Fotos sind schon sehr eigenartige Dinger. Zweidimensionale Reduktionen einer dreidimensionalen Wirklichkeit, die weder klingen noch riechen und uns gleichwohl suggerieren, wir würden, wenn wir sie uns ansehen, die Wirklichkeit sehen. Kennen wir zum Beispiel die abgebildeten Personen persönlich, so ist uns, als ob wir sie selber und nicht etwa Bilder von ihnen ansehen. Jedenfalls geht es mir so. Betrachte ich Fotos meiner verstorbenen Eltern, so sehe ich meine Eltern und nicht etwa nur Bilder von ihnen.
Noch eigenartiger finde ich, dass Fotos auch zu Personen, die ich weder kenne oder gekannt habe, einen starken Bezug herstellen können. Oder zumindest die Illusion davon. So geschehen ist das mir mit den Aufnahmen, die der damals 22jährige Blake Wood aus Vermont von der 24jährigen Amy Winehouse gemacht hat. Obwohl ich mit ihrer Musik nicht wirklich vertraut bin und von ihr kaum mehr weiss als dass sie mit knapp 28 Jahren an einer Alkoholvergiftung gestorben ist.
Copyright by Blake Wood
Ich betrachte die Fotos – in Farbe und in Schwarz/Weiss – mit Musik von ihr im Hintergrund und wundere mich darüber, dass sie mich derart berühren können. Unschuldig, verletzlich, bedürftig, stolz und rebellisch, so wirkt sie auf mich. Dass ich das hineinlese, ist mir klar, ändert jedoch nichts daran, wie ich sie wahrnehme.
Vielleicht liegt es ja auch daran, dass Amy und Blake sich sehr nahe standen – es war eine platonische Beziehung - und die Aufnahmen das möglicherweise (was Fotos letztlich tun, entzieht sich mir) vermitteln. "Die tiefe Vertrautheit, die aus den hier versammelten Bildern spricht, lässt ahnen, wie nah sich diese beiden unverhofften Freunde standen", schreibt Nancy Jo Sales. Und fügt hinzu, dabei Bezug nehmend auf die Aufnahmen auf Saint Lucia: "Sie stehen im Widerspruch zu einem ganzen Dossier von Bildern, die uns Amy Winehouse als Drogensüchtige, als "Enfant terrible" verkaufen."
Copyright by Blake Wood
In den Worten von Blake Wood: "Sie war jemand, der Liebe in Reinform verkörperte. Sie half den Leuten um sie herum, Zugang zur Liebe und Güte in sich selbst zu finden. Diese Aufnahmen lagen bei mir im Schrank, ich musste sie wegsperren, weil es zu weh tat, sie zu betrachten. Aber jetzt möchte ich, dass die Leute den Menschen sehen, den ich kannte – dieses Licht. dieses strahlende Licht voller Liebe."
Die Bilder wurden in Camden, East London, Soho, der Isle of Wight, Saint Lucia und Paris aufgenommen; die Texte sind in Englisch, Deutsch und Französisch.
Blake Wood
AMY WINEHOUSE
Taschen, Köln 2018