Wednesday, 30 October 2024

Niemandsland

Adwin de Kluyver, 1968 geboren, war von klein auf vom hohen Norden fasziniert, der sich grundlegend vom Süden unterscheidet. So wohnen im Norden rund um den 60. Breitengrad viele Menschen, im Süden jedoch liegen um den 60. Breitengrad nur unbewohnte Inseln. Er geht in den Süden, also dahin, wo er eigentlich gar nicht hinwollte. Doch wer weiss schon, was er wirklich will! Es zeigt sich in dem, was man tut. Bei seinen Recherchen, er ist Historiker, stösst er auch auf den weithin unbekannten japanischen Polarfahrer Nobu Shirase, auf dessen Spuren er sich macht.

Die Antarktis beginnt 500 Kilometer südlich von Neuseeland. Fin del Mundo nennt sich der Ausgangshafen Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, "die sich als ein ziemlich trauriger Sammelplatz für etwas zu reiche Senioren mit einem letzten Wunsch herausstellt." Wie wohltuend, dass da für einmal auf "Seniorinnen" verzichtet wird.

Dann folgt ein Kapitel, das mit "Monte Campana de Roldán, Chile" überschrieben ist, und von einem Kanonier aus Brügge sowie Magellans Tod handelt. Dann springt die Erzählung unvermittelt zurück in die Gegenwart. "Der Kontrast zur Expedition von Nobu Shirase könnte kaum grösser sein. Als die Japaner vor mehr als einem Jahrhundert auf dem eisbedeckten Kontinent einen nackten Granitfelsen sichteten, galt das als besondere Entdeckung. Sie liessen sich sogar mit dem Felsen fotografieren. Heute löst die kahle Felslandschaft der Südlichen Shetlands bei einer meiner Mitreisenden nur mässige Begeisterung aus. 'Ich werde hier keine Fotos machen', erklärt sie. 'Die kann ich denen zu Hause doch nicht zeigen. Die erwarten nur Schnee und Eis.'"

Dann erfolgt wiederum ein Abstecher in die Vergangenheit, zu den früheren Seefahrern Johann Reinhold Forster und James Cook. Frühere Entdeckungsreisen und die heutige von de Kluyver  abwechselnd zu präsentieren ist ein originelles und anregendes Konzept. Dazu kommt der sympathische Humor des Autors, der immer wieder durchscheint. 

Laufend offenbart Niemandsland Unerwartetes, auch natürlich, weil man über vieles noch gar nie nachgedacht hat. Zugegeben, ich rede von mir, halte mich jedoch nicht für eine Ausnahme. "Es gibt keine grösseren Leseratten als Polreisende." So hatte etwa Ernest Shackleton, der Kommandant der Endurance, die am 27. Oktober 1915 unterging, The Rime of the Ancient Mariner von Samuel Taylor Coleridge mit dabei; in Nobu Shirases Gepäck fanden sich die ins Japanisch übersetzten Reiseberichte von Ernest Shackleton.

Niemandsland ist eine Ansammlung von  Faszinierendem, Aufschlussreichem und allerlei Kuriosem. So erfährt man etwa, dass es auf Antarktika insgesamt siebenunddreissig Niederlassungen gibt, in denen sich das ganze Jahr über Wissenschaftler aufhalten. Auch die Faraday-Station gehört dazu, welche die Briten 1996 für einen symbolischen Betrag von einem Pfund an die Ukrainer verkauften. "Innerhalb der Station herrscht ein osteuropäisches Wohnzimmerklima. Trotz der milden Aussentemperatur von vier Grad im Sommer steht der Thermostat auf dreissig Grad."

Bei was auch immer der Mensch so treibt, gelten Gesetze, zumeist ungeschriebene. So erfährt man kaum jemals etwas über die Beziehungen innerhalb der Expeditionsgruppe. "Schon Roald Amundsen. Robert Falcon Scott und Ernest Shackleton wussten: Eine Expedition muss vor allem eine spannende Geschichte voller Entbehrungen und Erfolge liefern; damit konnte man Geld verdienen und neue Expeditionen finanzieren. Interne Streitigkeiten passen nicht in das Genre des abenteuerlichen Expeditionsberichts."

So recht eigentlich ist dies ein Buch der vielfältigsten Entdeckungen: Vom südlichsten Pub der Welt  zu Thaddeus Thaddewitsch Bellingshausens Forschungsfahrten im südlichen Eismeer 1819 - 1821, von Ursula K. Le Guins Sur (das Zitat aus diesem Buch lohnt allein die Lektüre von Niemandsland) zu Reflexionen über die Zeit und die Bedeutung des Menschen angesichts einer Landmasse, die seit Hunderten von Millionen Jahren existiert.

Barry Lopez hat einmal geschrieben, "Antarktika sei eigentlich eine Plattform, die im Weltraum über der Erde schwebe und den Planeten unter ihr im Auge behalte." Wie passend also, dass Niemandsland mit den Erfahrungen der Astronauten von Apollo 17 endet.

Niemandsland, ein sehr ansprechend gestalteter, hochformatiger Band, mit vielen überaus hilfreichen Karten und zahlreichen eindrucksvollen Schwarz/Weiss Fotografien, ist ein überaus inspirierendes Werk, das die eigene Entdeckerfreude anregt.

Adwin de Kluyver
Niemandsland
Eine antarktische Entdeckungsreise
mare, Hamburg 2024

Sunday, 27 October 2024

Das vergessene Schtetl

Bereits bei den ersten Seiten muss ich dauernd loslachen, ob dem Witz, der Ironie und der Scharfsinnigkeit dieses Textes. Schon der erste Satz, "Auch in einer unbeschwerten, friedlichen Stadt wie der unseren ist es möglich, jemanden zu finden, dem man nie wieder begegnen will", tut, was erste Sätze, so sie denn gelungen sind, tun sollen: man will sofort wissen wie es weitergeht. Und natürlich lernt man dann sehr schnell, dass es mit der unbeschwerten friedlichen Stadt so weit her nun auch nicht ist, denn in Kreskol, im polnischen Urwald, sind die Sitten auch nicht anders als in anderen Städten, wo Neid und Geiz herrschen.

Pescha Rosenthal, Ismael Lindauer und Jankel Lewinkopf sind verschwunden. Als eines Tages ein eiserner Streitwagen am Himmel auftauchte, an Bord ein Goi und Jankel Lewinkopf, der heraussprang und dem Rabbi eröffnete. "Dieser Mann ist nicht der Messias. Das Ende der Tage ist bereits gekommen und wieder gegangen. Wir haben es verpasst.", weiss der Leser (ob Mann oder Frau), dass es sich bei Das vergessene Schtetl um einen aberwitzigen und an Überraschungen reichen Roman handelt, der, das gehört unverzüglich nachgeschoben, gleichzeitig höchst realistisch ist, denn nur in der grandiosesten Überzeichnung lässt sich das Gebaren der Menschen so in etwa fassen.

Doch von Anfang an:
Jankel Lewinkof, der Sohn von Deborah, "in einem Grab ausserhalb der Stadt beigesetzt, wo die Bastarde, Huren und Diebe von Kreskol begraben wurden", wächst bei Verwandten auf, wo er sich dauernd versucht, nützlich zu machen. "Dennoch war Jankel nicht gerade beliebt. Die Menschen in Kreskol waren nicht kultiviert genug, um ihr angeborenes Misstrauen gegenüber einem Mamser zu überwinden. Und doch hatte er sich einen Platz in unserer Stadt erarbeitet. Er wurde nicht völlig akzeptiert, aber er wurde auch nicht verachtet."

Eines Tages wird Jankel von Rabbi Katznelson aufgefordert, sich auf die Suche nach Pescha Rosenthal und Ismael Lindauer zu machen. Da Jankel noch nie aus dem vollkommen abgeschotteten Kreskol herausgekommen ist, führt dies zu seiner ersten Begegnung mit der Zivilisation, und zwar in Gestalt der Stadt Smolskie, über die er sich einerseits ohne Unterlass wundert, auf die er andererseits jedoch so gelassen reagiert, wie es seinem Temperament (er nahm einfach an, was ihm zustiess.) entspricht.

Er wird von einem Auto angefahren, landet im Spital, dann in der Psychiatrie. Die  Ärzte versuchen erfolglos aus ihm schlau zu werden, weisen ihn darauf hin, dass es einen Ort namens Kreskol nicht gebe, prüfen sein Wissen über die Zeitgeschichte. Der derzeitige republikanische Bewerber für die Präsidentschaft der USA würde sich wohl nicht schlecht wundern, dass Jankel noch nie von ihm gehört hatte!

Die Psychiater recherchieren über Kreskol im Internet, doch da sie auf Google nicht fündig werden, sind sie sich gewiss, dass der Mann ein Psychotiker sein bzw. unter Wahnvorstellungen leiden muss. Nein, nein, erläutert ihnen der beigezogene Hypnotiseur. Das sind keine Wahnvorstellungen, er erzählt die Wahrheit, denn natürlich sei es möglich, dass Kreskol von den Nazis übersehen worden sei. Einige Ärzte wähnen sich dem Wahnsinn nahe.

Vom Telefon und noch vielem anderen, erfährt Jankel. Er ist begeistert. Doch sollte man ihn nicht auch über den Holocaust aufklären? Dr. Fischbein wird damit beauftragt. Als er geendet hat, sagt Jankel: "Ich will nicht respektlos sein, Dr. Fischbein, aber für wie dumm haltet ihr mich eigentlich?" Nein, das ist nicht das Ende der Geschichte, nur das Ende von Jankels Aufenthalt in der Psychiatrie, der aus Kostengründen (was wäre für unsere Zeit charakteristischer als die Diktatur der Kosten?) entlassen werden soll. Dann nimmt die Geschichte eine unverhoffte Wende ... .

  So recht eigentlich unternimmt Das vergessene Schtetl den Versuch, Juden, die nichts vom Zwanzigsten Jahrhundert mitgekriegt haben, zu erklären, was da alles vorgefallen ist. "Der Zweite Weltkrieg, der Kalte Krieg, die Gründung des Staates Israel, der Zusammenbruch des Sowjetimperiums; ein Mann auf dem Mond, die Ausrottung der Kinderlähmung, die Erfindung des Instant-Kaffeepulvers (auch wenn normaler Kaffee hierzulande sowieso ein unbekanntes Gut war.)." Was ist ihnen zumutbar, was nicht? Wie im richtigen Leben gehen die Meinungen weit auseinander. Das ist unterhaltsamste Aufklärung vom Feinsten, die auch überzeugend vermittelt, dass wir vom emotionalen Begreifen von so ziemlich allem weit entfernt sind.

Als die Politik in Warschau erfährt, dass es Kreskol wirklich gibt, wird die Stadt eingenommen. "... eine ganze Reihe Reporter, Fotografen und Kameraleute, die .(..) auf uns zustürmten, als wären sie Stiere, die einen Matador angreifen." Kein Wunder, sehen die Einheimischen dieser fremden Übernahme mit gemischten Gefühlen gegenüber. 

Kann es wirklich sein, dass die Nazis Kreskol übersehen haben (der renommierte Historiker Berlinsky hält dies für unmöglich), dass niemand in Kreskol von den Gräueltaten der Nazis gewusst hat (zumindest Leonid Spektor ist über Kreskol hinausgekommen und auch die Roma wissen einiges). Doch die Bewohner von Kreskol können und wollen diese Realität, die sie sich nicht vorstellen mögen, nicht wahrhaben.

Es ist eine überaus vielschichtige Geschichte, die dieser Roman erzählt. So landet Jankel in Warschau, wo er auf Pescha trifft und die beiden sich ineinander verlieben, fällt Kreskol in die Hände der Bürokraten, ruiniert die Ökonomie wieder einmal alles. Über allem hängt jedoch die Frage, ob dem Menschen die Wahrheit zumutbar ist. Eher nicht ...

Verfasst wurde dieses ungewöhnliche Lesevergnügen von Max Gross, Chefredakteur des Commercial Observer; die überaus gelungene Übersetzung stammt von Daniel Beskos, unter anderem Mitbegründer des Hamburger mairisch Verlags.

Fazit: Grossartig! Packend, reich an überraschenden Wendungen und sehr lustig.

Max Gross
Das vergessenen Schtetl
Roman
Katapult Verlag, Greifswald 2024

Wednesday, 23 October 2024

Tom Krebs: Fehldiagnose

Bereits auf den ersten Seiten von Fehldiagnose. Wie Ökonomen die Wirtschaft ruinieren und die Gesellschaft spalten wird mir klar, dass ich mir unter diesem Titel etwas gänzlich anderes vorgestellt habe als eine "Fundamentalkritik an der Ampelregierung". Vorgestellt habe ich mir etwas Fundamentaleres: Eine Kritik an der Idee des Wirtschaftswachstums sowie an dem Wahnsinn, dass wir sämtliche Gesellschaftsbereiche von Ökonomen dominieren lassen. Stattdessen plädiert Tom Krebs dafür, sich von der Märchenwelt der sich selbstregulierenden Märkte zu verabschieden "und das alte Marktdogma durch eine realistische Theorie von Wirtschaft und Gesellschaft zu ersetzen."

Es gelte, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und gleichzeitig eine positive Vision der Zukunft zu bieten, so Professor Krebs, der sich genau darum bemüht. Eines der Probleme besteht allerdings darin, dass der Mensch und seine Sorgen von der Politik noch nie ernst genommen worden sind. Auch ist alles andere als wahrscheinlich, dass sich das je ändern und es wohl bei Lippenbekenntnissen bleiben wird. Weil es weniger um die Ökonomie als um die menschliche Natur geht  und dieser ist Veränderung, auch die zum Guten, nicht wirklich geheuer. Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn ich mich täuschen würde.

Einleuchtend zeigt der Autor auf wie der Ukrainekrieg zu einer Energiekrise beispiellosen Ausmasses geführt hat. Erstaunlicherweise wurde diese jedoch von führenden Ökonomen nicht als solche wahrgenommen. Eine Fehldiagnose, meint Tom Krebs, dessen Argumente bestens nachvollziehbar sind.

Dass man dieselben Fakten sehr unterschiedlich interpretieren kann, ist nichts Neues. Dass die Interpretation immer auf einer Grundhaltung basiert, wird jedoch eher selten klar benannt. Professor Krebs gehört zu den Ausnahmen – er macht kein Geheimnis daraus, wo seine Präferenzen liegen: Nicht bei denen, die sich dem Wirtschaftsliberalismus verschrieben haben und sich stets gegen die Arbeitnehmerinteressen sowie die Besteuerung von Vermögen positionieren.

Wie so oft stehen sich auch in der Ökonomie zumeist unversöhnliche Grundhaltungen gegenüber, die dann nichtsdestotrotz recht erbittert diskutiert werden, doch, jedenfalls gemäss meiner Einschätzung, selten jemand umstimmen können. Das eindrücklichste Beispiel aus der jüngeren Zeit sind die Anhänger des gegenwärtigen republikanischen Präsidentschaftskandidaten in den USA, der eindeutig nicht alle Taschen im Schrank hat, was jedoch seine Anhänger nicht im mindesten zu beeinflussen scheint. Mit anderen Worten: Dieses Buch richtet sich an alle, die ernsthaft guten Willens sind, um sich sachlich auseinanderzusetzen.

Unter dem Titel "Neoliberale Nebelkerzen" kommt auch der gesetzliche Mindestlohn zur Sprache. Die Argumente dagegen sind nicht wirklich ernst zunehmen, so der Autor, denn nur die Arbeitgeberseite und die obere Mittelschicht profitieren von einer Ablehnung. Mir persönlich scheinen 15 Euro vollkommen lächerlich; dass jemand, der dagegen votiert, sich selber mit 15 Euro zufriedengeben würde, kann ich mir nicht vorstellen.

Am Rande: Studierte allgemein und Hochschulprofessoren im Besonderen (Tom Krebs unterrichtet an der Uni Mannheim) bedienen sich in der Regel einer Sprache, bei der man sich unweigerlich fragt: Wo leben die eigentlich? In Sachen 15 Euro gesetzlicher Mindestlohn liest sich das dann so: "Es passiert also sehr wenig, obgleich der aktuelle Zustand mehrheitlich als nicht gerecht empfunden wird. Dies deutet darauf hin, dass der demokratische Prozess in diesem Fall versagt." Auf Deutsch: Der aktuelle Zustand ist menschenverachtend; der demokratische Prozess ist ein Euphemismus für profitgetriebene Interessensdurchsetzung.

Wie eingangs angedeutet, mein Interesse an der Ampelregierung ist gering (auch natürlich, weil ich davon als Schweizer nicht direkt betroffen bin), was man jedoch gegen eine Kindergrundsicherung, mit der die Kinderarmut bekämpft werden soll, haben kann, entzieht sich mir. Die grundsätzliche FDP-Kritik stehe stellvertretend für die regelmässigen Angriffe auf den Sozialstaat aus dem liberal-konservativen Lager, erfahre ich. So weit, so klar, doch Autor Tom Krebs schreibt: "Es ist daher lohnenswert, einen genaueren Blick auf die Kritik von Christian Lindner an der Kindergrundsicherung zu werfen."

Warum das lohnenswert sein soll (ausser für Professoren, die damit ihr Brot verdienen) entzieht sich mir. Ich brauche nicht zu wissen, warum jemand gegen etwas ist, denn dass er dagegen ist, zeigt mir, wie er denkt. Mit anderen Worten: Das Denken zeigt sich im Handeln. Lindners Denken gehört nicht analysiert, sondern bekämpft ... doch das wäre dann vermutlich kein Buch.

Dass Fehldiagnose nichtsdestotrotz lohnt, ersieht man aus den Kapitelüberschriften, die auf den Punkt bringen, worum es dem Autor geht. Hier drei Beispiele: "Eine Märchenwelt uneingeschränkter Freiheit und effizienter Märkte"; "Klimafreundliches Verhalten fördern, nicht die vermeintlichen Klimasünder bestrafen"; "Abwarten ist keine Option". Tom Krebs plädiert für ökonomische Vernunft und soziale Gerechtigkeit. Was genau er darunter versteht, legt er in diesem Werk dar. Jetzt muss er nur noch gehört werden!

Tom Krebs
Fehldiagnose
Wie Ökonomen die Wirtschaft ruinieren und die Gesellschaft spalten
Westend, Neu-Isenburg 2024

Sunday, 20 October 2024

Nur die richtige Meinung ist frei

Gleich zu Beginn dieses Buchs zitiert die Autorin Niklas Luhmann. "Was wir über unserer Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien", und fragt sich dann, ob wir uns wirklich auf diese Medien verlassen können. "Ist das, was wir durch die Medien erfahren, tatsächlich die Wirklichkeit? Oder ist sie verzerrt, verformt oder gar verfälscht?" Nun ja, Luhmann hat die Frage zumindest teilweise beantwortet, als er meinte, dass wir zwar den Medien misstrauten, aber trotzdem unser Weltbild aus ihnen beziehen. Verzerrt, verformt und auch verfälscht natürlich, das wiederum sagt nicht Luhmann, das sage ich, denn die Medienleute sind genauso überfordert wie wir alle, wenn es darum geht, uns ein halbwegs akkurates Bild der Welt zu vermitteln, schliesslich wissen Journalisten, wie wir alle, nur selten Bescheid über ihre eigenen Voreingenommenheiten. Doch das wäre ein anderes Buch ...

 Deutsch gelernt hat Danhong Zhang in Peking, wo sie im Alter von zwölf verschiedene fremdartige Sprachen nachplappern musste und dabei besonderen Gefallen fand "an einer etwas metallischen und sehr rhythmischen Sprache", die sich als Deutsch herausstellte. Schon interessant, wie Deutsch in chinesischen Ohren klingt!

Sie landet bei der Deutschen Welle in Köln, erlebt zuerst alles ganz positiv, wundert sich aber, wie  grosszügig man da mit Steuergeldern umgeht. Darüber wundern sich auch viele Deutsche. Auch trifft sie als Chinesin in Deutschland auf Vorurteile, was allerdings wenig bemerkenswert ist, denn die Menschen sind nun einmal von Vorstellungen, ungeprüften Meinungen und Bildern im Kopf geleitet, auf der ganzen Welt.

Mit der Zeit stört sie sich über das Bild, das die deutschen Medien von China zeichnen. Als sie 2006 selber in Peking ist, "fand ich ein völlig anderes Land vor als das in dem Bild, das die deutschen Medien gezeichnet hatten." Das ist wenig verwunderlich, denn die Vorstellung, dass die Medien imstande sein könnten, die Realität abzubilden, ist schlicht absurd. Wer mit einer solchen Erwartungshaltung durch die Welt geht, versteht nicht, wie die Medien funktionieren.

Die Medien haben ganz unterschiedliche Aufgaben. Die meisten von ihnen kommen in der Journalistenausbildung bestenfalls am Rande vor. Unterhaltung, Ablenkung, die Herstellung von gesellschaftlicher Stabilität. Vor allem aber müssen sie profitabel sein. 

In sogenannten Demokratien herrscht das Geld und nicht das Volk. Doch die Meinungsäusserungsfreiheit ist gewährleistet. In der Praxis heisst das: Man darf zwar sagen, was man denkt, wenn man aber von der Mehrheitsmeinung abweicht, hat das selbstverständlich Konsequenzen. Wer das anders sieht, hat nicht begriffen, wie der Mensch tickt. Dieser sucht nämlich nicht die Wahrheit, sondern Sicherheit. Überall auf der Welt.

"Für alle negativen Entwicklungen konnte ein Zusammenhang zum fernen China hergestellt werden, das war zumindest mein Eindruck." Das ist zweifellos so, allerdings liesse sich das genauso gut über die USA, Russland oder Israel sagen. Den deutschen Medien vorzuwerfen, dass sie im richtigen Leben weit hinter ihren Idealen zurückbleiben. ist hingegen wohlfeil, denn diese Diskrepanz ist normal. Ist sie auch gut? Natürlich nicht. Und genau deswegen lohnt sich auch dieses Buch, das, wie der Untertitel sagt, Erfahrungen einer Journalistin beschreibt.

Danhong Zhang macht in Deutschland die Erfahrung, die Menschen in fremden Ländern oft machen. Für alles, was in China geschieht, wird sie persönlich verantwortlich gemacht. Schlimm ist das besonders für ihre Tochter. Da ich selber viele Jahre in mir fremden Ländern zugebracht habe, kann ich das bestens nachvollziehen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals auf jemanden getroffen zu sein, dessen Bild der Schweiz mit meinem auch nur in etwa vergleichbar gewesen wäre.

Der Hauptteil von Nur die richtige Meinung ist frei handelt jedoch von der Causa Zhang, die ein Lehrstück über die Durchsetzung von Machtinteressen ist. Falun Gong, eine Bewegung, die von der chinesischen Regierung bekämpft wird, bemüht sich um die Berichterstattung über eine Falun Gong-Veranstaltung, wird aber von Frau Zhang bei der Deutschen Welle abgewiesen. Was dann geschieht, ist ein detaillierter und höchst aufschlussreicher Bericht über den Kampf der Interessen, hat allerdings wenig mit Meinungsfreiheit und viel mit unserer Wettbewerbswelt zu tun, in der Rückgrat zu zeigen ausgesprochen selten ist.     

"Denn den gängigen Stereotypen hatte ich den Kampf angesagt", schreibt sie einmal. Damit nimmt sie für sich in Anspruch, die Dinge vorurteilsfreier zu beurteilen als die Mainstream Medien. Als sie dann aber fragt: "Und ist da überhaupt noch ein Moderator, den man nicht links einordnen würde?", denkt es so in mir: Wenn das nicht ein gängiges Stereotyp ist, was dann? Und: Wie rechts muss man eigentlich sein, um deutsche Fernsehmoderatoren als links zu begreifen?

PS: "Nichts darf ansatzweise so gedeutet werden, dass Putin rationale Gründe haben könnte, einen Krieg (mit der Ukraine) vom Zaum zu brechen", macht klar, dass es in diesem Buch nur vordergründig um Meinungsfreiheit geht. Wer mehr als zwei Jahre nach dem russischen Angriff, dessen Brutalität für alle, die wollen, zu sehen ist, solches zu Papier bringt, betreibt nichts anderes als Propaganda. Das wird den chinesischen Machthabern, die an Russlands Seite stehen, bestimmt gefallen. Und nicht zuletzt: Was Menschen denken, zeigt sich nicht in dem, was sie sagen, sondern in dem, was sie tun. Danhong Zhang lebt seit 2019 wieder in China.
                  
Danhong Zhang
Nur die richtige Meinung ist frei
Erfahrungsbericht einer Journalistin
Fiftyfifty Verlag, Köln 2024

Wednesday, 16 October 2024

Born to Sing

Das erste Gespräch in diesem Band stammt aus dem Jahr 1975, das letzte aus dem Jahr 2016. "Ich bin, glaube ich, ein Typ, der alles, was er hört, irgendwie in sich aufnimmt. Ich suche nicht gross rum, ich suche nicht nach bestimmten Sachen", so Springsteen 1975. Und: Er sei ein Songwriter, kein Dichter, er schreibe Song-Texte. Das Komponieren habe er nicht gelernt. "So was lernt man nicht. Ich weiss nicht – lernen ... Ich glaube nicht ans Lernen. (Lacht.)." Unprätentiös, direkt, klar. Keine Bedeutungshuberei mittels Worten.

Ein unglaublicher Drive, eine intensive Präsenz, ein elektrisierender Beat – so habe ich seine Musik immer erfahren. Von Rosalita und Born to Run konnte ich einst nicht genug kriegen. Das war das Leben, das vibrierte und mich packte, ganz im Gegensatz zu meinem damaligen Jurastudium. Dieser Sound stand für eine andere, aufregende Realität; er repräsentierte ein einzigartiges Aufbruchsgefühl, das dann leider vom Kapitalismus aufgesaugt und vermarktet wurde.

Insgesamt sieben Gespräche umfasst dieser Band. Das für mich eindrücklichste fand 1975 statt, "mit einem schwedischen Interviewer", wie es heisst. Springsteen ist zu der Zeit gerade mal 26 Jahre alt, weiss genau, wer er ist, was ihn ausmacht und was er will. Das ist selten in diesem Alter (jedenfalls meiner Erfahrung nach). Ob er Pessimist sei? "Finde ich eigentlich nicht, ich halte mich für ziemlich optimistisch. Es gibt nur einfach keine richtigen Lösungen. Es gibt jede Menge falscher Antworten und falscher Lösungen, aber richtige gibt es nicht. Deshalb sind die Songs auch so lang. Sie haben keinen Anfang und kein Ende, denn so ist das Leben. Es gibt nur den Alltag, Momente. Ereignisse. Eben nicht: Und dann ist er gestorben. So was gibt es bei mir nicht. Es geht immer weiter. Es geht weiter und weiter und weiter. Die Songs sollen alle einfach ausklingen – im Grunde sollten sie gar nicht aufhören."

Besonders spannend an diesem Gespräch ist, dass es wirklich ein Gespräch ist und nicht die zumeist uninspirierte Abfragerei, die Interviews häufig kennzeichnet (Wie haben sie sich damals gefühlt?). So schildert der Fragesteller ausführlich, was ein Konzert in einem Club, bei ihm auslöste und was er im Publikum beobachtete. "Im Troubadour wirkte es, als kämpfte der Künstler mit seiner Kunst; bei anderen Konzerten scheint der Künstler seine Kunst zu performen." Worauf Springsteen erwidert: "Ja, das trifft es. Das ist der Unterschied. Im Troubadour war es wirklich ein Kampf, durch den Set zu kommen."

Dieses erste Gespräch ist für mich das ergiebigste dieser aufschlussreichen Gespräche, da es von der Art von Intensität geprägt ist, die Springsteen als Person ausmacht. Von seinem katholischen Aufwachsen ist da die Rede, von dem Sich-Beweisen-Müssen. Bei dieser Auseinandersetzung mit existenziellen Lebensfragen findet ein wirklicher Austausch statt. Beeindruckend und hilfreich.

Springsteen verfügt über Überzeugungen, die man heutzutage selten antrifft. Doch auch damals, als es mit seiner Band anfing, war das selten, dass jemand nicht tat, was von ihm erwartet wurde, sondern ganz einfach sein Ding machen wollte, gut machen wollte. So eigensinnig er auch war, nur bei dem, was ihm wichtig war, ging er keine Kompromisse ein. "Als ich noch jobbte, habe ich das Haus grün gestrichen, wenn jemand es grün haben wollte. Aber wenn ich Musik mache, will ich es auf meine Art machen, und zwar voll und ganz. Oder ich lasse es bleiben."

In einem Gespräch aus dem Jahre 1992, gesteht er, dass wenn er auf der Bühne stand, es ihm schwer fiel aufzuhören, weshalb auch die Konzerte so lange dauerten. "Ich konnte schlicht nicht aufhören, bis ich erschöpft war, und zwar völlig." So geht Sucht. Er macht eine Therapie und erkennt: "Man muss sich dem öffnen, wer man eigentlich ist, und ich war ganz sicher nicht der Mensch, für den ich mich gehalten hatte."

Springsteen, so lerne ich unter anderem, erkennt sich auch in Ralph Ellisons Roman Der unsichtbare Mann, der bei mir schon lange ungelesen im Regal steht und ich jetzt unverzüglich zur Hand nehme, denn "Ellisons Held greift nicht aktiv in die Welt ein. Er möchte, dass sich die Dinge ändern, aber er ist in erster Linie Zeuge, Zeuge von sehr viel Blindheit." Diese Gespräche geben Gegensteuer und werfen Licht auf unsere Art und Weise zu leben.

Bruce Springsteen
Born to Sing
Ein Leben in Gesprächen
Kampa, Zürich 2024

Sunday, 13 October 2024

Wie ich die Fotografie entdeckte - und was sie mich gelehrt hat

Als Hans Durrer sich mit der Fotografie zu beschäftigen begann, galt seine Neugier zunächst der Presse- und Dokumentarfotografie, der Kombination von Text und Bild. Es war das Storytelling, die Geschichten hinter dem Bild, das ihn faszinierte. Und dass Worte imstande waren, Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Mit der Zeit fing er an zu verstehen, dass das, was man über ein Bild sagte, vor allem eine Aussage über sich selber, und nicht über das Bild war – und sein Fokus änderte sich: allein die Oberfläche, die Ästhetik, die Komposition eines Bildes zählten fortan für ihn.

Wie alle, so glaubte auch Hans Durrer, dass alles seinen Grund haben müsse. Seine eigene Suche nach Gründen hat ihn allerdings seltsam unbefriedigt gelassen, da sich hinter jedem Grund mit Sicherheit bereits ein weiterer versteckte. Auch dass jede Ursache Anlass für ganz Gegensätzliches sein konnte – was für den einen der Auslöser war, mit dem Bergsteigen aufzuhören, mochte für eine andere geradezu ideal sein, damit anzufangen – , liess ihn zunehmend ratlos zurück.

Der Sinn von Allem lag nicht in der Tiefe, er lag auf der Hand. Er musste nicht gefunden, er musste erkannt werden, dachte es in ihm. Dabei half das Fotografieren, das den Fluss der Zeit zum Stillstand brachte sowie das Aufzeichnen von dem, was ihm auffiel, was er antraf, ihm begegnete und durch den Kopf ging – die Wirklichkeit schien dadurch wirklicher zu werden.

Hans Durrer

Wie ich die Fotografie entdeckte - und was sie mich gelehrt hat
Essays
neobooks, Berlin 2024

Wednesday, 9 October 2024

Die Geschichte der Erde. Ein Atlas

Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist eine wahre Freude, dieser höchst beeindruckend gestaltete Band. Unvermittelt geht einem der Begriff Buchkunst durch den Kopf – und das ist selten genug. Natürlich fragt man sich auch, woher der Mensch das eigentlich wissen kann, was er in diesem Werk so alles antrifft. Etwa, dass seit dem Urknall (vorausgesetzt, den hat es auch wirklich gegeben!) 13.8 Milliarden Jahre vergangen sein sollen. Zur Zeit geht man davon aus, dass das Universum vermutlich aus 2000 Milliarden Galaxien besteht, darunter die Milchstrasse, die 100 bis 400 Milliarden Sterne enthalten soll. Zugegeben, meinen Horizont übersteigt dies bei weitem, und ob es etwas anderes ist, als ein Ausdruck unserer Art zu denken, weiss ich auch nicht, doch faszinierend und anregend ist es ohne Frage. 

Mich begeistert dieses Werk geradezu. Das hat viel mit der Bandbreite der Themen zu tun, die auf diesen Seiten beleuchtet werden. Das geht von der Solarenergie zum inneren Aufbau der Erde, von historischen Vulkanausbrüchen zur Erdatmosphäre, vom Kreationismus und Evolutionismus zur Geschichte der Urgeschichte. Ich habe diese Themen ganz willkürlich ausgewählt; überhaupt gehe ich  dieses Werk ganz unsystematisch an: Man kann es irgendwo aufschlagen und wird garantiert gepackt.

Hängengeblieben bin ich zum Beispiel bei den tropischen Wirbelstürmen, die je nach Weltlage als Hurrikane, Taifune oder Zyklone bezeichnet werden und meist in der Nähe des Äquators ihren Anfang nehmen. "Damit ein tropischer Wirbelsturm entstehen kann, muss die Wassertemperatur bis in eine Tiefe von mindestens 50 Metern über 26° betragen. Die warme, feuchte Luft steigt in die Höhe und kondensiert zu Wolken. Während sich die Luft abkühlt, setzt sie Wärme frei, was zu starken Winden führt, die wiederum über die warme Meeresoberfläche wehen, wodurch sich das Phänomen weiter verstärkt." In jüngerer Zeit forderten einige Taifune mehr als 100 000 Tote: 1995 Mina in China, 1991 Gorky in Bangladesch, 2008 Nargis in Myanmar.

Eine weitere Doppelseite ist mit "Die Vielfalt der Sprachen im 15. Jahrhundert" überschrieben und zeigt wie die Herrschaftsgebiete die Sprachräume prägen. In der Folge führte die geopolitische Zersplitterung zu einer Ausdifferenzierung der Sprachen. "Besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen dort, wo die Populationen stark abgeschottet leben, wie etwa auf Inseln. Auf den Philippinen gibt es siebzig verschiedene Sprachen, auf dem indonesischen Archipel über zweihundert und auf Neuguinea, Melanesien und Polynesien sogar mehrere tausend." Nicht zum ersten Mal frage ich mich, woher man das eigentlich wissen kann.

Die Fülle der Informationen, die hier ausgebreitet wird, lässt mich ständig staunen, nicht zuletzt darüber, was ich alles nicht weiss bzw. mir neu ist. Schon erstaunlich, worüber man alles noch gar nie nachgedacht hat. Klar doch, ich spreche von mir, doch ich gehe nicht davon aus, dass ich eine Ausnahme bin, auch wenn bekanntlich jeder Mensch ein Universum für sich darstellt. So habe ich etwa noch nie über die strategische Bedeutung der Meere nachgedacht. Auch habe ich Epidemien bislang nie als hygienische Herausforderungen wahrgenommen. Die Tatsache, dass mittlerweile weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land leben, hat mich hingegen immer mal wieder beschäftigt, allerdings unter ganz anderen als den hier aufgeführten Gründen.

Die Geschichte der Welt. Ein Atlas ist vor allem ein Dokument der Vielfalt, für die auch kennzeichnend ist, dass der Mensch nicht wenig Mühe hat, damit klarzukommen. "Die Rassentheorien wurzeln in alten Vorurteilen und in dem Versuch, die menschliche Vielfalt zu erklären." Unter dem Titel "Grosse Wanderer" erfahre ich etwa, dass Schmetterlinge zum Überwintern von Kanada nach Mexiko fliegen. Von den Säugetieren (darunter die Menschen und die domestizierten Tiere) wird mir gesagt, dass sie nur eine Minderheit unter den Lebewesen ausmachen. Und und und ...

Dieser Atlas steckt nicht zuletzt voller Überraschungen. "Die Menschen konsumieren schon Alkohol, als sie vom Vorgang der Gärung noch kaum etwas verstehen." Archäologisch nachgewiesen wurde die Herstellung von Alkohol um 11 000 vor unserer Zeit. Oft gibt es eine Verbindung zum sakralen, auch dient er zur Behandlung von Schmerzen und Infektionen, doch natürlich macht er, im Übermass konsumiert, auch krank.

Die Geschichte der Welt. Ein Atlas ist chronologisch aufgebaut, startet mit "Vom Urknall zum Planeten Erde" und endet mit "Der überlastete Planet". Die ganz unterschiedlichen Themenbereiche werden jeweils auf Doppelseiten erläutert. Die meisten Doppelseiten haben einen weissen Hintergrund, doch gibt es auch solche mit einem schwarzen Hintergrund, auf denen historische Augenblicke der Wissenschaften wie etwa die Sintflut oder das Anthropozän vorgestellt werden.

Fazit: Eine bereichernde, hilfreiche und nötige Horizonterweiterung vom Feinsten

Christian Grataloup
Die Geschichte der Erde
Ein Atlas
C.H. Beck, München 2024

Wednesday, 2 October 2024

On truth and lies

 “Former White House press secretary Scott McClellan blames President Bush and Vice President Dick Cheney for efforts to mislead the public about the role of White House aides in leaking the identity of a CIA operative”, reported the Associated Press on November 21, 2007.

Referring to the 2003 news conference in which he told reporters that Karl Rove and I. Lewis "Scooter" Libby were "not involved" in the leak involving CIA-operative Valerie Plame, McClellan writes in his forthcoming book: "There was one problem. It was not true. I had unknowingly passed along false information. And five of the highest-ranking officials in the administration were involved in my doing so: Rove, Libby, the vice president, the president's chief of staff and the president himself."

Not exactly a surprise, one would think. I mean, who expects press secretaries to tell the truth anyway? To put it mildly: they are paid to make their government look good, they are not paid to tell the truth. As Jerzy Urban, the Polish government spokesperson in the early-1990s, when asked at a briefing by a journalist if he was telling the truth, replied: “Is this the first time you’ve ever been to a press conference?”

Official reactions to McClellan’s coming out were predictable. White House press secretary Dana Perino said it wasn't clear what McClellan meant. "The president has not and would not ask his spokespeople to pass on false information," she said. Democratic Sen. Charles Schumer of New York said: "Just when you think the credibility of this White House can't get any lower, another shoe drops. If the Bush administration won't even tell the truth to its official spokesman, how can the American people expect to be told the truth either?"

How can anyone even listen to these pretensions? I wonder. And above all: Since when do telling the truth and politics have anything in common? As Konrad Adenauer, the first German Chancellor after WWII, commented on his possible successor Ludwig Erhard: “He’s totally unfit to be chancellor, he believes what the says.”

However, truth is clearly an issue in politics. And an important one at that. For the politicians (who must at least appear truthful) and for the interested electorate (for those of the electorate, for example, who make the effort to comment on articles like the one about McClellan on the internet).

The ones who shared their thoughts on the Scott McClellan book that blames Bush’s and Cheney’s “misstatements” about the Valerie Plame leak on the Los Angeles Times website took not only issue with the lies but also with the fact that this story did not make headlines, that it did not get published on the front page but that it was buried inside the paper.

How come this story was not displayed more prominently? Well, that the Bush government is not exactly the most honest in the world is hardly news – for nobody (and that includes journalists). Yet the public, should the comments on the Los Angeles Times website be an indicator, seems to have other priorities than news – truth and lies, for instance. Angry writers “demand accountability from Bush”, speak of “treason” and of “impeachment”. This is nothing new? No, it isn’t. It is however what is on people’s minds. For the longing for truth is part of the human condition. We do not want to be lied to.

I’ve always wondered why journalists would attend press briefings. I mean, are there really men and woman who are interested in official versions of whatever? Obviously some are, but do not confuse this with journalism. Press briefings, as we all know, are about making people nominally in charge look good. In other words, press secretaries routinely lie, that is their job. But don’t get me wrong: most of the time they do of course tell the truth. For only that allows that the lies will go undetected.

A press secretary who claims to have been misled is a bit of a joke, isn’t it? Hurt pride, maybe? For isn’t to mislead part of his job? Moreover, if always telling the truth were so important in his press briefings, shouldn’t McClellan be rather thankful for not having had to consciously lie on this occasion?

Dan Ariely, a behavioral economist at the Massachusetts Institute of Technology and the author of “Predictably Irrational: The Hidden Forces that Shape Our Decisions,” opines (according to The New York Times) “… that good people can be dishonest up to the level where conscience kicks in. That essentially you can fool the conscience a little bit and make small transgressions without waking it up. It all goes under the radar because you are not paying that much attention.”

Is this what happened to Scott McClellan? Did he all of a sudden pay attention to things he never before paid attention to? Possible but improbable, I’d say. And I do not even feel like speculating for people who go for a career as press secretaries for a government, and especially as press secretary for the present US-government, do clearly have other priorities than honesty.

Hans Durrer, 2007