überdies, viele Jahre ist es her, ein Buch mit Afrika Reportagen herausgegeben habe (Stefan Klein & Manja Karmon Klein: Die Tränen des Löwen), stürzte ich mich sofort aufs Literaturverzeichnis, um zu sehen, ob denn dieses Buch dort auch verzeichnet war ... doch, nein, es war nicht da. Und auch die anderen Journalisten Bücher, von denen ich einiges über diesen Kontinent gelernt hatte, waren nicht aufgeführt. Drei ganz unbedingt lesenswerte will ich hier erwähnen: Andrea Böhm: Gott und die Krokodile, Keith B. Richburg: Jenseits von Afrika, Michela Wrong: In the Footsteps of Mr. Kurtz. Zudem fehlt da noch ..., doch nein, das bringt nichts, und überhaupt hat der Autor schliesslich ganz viele Bücher gelesen, die ich wiederum nicht gelesen habe ...
Es gibt Bücher, die mag man nicht zu Ende lesen, weil einen die Lektüre ganz einfach zu sehr nervt. Für mich ist
Martin Sturmers Afrika! so ein Buch. Schon seines Ansatzes wegen. Was meine ich damit? "Lässt sich ein differenzierter Afrika-Journalismus angesichts redaktioneller Sparmassnahmen überhaupt noch bewerkstelligen?", fragt Sturmer und fährt fort: "Meine klare Antwort: Ja. Wie? Durch einen einfachen Wandel der Perspektive. Ich bin überzeugt, dass die Zukunft der deutschsprachigen Afrika-Berichterstattung in den fähigen Händen afrikanischer Medienprofis liegt." Gut möglich, dass er recht hat, doch ich will mir den afrikanischen Kontinent nicht von Afrikanern erklären lassen, genau so wenig wie ich mir Amerika von Amerikanern oder die Schweiz von Schweizern erklären lassen will. Anders gesagt: mich interessiert die Perspektive von aussen. Zugespitzt formuliert: ich lerne mehr über die Schweiz von Nicht-Schweizern als von Schweizern (dass es da Ausnahmen gibt, versteht sich). Das Gewohnte aus Distanz zu sehen, bedeutet häufig, es klarer zu sehen (siehe auch:
Warum
rennen hier alle so?)
Die schlechte Presse, die Afrika in den deutschsprachigen Medien hat, so Sturmer, schade vor allem im Hinblick auf:
"° die Wirtschaft des Kontinents, insbesondere den Handel und den Tourismus
° die Spendenbereitschaft bei humanitären Krisen und die Akzeptanz von Entwicklungszusammenarbeit
° das gesellschaftliche Zusammenleben mit Menschen afrikanischer Herkunft in deutschsprachigen Ländern."
Dreht man das Argument um, müsste man schliessen, die Aufgabe der Medien sei, der Wirtschaft zu dienen, die Entwicklungszusammenarbeit sowie das interkulturelle Miteinander in deutschsprachigen Ländern zu unterstützen. Wirklich?
Afrika! ist ein Buch darüber wie einige, der politischen Korrektheit verpflichtete Akademiker zur Zeit die Welt sehen. Das geht von der Verwendung von akzeptablen Bildern bis zum Gebrauch korrekter sprachlicher Ausdrücke. So seien etwa "Animisten, Buschmänner, Pygmäen" bedenkliche Ausdrücke, "die auf anthropologische, rassistische oder imperialistische Konzepte zurückgehen." Laurens van der Post empfand übrigens die Bezeichnung "a white bushman" als Ehrentitel. Und für die Bildauswahl von Afrikabeiträgen gelte "Ähnliches wie für die Nachrichtenselektion – Negativismus ist das Kernmotiv." Ganz so, als ob das sonst im Journalismus anders wäre ...
Die verzerrte Darstellung von Afrika sei medial konstruiert, lese ich. Und stimme zu. Doch mit Afrika hat das wenig zu tun. Wer von den Medien eine unverzerrte Sicht der Dinge verlangt, versteht nicht, wie die Medienwelt tickt.
Martin Sturmer
Afrika!
Plädoyer für eine differenzierte Berichterstattung,
UVK, Konstanz 2013