Wednesday, 28 June 2023

When looking at photographs of myself (1)




Copyright @ Blazenka Kostolna 2016

The photos were taken in Bern, the last one in front of a
 fountain on the Bundesplatz. As always, I remember little of this day. Consciously, that is. Some of the places that we visited. But what did Blazenka, who took the photographs, and I talk about? 

When we talk we are in the present, albeit unconciously since the act of speaking happens automatically. Could it be that we only remember what we consciously experience?

Wednesday, 21 June 2023

Stadtwerdung im Zeitraffer

Ob es die Zeit wirklich gibt, ist zumindest fraglich. Die Indianer Nordamerikas jedenfalls halten sie für eine Illusion, Schweizer Uhrenmacher hingegen haben darauf ein Geschäftsmodell gegründet und uns Alltagsmenschen ist sie selbstverständlich, auch wenn der Zeitbegriff variiert, Schweizer Zeit und, zum Beispiel, thailändische nicht unbedingt deckungsgleich sind. 

Zu den Eigenarten der Fotografie gehört es, dass sie imstande ist, die Zeit anzuhalten bzw. das Verstreichen der Zeit abzubilden. Fotografien bezeugen nicht nur, wie das, was aufgenommen worden ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgesehen hat, sondern auch, dass es existiert hat. Mit anderen Worten: Fotos sind visuelle Zeugnisse.

"Schlieren ist überall", lese ich in der Einleitung. "Schlieren ist kein Einzelfall, Vielmehr stehen die in diesem Buch gezeigten baulichen Entwicklungen und Veränderungen des stadträumlichen Gefüges stellvertretend für viele andere Gegenden der Schweiz." Ich habe keine Zweifel. dass dem so ist, auch wenn ich Bilder von Gegenden, die mir vertraut sind, anders betrachte als die von Gegenden, zu denen ich keinen persönlichen Bezug habe. Doch: Stadträumliches Gefüge?! 

Die Dokumentation erfolgte "durch klar definierte, regelmässig wiederholte Übersichtsaufnahmen an 63 Standorten und durch Aufnahmen von Einzelobjekten, die für Nutzung und Atmosphäre städtischer Räume charakteristisch sind. Damit steht die Langzeitbeobachtung in einer Tradition der künstlerischen Auseinandersetzung zum Umgang des Menschen mit Landschaften, Stadträumen und ihrer Veränderung mit den Mitteln der Fotografie, die in der europäischen und nordamerikanischen Fotografiegeschichte massgebliche Beiträge hervorgebracht hat." Langzeitbeobachtung als künstlerische Auseinandersetzung?! Meine Vorstellung von Fotografie und Kunst ist definitiv eine andere.

Nach dem ersten Durchblättern beginne ich in die Texte hineinzulesen, gebe aber recht schnell auf, da sie mich weder sprachlich noch inhaltlich ansprechen. Wobei: So pauschal gilt das nicht; ich erlebte auch immer mal wieder Momente des Innehaltens, sei es wegen eines Zwischentitels wie "Vom einfühlenden Sehen zum aufmerksamkeitsoffenen Erleben" (das sich allerdings nicht auf die Fotografien, sondern auf die Architektur der neuen, transformierten Räume bezieht), sei es wegen der Methode der "Rephotography", von der ich erfahre, dass es sich um das "'Wiederfotografieren' bestehender Aufnahmen unter möglichst identischen Bedingungen" handelt.

Doch zu den Bildern: Zeit mit diesem Aufnahmen zu verbringen erlebte ich als überaus faszinierend und der Titel Stadtwerdung im Zeitraffer bringt hervorragend auf den Punkt, was wir hier vor Augen haben: Eine Entwicklung, bei der man sich immer mal wieder fragen kann, ob sich dabei eigentlich jemand überhaupt etwas gedacht hat (abgesehen von ökonomischen Überlegungen natürlich). Ästhetische Vorstellungen sind mir jedenfalls nicht aufgefallen.

Fotografien sind nichts anderes als Trigger. Was sie und warum triggern ist etwas für Akademiker; mir ist allein wichtig, was sie bei mir auslösen. Stadtwerdung im Zeitraffer ist aufgeteilt in zwei Bände; der Band "Archiv, 69 Standorte" zeigt auf jeder Doppelseite fast immer acht, manchmal auch nur sechs Fotos eines Strassenabschnitts, von 2005 bis 2019. Darauf sieht man, wie sich dieser Abschnitt der Strasse im Laufe von 15 Jahren verändert hat. Einige sind praktisch gleich geblieben, andere gar nicht mehr zu erkennen. Das löst ganz Unterschiedliches bei mir aus, vor allem Staunen, dass ich da, je länger ich hinschaue, immer wieder Neues entdecke. Deutlich wird dabei auch, dass Veränderung der Normalzustand ist.

Band zwei zeigt die Entwicklung einiger Stadtteile sowie Quartiere und Strassenzüge, die sich von 2005 bis 2020 überhaupt nicht verändert haben. "Dies gilt sowohl für Gebiete, die hauptsächlich durch Landwirtschaft oder als Naherholungszonen genutzt werden, wie auch für einen Grossteil der bestehenden Wohnquartiere."

Obwohl mich weder Raumplanung noch Architektur gross interessieren, habe ich die Beschäftigung mit diesem Projekt bereichernd gefunden, wenn auch vermutlich kaum der Gründe wegen, die den Herausgebern, Autoren und Fotografen (weiblich wie männlich) wichtig waren. Mir war das Mich-Einlassen auf das Vergehen der Zeit zentral. Besonders anregend erlebte ich die Erfahrung, dass auch wenn sich visuell kaum etwas verändert, das Wissen um den Zeitablauf die Wahrnehmung trotzdem beeinflusst.

Da wir in Bildern das sehen, was wir zu ihnen bringen bzw. wir nur er-kennen können, was wir kennen, bin ich mir gewiss, dass Menschen mit einem Schlieremer Hintergrund dieses Werk auf eine Art und Weise zu schätzen imstande sind, die mir verwehrt ist.

Meret Wandeler, Ulrich Görlich, Caspar Schärer (Hg.)
Stadtwerdung im Zeitraffer
Die Fotografische Langzeitbeobachtung Schlieren 2005-2020 zeigt,
wie sich das Schweizer Mittelland entwickelt
Scheidegger & Spiess, Zürich 2023

Wednesday, 14 June 2023

What We See

What We See, curated by Daniella Zalcman & Sara Ickow, is a tome that offers women & nonbinary perspectives through the lens. This seems to imply that women & nonbinary photographers see the world differently. Ophtalmologists would very probably disagree. On the other hand, our vision of the world is informed by our upbringing, our education, the mood we're in, and so on. And also, of course, by our gender. This is my starting point. And then I realise that I'm wrong for this tome is about something different, it is about giving a voice to the ones who are still underrepresented in photojournalism despite having the potential to expand our world view.

Daniella Zalcman "launched Women Photograph in 2017, a hiring database of women and nonbinary photographers (...) Our longterm objective for the organization is simple: to become obsolete. If Women Photograph is successful in helping industry achieve true intersectional parity, then the advocacy work at the heart of our organization will no longer be necessary."

In only see what I know. Had I not been told that these photos were taken by women and nonbinary photographers, I would have not known it. Well, I had been told, so what do I see? Is it different from what men tend do see? No idea, really. Moreover, I'm not into questions of identity or gender or the like, neither am I really much concerned with the question who took a certain picture. Differently put: I'm almost exclusively interested in what photos do to me.

Let me start with one of my favourites in this tome; it is by Camille Seaman and I do find it simply breathtaking, both as a natural phenomenon and as a composition. She writes:"My aim as a photographer is to help introduce our planet to the viewer. To create greater empathy and compassion where perhaps there was no relationship before. To show something they may never have seen, or if they have to show it in a way that helps to trigger that spark of curiosity." Wonderful!

Copyright @ Camille Seaman / quarto

Photojournalism is what this tome is about. Pictures with words, that is. A picture should speak for itself, one often hears. To me, that is wishful thinking. Look at the two pics below and try to figure out what they show. I can assure you that reading the words (you will find them in the book!) that accompany these two photos will alter the way you see them.

Copyright @ Hannah Reyes Morales / quarto

Copyright @ Haruka Sakaguchi / quarto

Quite some of the pics that I feel drawn to I cannot show for they do not figure among the ones that the publisher chose for press releases. An extraordinary shot by Adriana Zehbrauskas from Brazil shows two young women in 2021 in Phoenix, Arizona, USA. "There was somethings about Aya, left, and Ashley, right, who came all the way from California to support Donald Trump, that drew my attention. Was it their defiant and fashionable pose as they held their guns? Aya's cigar and high heels? Ashley's leopard-print combar boots? I am not sure, but as that now historic day was ending and the light was turning blue, I knew that nothing would be the same." Looking at this photograph with Adriana's words in mind, I do sense exactly what she is telling me – that indeed something has changed.

What We See is excellent photojournalism. Here's another example that impressed me; it is by Gabriella N. Báez from Puerto Rico and depicts one of the summer 2019 protests against "government corruption, misuse of emergency funds and the disappearance of resources like bottled water, canned food and electic generators" after Hurricane María hit Puerto Rico in September 2017. Gabriella had a personal reason to be there: "Jorge G. Báez, my father, died by suicide in the aftermath of Hurricane María. Photographing and documenting this historic moment feltr like my way of contributing to the struggle of the justice on the island."

There are pics in What We See that radiate a magnetic aura – Natalie Naccache's photograph of attendees, who pose before a fashion show, for instance, or Kali Spitzer's portrait of Val Napoleon, an Indigenous woman from Saulteau First Nation –, others that made me wonder whether they were staged – an Eritrean wedding in Israel by Malin Fezehai –, and still others that made me smile such as the penguins jumping from an iceberg by Sarah Pabst or the birdwatchers by Clara Mokri.

Highly recommended for the ones willing to be curious.

Women Photograph
What We See
Women & nonbinary perspectives through the lens
Curated by Daniella Zalcman & Sara Ickow
White Lion Publishing, London UK 2023

Wednesday, 7 June 2023

Ljubljana und Slowenien

Als ich im September 2018 Ljubljana besuchte, wusste ich von Slowenien gerade einmal, dass Peter Handke einen Roman des slowenischen Autors Florian Lipus ins Deutsche übersetzt hatte. Und so suche ich im Inhaltsverzeichnis zuerst nach ihm, finde ich jedoch nichts, dafür stosse ich auf Peter Handkes Die Wiederholung. Mein zweiter Bezug zu Slowenien ist der Dirigent Carlos Kleiber (er war mit der slowenischen Tänzerin Stanislawa Brezovar verheiratet), dessen Grab in der Nähe von Litija liegt.

Ljubljana und Slowenien versammelt Kurzgeschichten, Gedichte sowie Auszüge aus Büchern, heisst im Untertitel "Eine literarische Einladung" und so stellte ich mir eine Sammlung von Texten vor, die von Ljubljana und Slowenien handeln bzw. dort spielen oder darauf Bezug nehmen. Bei einigen ist das auch tatsächlich der Fall, bei anderen jedoch nicht. Ich habe keine Ahnung, weshalb der Herausgeber diese Texte ausgewählt hat, erklärt wird es nicht.

Die Beiträge stammen von im Land Ansässigen wie auch von Besuchern. Wenig überraschend ist denn auch der Blick von aussen oftmals ein anderer, auch natürlich, weil es recht schwierig ist, über das zu schreiben, was man dauernd vor der Nase hat beziehungsweise riechen kann. So schreibt etwa Drago Jancar, über Ljubljana, die Stadt, in der er lebt: "Die Mülltonnen sind dermassen voll, dass ihr Inhalt auf den Bürgersteig quillt. Darüber hinaus riechen sie übel, besonders im Sommer. Der Gestank hindert die Menschen daran, über die Identität ihrer Stadt nachzudenken."

Gegliedert ist der Band in drei Teile: Slowenien, Ljubljana und Metaphern für Fragmente des Ganzen (was auch immer das heissen mag), ergänzt von Biografien und Quellen. Ich blättere hin und zurück, zum ersten Mal in einen Text reingezogen fühle ich mich bei Marusa Kreses "Weihnachten", vermutlich, weil sie grundsätzlich und praktisch unterwegs ist und mich das anspricht. "'Sie haben Weihnachten versäumt', sagt der slowenische Zöllner und winkt uns freundlich durch. Gott sei Dank, denke ich und überlege, ob der Zöllner wohl an die Weihnachtsansprache des Bischofs denkt, wenn er uns darauf aufmerksam macht, dass wir Weihnachten versäumt hätten. Hält der slowenische Präsident auch eine Weihnachtsansprache? Ich muss mich unbedingt erkundigen."

Ebenfalls sehr angesprochen hat mich "Die U-Bahn" von Suzana Tratnik. "Die Ausstellung über den Plan für ein U-Bahnnetz in Ljubljana wurde von meiner Bekannten Ines organisiert." Das Verhältnis zu besagter Ines ist ... selber lesen, es lohn sich, denn es ist sehr witzig geschrieben, kritisch und selbstkritisch.

Besonders aufschlussreich ist Fiona Sampsons "Der Karst", ein Text, der unter anderem davon handelt, dass Slowenien ja ein recht neues Land ist, was für nicht wenige auch ziemlich verwirrend ist. "Im neuen Slowenien hat er darunter gelitten, dass er ethnisch kein Slowene, sondern Bosnier ist. Als das Land unabhängig wurde, waren viele seiner Bewohner keine ethnischen Slowenen, obwohl sie natürlich Bürger Jugoslawiens gewesen waren. Der geschrumpfte Staat und mit ihm die Staatszugehörigkeit endete plötzlich an neuen Grenzen. Mehrere unserer Freunde verloren ihre beruflichen Stellungen ...".

Mein Lieblingsgeschichte ist von Ana Svetel. Sie handelt von ihrem Verlobten, der ein Sauberkeitsfanatiker ist und für einen stark reduzierten Staubsauger einiges auf sich nimmt. "... wir standen Schlange, geduldig wie zwei Österreicher ...". Seither sehe ich Österreicher mit anderen Augen.

Ljubljana und Slowenien, eine bunte Palette unterschiedlichsten Texte, macht neugierig, genau wie das eine Einladung machen soll.

Ljubljana und Slowenien
Eine literarische Einladung
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2023