Am 26. Dezember 2004 löste ein gewaltiges Erdbeben im Indischen Ozean eine Kaskade von Flutwellen aus. Dieser Tsunami traf auch auf die Küsten Sri Lankas. Die Stiftung Tamils-Aid (STA) beschloss sich direkt für die Opfer einzusetzen. "Das Buch von Judith Wirz vermittelt einen Blick auf die bestehenden STA-Hilfsprojekte und soll motivieren, den Bestand und den Ausbau dieser sinnvollen Werke auch in Zukunft zu unterstützen", schreibt Projektorganisator Adrian Wirz im Vorwort.
Ich will hier nicht auf die Arbeit der Stiftung eingehen, ich will hier die Eindrücke schildern, die die Beschäftigung mit den Fotos und dem Text von Judith Wirz bei mir auslösten.
Sri Lanka ist mir nicht ganz unbekannt, ich war zweimal, das erste Mal vor etwa 25 Jahren, das zweite Mal vor gut einem Jahr, als Tourist auf der Insel, hauptsächlich im Süden, aber auch im Hochland von Kandy.
Mir ist nie so recht klar, weshalb mich gewisse Bilder ansprechen und andere nicht. Die Gründe, die ich mir im Nachhinein zurecht lege, überzeugen mich nicht immer. Möglich, dass mich am obigen Bild der Gegensatz der ganz unterschiedlich bekleideten Frauen faszinierte, wahrscheinlicher scheint mir jedoch, dass mir ganz einfach Wellen und Licht gefallen haben, die Weite und Ruhe, die ich häufig am Meer empfinde.
Die hier gezeigten Bilder sind nicht typisch für diesen Band, es sind die, die mir beim ersten Durchblättern hängengeblieben sind, wohl auch, weil es sich bei den beiden Meeresaufnahmen im Buch um grossformatige Fotos handelt.
Und da sich diese Aufnahmen in einem Fotoband über Hilfsprojekte in Sri Lanka findet, gehen meine Gedanken auch zum Tsunami im Jahre 2004, als dieses Meer alles andere als ruhig war, ganz heftige Wellen aufs Land trafen und Tod und Verwüstungen zurückliessen. Und wie immer sind es fast mehr die Informationen, die ich zum Bild bringe, als die Bilder selber, die dann wiederum andere Bilder in meinem Kopf auslösen
"Es ist heiss und feucht! Ich bin in Sri Lanka, Colombo Flughafen, gelandet. Es ist März, Ankunftszeit 05.00 Uhr", so beginnt Judith Wirz ihren Reisebericht. Und so schildert sie die Fahrweise auf der Insel. "Nur nicht anhalten! Es wird auch an engen Stellen, sogar vor unübersichtlichen Kurven überholt, immer begleitet von Hupen. Der, der überholt, hupt, der Überholte hupt und der, welcher entgegenkommt, hupt auch und weicht irgendwie aus. Schlimmstenfalls bremst der Überholte und wenn es kein Ausweichen gibt, steht einfach der Verkehr still. Aber sie schaffen es, aneinander vorbei zu kommen. Und immer ruhig, nie würde einer die Fahrweise des anderen kritisieren."
Viele Bilder zeigen Alltagsszenen – einen Busstop, Mittagessen in einer Bar, einen Bahnhof, einen fahrenden Zug, Männer beim Fischfang, Tuk Tuks, Verkaufsstände etc. – und sie gewinnen durch den gänzlich unprätentiösen, sachlich und nüchtern beschreibenden Text, weil dieser ihnen eine Dimension hinzufügt, die Bildern naturgemäss fehlt. Geräusche etwa. "Um 23.00 Uhr wird es ruhiger. In meinem Zimmer hat es zuwenig Licht zum Lesen. Ein riesiger Laster dröhnt vorbei. Der Benzingestank dringt durch die Öffnung im Badezimmer. Um 01.30 Uhr ein lautes Scheppern aus der Küche, Essen wird in Blechpfannen hin- und hergeklopft. Dann endlich Stille."
Die mir liebsten Aufnahmen sind die Porträts. Eine junge Frau an der Nähmaschine, ein Mädchen beim Schreiben, der Leiter eines Kinderheims in seinem Büro, ein vielleicht fünfjähriges Mädchen beim Tanzen, ein lachender junger Mann mit Elektrokabeln. Oder eben das obige Bild, das mich automatisch zum Strahlen bringt.
Judith Wirz
Sri Lanka – Jahre danach