Wednesday, 30 March 2022

Photographs and Age



Copyright@Blazenka Kostolna

Photographs are said to make you see time. When looking at these pics I only know that they were taken on 26 November 2021 at Zurich Airport, what I feel however is as if I were still there, as if no time has passed since. I guess it's to do with the fact that I cannot feel the past, I can only feel the present. And, that the present is all there is. Past and future, it seems to me, are merely illusions. Quite persistent ones, I readily admit.

Yet photographs do not only confirm that something has been, they also confirm what we know but do not feel. Differently put: I can see on these pics that I have aged, that I look as old as "my" 68 years, and that my feelings (that suggest that I'm still in my youth) are fooling me. Just look and see, Alan Watts once penned. Right!

Wednesday, 23 March 2022

Wie wir die Welt sehen

Der Untertitel "Was negative Nachrichten mit unserem Denken machen und wie wir uns davon befreien" löst bei mir einen Reflex aus, der sich so äussert: Furchtbar diese Leute, die die Welt unbedingt positiv sehen wollen! Natürlich ist die Welt negativ zu sehen genau so wenig eine Alternative, doch wie wäre es, sie einfach so zu sehen, wie sie ist?  Also höchst komplex und alles andere als eindeutig.

Doch zum Buch, dessen Autorin fast zwei Jahre als Reporterin in Kabul gelebt hat und, so der Klappentext, als Journalistin mehrfach ausgezeichnet wurde, was für mich gleichbedeutend ist mit angepasst und mehrheitsfähig. "Dieses Buch handelt nicht von mir. Es handelt davon, was ich in den letzten Jahren gelernt habe, was Nachrichten mit uns machen. Mit uns, unserem Denken, unserer Wahrnehmung und unserem Leben." Schon ziemlich vollmundig, nicht nur für sich, sondern für die ganze Welt sprechen zu wollen; andererseits, so verschieden voneinander sind wir ja nun auch nicht, gut möglich also, dass, was für sie gilt, auch für andere gelten mag.

Prägend für uns Menschen ist, dass wir uns Geschichten erzählen. Ronja von Wurmb-Seidel interessiert sich für Geschichten, die Mut machen. "Ich wollte zeigen, dass es für jeden Missstand einen  Ausweg gibt." Ich selber halte zwar einen solchen Ansatz für entschieden unter-komplex (was der eine als Missstand bezeichnet, ist für die andere die natürliche Ordnung), doch wer erfahren hat (wie zahlreiche Studien zeigen), dass der dauerhafte Konsum von negativen Nachrichten Angst auslöst, sehnt sich vermutlich nach "Positivem".

Wir erzählen uns die falschen Geschichten, wir sollten unser Augenmerk nicht nur auf die Probleme, sondern auch auf deren Lösung legen, meint die Autorin. Und hat eindeutig Recht damit, auch wenn sie die Fähigkeiten der Geschichtenerzähler möglicherweise etwas überschätzt, denn kritisieren ist nun einmal einfacher als Lösungen aufzuzeigen. "Wer aufzeigt, dass ein als unlösbar geltendes Problem lösbar ist, übt Druck auf Regierung und Opposition – und hinterfragt so die Machtverhältnisse, zitiert sie die Psychologin Jodie Jackson. Nur eben: Ein Blick auf die Wirklichkeit zeigt, dass nichts grösseren Widerstand hervorruft als das Hinterfragen der herrschenden Verhältnisse und darin liegt der Grund, dass solche Geschichten ein recht kümmerliches Dasein fristen.

 Der Mythenforscher Joseph Campbell hat darauf hingewiesen, dass Heldenerzählungen in allen Kulturen nach demselben Muster ablaufen. Held oder Heldin müssen Heim und Hof verlassen, sich in der feindlichen Fremde bewähren und kommen dann als neues Ich wieder zurück. Damit wird eine Glorifizierung des Individuums betrieben, die in die Irre führt. Ronja von Wurmb-Seidel führt dazu ein ganz tolles Zitat von Rebecca Solnit an, das so beginnt: "Wir sind nicht gut darin, Geschichten darüber zu erzählen, wie hundert Leute gemeinsam etwas bewegen ...".

"Wie wir gelernt haben, uns hilflos zu fühlen – und wie wir es entlernen können" ist ein Kapitel überschrieben, das unter anderem sehr schön aufzeigt, wie man das Schuhe Binden nicht lernen sollte. Daraus jedoch abzuleiten, dass aus Fehlern zu lernen "die denkbar langsamste, mühsamste und ineffizienteste Art ist, uns neues Wissen anzueignen und neues Handeln zu trainieren", beruht auf der naiven Wunschvorstellung, Neues zu lernen müsse angenehm und leicht sein. Siehe auch hier.

Natürlich kann es bei Büchern in denen es von * nur so wimmelt, nicht ausbleiben, dass die Dominanz der Männer in den Geschichten zur Sprache kommt. "Die Realität, die ich in zwanzig Jahren und hunderten Männerbüchern aufgesogen hatte ... Frauen sind Nebenfiguren. Und sonst nichts." Zum Ausgleich zitiert Ronja von Wurmb-Seidel vor allem Frauen. Na ja ...

Doch zum Positiven: Stark ist dieses Buch für mich immer dann, wenn es persönlich wird, also von der Autorin selbst handelt. Etwa ihre Ausführungen zum Reisen: "Wenn ich reise, fühle ich deutlich, was sonst oft abstrakt bleibt: dass die Welt unterschiedlich ist an unterschiedlichen Orten und deshalb nie nur ausschliesslich schlecht ...". Oder was ihr zwei Männer von ihrer Pferdetherapie erzählt haben: "Entspannungsschnauben wie ein Pferd (ich mache das seither selbst, wenn ich angespannt bin ...").

Übrigens: Das Buch behauptet keineswegs, dass Nachrichten unwichtig oder ungesund sind, stattdessen will es aufzeigen, "was Nachrichten sind. Und was sie nicht sind: ein akkurates Abbild unserer Welt, unseres Kontinents, unseres Landes, unserer Nachbarschaft, oder auch nur eines einzelnen Tages darin." Und nicht zuletzt: Was mir Wie wir die Welt sehen verdienstvollerweise in Erinnerung ruft: Wir wählen ständig, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, weshalb denn auch eine Wahl, die auf Fakten gründet, uns zuträglicher ist als die Perpetuierung der Dinge, wie sie angeblich sind.

Ronja von Wurmb-Seibel
Wie wir die Welt sehen
Was negative Gedanken mir unserem Denken 
machen und wie wir uns davon befreien
Kösel, München 2022

Wednesday, 16 March 2022

Hinter Mauern / Behind Walls

Man kann in Bildern nur erkennen, was man kennt. Wüsste ich nicht, dass es sich bei den in diesem Band Abgebildeten um Psychiatriepatienten handelt, würde ich  das vermutlich auch gar nicht sehen. 

Ein Bild zeigt Frauen unterschiedlichen Alters um einen Tisch gruppiert, eine von ihnen hält ein Buch in der Hand und liest anscheinend vor.  Das Bild wurde offenbar in der kantonalen Irrenanstalt Waldau aufgenommen;  die Bildlegende lautet: "Waldau. Schizophrene liest anderen Kranken nach der Arbeit vor." Des Weiteren steht da: "Fotografin/Fotograf unbekannt, undatiert, Glasdiapositiv, 9x12cm PM K03-003." Mit diesen Informationen im Kopf sehe ich ein anderes Bild als ich ohne sie gesehen habe. Ich frage mich jetzt: Woher kann/will man wissen, dass es sich bei der Vorleserin um eine Schizophrene handelt, wenn man weder weiss, wer die Aufnahme und wann gemacht hat? 

Bei anderen Fotografien ist der Fotograf oder die Fotografin aufgeführt. Über Hermann Rorschach lese ich schmunzelnd: "Er ist kein besonders guter Fotograf, sollte aber ein weltbekannter Psychiater werden." Im Beitrag über "Dr. Marie von Ries-Imchanitzky als fotografierende und fotografierte Ärztin in der Klinik" erfahre ich unter anderem, dass gestellte Gruppenbilder, als "ein Genre, das nicht als besonders kunstreich gilt" bezeichnet wird. Wie kommt das? Gerade Gruppenbilder sind fotografisch eine Herausforderung, ist es doch viel schwieriger eine Gruppe als einen Einzelnen 'zu kontrollieren'. Doch wie auch immer: Mich berührten in diesem Band vor allem die Gruppenbilder, vielleicht auch, weil es da so viel Unterschiedliches zu sehen gibt.

Dieses zweisprachige Werk (Deutsch/Englisch) von Fotografien, die in psychiatrischen Einrichtungen  von 1880 bis 1935 aufgenommen wurden, begleitet die im Jahr 2022 stattfinden Ausstellungen der Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, des Kunstmuseums Thurgau, Kartause Ittingen sowie des Psychiatrie Museums Bern. Dass das Kunstmuseum Thurgau auf dem Umschlag als Herausgeberin ausgewiesen wird, hat mich etwas irritiert, denn mit Kunst bringe ich die Aufnahmen in diesem Band nicht in Verbindung, sondern ausschliesslich als Dokumente, die bezeugen, dass etwas einmal so gewesen ist wie es abgebildet wurde. Die Ausführungen von Sabine Münzenmaier in Sachen "Sammeln, Vermessen, Beschreiben und Dokumentieren" halten treffend fest: "Fotografien entstanden auf chemisch-physikalischem Weg, und gerade deshalb wurde ihnen ein hoher Grad an Glaubwürdigkeit zugewiesen." 

"Die Kamera giert nach dem Spektakulären, will attraktive Bilder liefern und stellt mit Vorliebe das in den Vordergrund, was auffällig ist, 'ins Auge fällt'", lese ich im Vorwort. Etwas unglücklich formuliert, wie ich finde, denn es sind die, welche die Kamera bedienen, die entscheiden, wie diese 'certificates of presence' (Barthes) aussehen sollen. Einzelporträts, Gruppenaufnahmen, Esszimmer, Anstaltsküche. Es handelt sich "um eine disparate Ansammlung von Aufnahmen mehrerer Fotografinnen und Fotografen, meist Psychiaterinnen und Psychiater, die sich den Umgang mit der Kamera autodidaktisch aneigneten."

Zudem: "Auf alle Fälle müssen Betrachterinnen und Betrachter sich bewusst sein, dass die von der Kamera festgehaltenen Wirklichkeiten Konstrukte sind, die die Aufmerksamkeit manipulieren und einer kritischen Überprüfung bedürfen." So richtig dies ist, mich befremdet die Wortwahl: So gesehen wäre jeder Entscheid, etwas zu fotografieren und etwas anderes nicht, eine Manipulation der Aufmerksamkeit.  Nur eben: to direct one's attention gehört zum Wesen der Fotografie und ist (jedenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch) nicht notwendigerweise eine Manipulation.

Unter dem Titel "Arbeit als Therapie" werden Fotos von Patienten als Dachdecker, beim Gemüserüsten oder beim Sonnen der Bettdecken (das für mich eigenartigste Bild in diesem Band) gezeigt. 

Pflegeanstalt Alt-Rheinau, «Anstalt Rheinau, beim Sonnen», 
Sonnen der Bettdecken am Rheinufer vor der Anstalt, um 1910, Glasdiapositiv © Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen

Der instruktive Text von Urs Germann macht deutlich, dass es bei diesen Aufnahmen auch darum ging, "dem Publikum nicht nur den nützlich-produktiven, sondern auch den therapeutischen Charakter der Heil- und Pflegeanstalten vor Augen zu führen. Dies mag aus heutiger Sicht erstaunen. Für die damalige Psychiatrie ging es aber auch darum, eine Differenz zu anderen Sozialeinrichtungen zu markieren, denen Insassinnen und Insassen (Zwangs-)Arbeit leisten mussten, insbesondere zu Zwangsarbeits- oder Strafanstalten."

Fazit: Erhellend und berührend.

Kunstmuseum Thurgau
Hinter Mauern  Behind Walls
Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen von 1880 bis 1935
Photography in Psychiatric Institutions from 1880 to 1935

Wednesday, 9 March 2022

Brauner Boden

Ich habe nie recht verstanden, was man unter Aufarbeitung der Vergangenheit eigentlich versteht. Und noch weniger, wie eine solche praktisch aussehen sollte. Gedenktage mit Politikerreden, Gesten wie Brandts Kniefall in Warschau habe ich immer als Inszenierungen für die Kameras wahrgenommen. Ich kann sie nicht wirklich ernst nehmen, da ihnen etwas theatralisches anhaftet. Mit anderen Worten: Ich war gespannt, was Brauner Boden mich lehren würde.

Keine Frage, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit tut Not. Natürlich sollen Taten und Täter benannt werden. Und natürlich auch die Täterinnen. Die eigene Schuld gehört anerkannt, eine ernst gemeinte Entschuldigung muss eine Selbstverständlichkeit sein, Wiedergutmachung ebenso. „Dabei geht es nicht allein um Personen, die sich durch eine besondere Regimetreue und aktive Mittäterschaft hervorgetan hätten; vielmehr bedeutet eine ehrliche Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte auch, die Spuren der aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden Profite nachzuzeichnen und ihre Auswirkung auf die gesellschaftlichen Strukturen der heutigen Zeit zu erläutern.“

Genau dies leistet dieses Buch, wobei der Fokus auf den oft ignorierten sozialen und wirtschaftlichen Ermöglichern und Profiteuren liegt. Es ist dies ein Ansatz, den man sich öfter wünschen würde, nicht nur im Zusammenhang mit NS-Verbrechen.

Am Beispiel des Familienunternehmens Henkel – beileibe kein Einzelfall – verweisen Zachary und Katharina F. Gallant hauptsächlich auf Arbeiten von Historikern, was naheliegend ist und gleichwohl irritiert, denn die Frage besteht nicht darin, wer und inwiefern zur Zusammenarbeit, Beihilfe und Unterstützung des NS-Regimes und seiner schlimmsten Verbrechen durch das Henkel-Unternehmen beigetragen hat, sondern wie es kommt, dass solche Unternehmen auch heute wieder im Geschäft sind. Eine echte, ernsthafte Konfrontation mit der Vergangenheit, so mein Eindruck, will niemand, auch die damaligen Sieger nicht. Denn dann müsste sich wirklich etwas fundamental verändern … und das erachten die wenigsten für wünschenswert.

Das hindert jedoch Zachary und Katharina F. Gallant nicht, genau dies zu fordern – zu Recht, wie ich finde. „Eine wirkliche Aufarbeitung verlangt eine Analyse des gesamten Systems, das Unrecht und Völkermord ermöglichte. Dieser Prozess ist weder in Unkel noch im übrigen Deutschland ausreichend vorangetrieben worden, solange Unternehmen, die von der Shoah profitiert haben, nicht zur Verantwortung gezogen werden.“

Am Beispiel der Kleinstadt Unkel machen sie deutlich, wie gedankenlos der Mensch durchs Leben geht. Da werden sowohl die Henkel-Familie als auch Willy Brandt geehrt – weniger aus Gründen der Toleranz als aus Denkfaulheit. Aber natürlich auch, weil die Forderungen, die Zachary und Katharina F. Gallant stellen – genaues Hinschauen, Aufrichtigkeit, Verantwortungsübernahme – , ohne Druck, massiven Druck, wohl kaum eine Chance haben, erfüllt zu werden. Moralische Appelle oder vernünftige Argumente werden mit Sicherheit nicht genügen.

Es sind Sätze wie diese, die deutlich machen, dass es mit Gedenktagen und Erinnerungskultur nicht getan ist. „Es wird erinnert und beteuert, die Shoah dürfe sich nicht wiederholen. Doch wird dabei das Judentum oftmals auf den Genozid reduziert. Jüdisches Leben – damals wie heute – kommt dagegen kaum zur Sprache. Zeugnisse jüdischen Lebens und eines Miteinander in Vielfalt schwinden zusehends. Investitionen werden dort getätigt, wo monetäre Gewinne locken, während (historisch) wertvolle Kulturdenkmäler abgerissen werden.“

Brauner Boden erläutert und analysiert den Status quo, anerkennt die Anstrengungen der Institutionen und politisch Verantwortlichen, mahnt jedoch, es nicht dabei zu belassen und macht konkrete Vorschläge, in welche Richtung es gehen sollte. „Deutschland ist einen weiten Weg gegangen im Umgang mit den eigenen Verbrechen der NS-Zeit. Von unseren Mäzeninnen und Mäzenen müssen wir dasselbe erwarten wie von unseren Regierungen.“ Wobei: Auch von den politisch Verantwortlichen erwarten Zachary und Katharina F. Gallant mehr: „Eine authentische Aufarbeitung muss gemeinsam von jüdischen und nicht-jüdischen Menschen durchgeführt werden – wohlgemerkt als Dialog in Andersartigkeit.“

Echte Aufarbeitung ist ein Prozess und bedeutet immer wieder von Neuem zu fragen, wie Auschwitz möglich war und wie es sein kann, dass die Ermöglicher und Profiteure der NS-Zeit nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Zu fragen und sich mit den Antworten nicht zufrieden zu geben, ist die Grundlage für die dringend nötige Empörung angesichts der nicht enden wollenden Ungerechtigkeiten.

Zachary und Katharina F. Gallant
Brauner Boden
Ein jüdischer Blick auf die deutsche Aufarbeitung der NS-Zeit
Westend, Frankfurt am Main 2022

Wednesday, 2 March 2022

The present is a present

The present is a present. It is rare that I'm aware of it. The times I've tried to change that and become more conscious of it were so many that I cannot count them. I've seemed to embark on new beginnings so often that I wonder why I haven't given up. I'm still wondering.

Postponement can get to be a disease, says a note pinned to my wall. I hardly ever look at it. And if I do,  the effect it has isn't actually lasting. Knowing doesn't help much, or so it seems. Might it be possible to redirect my attention and focus on the here and now? I guess I will definitely start next Monday ... 

This has been my approach for most of my life. And, it feels that it needs changing. My thinking needs changing, that is, for it tells me that there is a beginning and an end. The reality that I experience however is different – it simply is. My only task, therefore, is to simply be.