Wednesday, 30 April 2014

Bildsprachen zeitgenössischer Fotografen

Was ist das eigentlich, eine eigenständige Bildsprache? Martin Zurmühle erläutert dies am Beispiel seines Kollegen Helmut Gollmann aus dem Fotoklub Luzern, der sich für "die Motive, die eigentlich keine Motive sind" interessiert, da es ihm um die "Gleich-Gültigkeit der Dinge" geht und seine Bilder "erkennbare, gemeinsame Elemente aufweisen, die den Wiedererkennungseffekt ausmachen." Mit Schmunzeln nahm ich dabei zur Kenntnis, dass es bei Gollmann für jede Situation nur einen Ort gibt, "von wo er seine Aufnahme machen kann. Sieht er diesen Ort nicht, so nimmt er meistens auch kein Bild auf." Solche Eigenheiten machen den Fotografen eben zum Fotografen oder genauer: definieren seine für ihn typische Bildsprache. So hält Zurmühle etwa über sich selber fest: "Ich kann die Kamera nicht schräg halten, ich mag keine gekippten Bilder. Horizontale Linien müssen genau horizontal verlaufen, vertikale genau vertikal. Alle Elemente im Bild müssen an ihrem richtigen oft einzig möglichen Ort sein, sonst bin ich mit mir und meiner Arbeit unzufrieden."

Speziell neugierig war ich auf Zurmühles Ausführungen über Architekturfotografie, vor allem, weil er ja selber Architekt und Fotograf ist. Worin liegt eigentlich die kreative Leistung des Fotografen, der ein Bauwerk ins Bild setzt? Am Beispiel des amerikanischen Berufsfotografen Allan Russ werden drei wesentliche Elemente aufgezeigt: die zentrale Rolle der Formen, die Lichtstimmungen, die Einbettung in Natur und Landschaft. "Viele seiner Architekturbilder wirken eher wie Landschaftsbilder mit einem Bauwerk."

"Bildsprachen zeitgenössischer Fotografen" ist allein wegen der vielen ansprechenden Fotografien ein faszinierender Band. Ganz unterschiedliche Ansätze haben darin Aufnahmen gefunden, vom deutschen Amateurfotografen Christian Maier (geb. 1976), für den die Nachbearbeitung zentraler ist als das eigentliche Foto bis zum Reportagefotografen Steve McCurry (geb. 1950), dem es um eine möglichst unverfälschte Wiedergabe der Realität geht.

Frank Meyl (geb. 1965) studierte Architektur, die Fotografie eignete er sich autodidaktisch an, denn seiner Auffassung nach geht es bei der Fotografie um das Sehen, und das kann einem niemand beibringen. Seinen Bildstil bezeichnet er als "grafisch und reduziert ... mit dem Blick auf das Wesentliche, oft Unsichtbare". Es verblüfft mich, wie nichtssagend mir diese Worte beim Betrachten seiner mich ungemein ansprechenden Aufnahmen vorkommen. Überhaupt scheint mir, angesichts der vielen tollen Bilder in diesem Buch, die Sprache / das Denken / das Räsonnieren darüber seltsam inadäquat. Ganz als ob, was Bilder ausmacht, nicht in Sprache ausgedrückt werden kann.

Nehmen wir als Beispiel den Schweizer Fotografen, Bergführer und Geografen Robert Bösch (geb. 1954). "Seine Fotografie zeichnet sich nicht durch seine Motivwahl aus, sondern durch die Art und Weise, wie er seine Motive fotografiert", schreibt Martin Zurmühle und charakterisiert Böschs Bilder wie folgt:
* Formorientierung: Seine Bilder zeigen sehr klare, stark wirkende Formen und stehen so in der Tradition der klassischen Fotografie.
* Ausgewogenheit: Seine Bildkompositionen sind sehr ausgewogen, alles passt perfekt zusammen und der Ausschnitt wird schon bei der Aufnahme fertig komponiert und nicht mehr zugeschnitten.
*Aufnahmestandort: Die richtige, oft auch überraschende Wahl des Aufnahmestandorts gibt seinen Bildern eine besondere Kraft und Wirkung.
*Inszenierung: Durch die perfekte Platzierung der agierenden Menschen wird die Bildwirkung verstärkt und eine spannende Geschichte erzählt.

Die Ausführungen zu diesen vier Kriterien sind dermassen allgemein gehalten, dass sie auf viele Fotografien zutreffen. Dazu kommt, dass Böschs Verfahren, "den perfekten Ausschnitt bereits bei der Aufnahme festlegen ... und nicht mehr verändern", nicht vom Bild her erkennbar ist und mithin kein Element der Bildsprache sein kann. Und nicht zuletzt: dass Fotos Geschichten erzählen, wird zwar immer wieder behauptet, doch es ist deswegen noch lange nicht wahr. Es ist umgekehrt: wir brauchen die Geschichten zu den Fotos, um diese zu verstehen.

So sehr ich Martin Zurmühles Versuch, Bildsprachen zu identifizieren, schätze, sein sehr schön gestalteter Band (ganz wunderbar auch die Farbqualität) hat mich nicht wirklich überzeugen können. Mir scheinen die präsentierten Kriterien zu allgemein und unverbindlich. Und doch will ich diesen Band uneingeschränkt empfehlen: weil er mich auf vielfältigste Art und Weise zur Auseinandersetzung mit Fotos und Fotografen angeregt hat.

Martin Zurmühle
Bildsprachen zeitgenössischer Fotografen
Vier-Augen-Verlag, Luzern 2013

Wednesday, 23 April 2014

Robert Lebeck: Welt

It doesn't happen often that, when leafing for the first time through the pages of a photo book, I'm so much taken up with what I'm looking at that I'm forgetting time and plunge into the world that is in front of my eyes. I'm not really sure why that is, I simply do then connect instinctively. To me, Robert Lebeck photographs as if he were painting. By this I mean that these images look arranged although I know them to be found - and that makes them stunning, exceptional, powerful. Moreover, given the fact that many of the scenes captured aren't extraordinary at all, this is nothing short of a miracle.
San Blas Islands, Panama, 1967 @ Robert Lebeck

Once Lebeck was asked to photograph Claudia Schiffer. She was very young then and inquired  politely. "Mr Lebeck, how do you think we should do the photos?" After quite a while, he said: "I thought with a camera."

And then there's the pic of Romy Schneider, in Quiberon, by the sea, that is accompanied by words that reveal an attitude that I have lots of sympathy for: "I'm not one for unscrupulous point-and-shoot photography. I think it's important to respect motifs. I always photographed Romy Schneider, for example, so that she was not distorted and so that I could come back again - even in the rehab clinic in Quiberon, and even shortly before her death."
Racibórz, Poland, 1985 @ Robert Lebeck

I thought it interesting to learn that Lebeck only in hindsight became aware that his photographs had something in common. "If you thumb through the colour photos of this book, you'll soon slip into Robert Lebeck's rhythm and eye. It is the rhythm of a stroll and a journey, and an eye that searches but doesn't stipulate", as Jochen Siemens put it.

Robert Lebeck's Welt is a truly rare tome. I say this because of the feelings his photos evoke in me. I do sense warmth and dignity, empathy and joy, meditativeness and pensiveness.
Bolshoi ballet dancers, Moscow, 1976 @ Robert Lebeck

Robert Lebeck in his own words:
"The only photographic training I had was reading the operating instructions for my first Retina camera."
 "A good photo is like life – multifarious, impressive and sometimes hard to take.“
 "A photographer is an eye and a memory, that's all."

Robert Lebeck 
Welt
German / English
stern Fotografie Nr. 75

Wednesday, 16 April 2014

Kate Moss by Mario Testino

"Este libro es un pequeño homenaje a alguien que me hace sentir muy afortunado por tenerla en mi vida. Kate me ha dado, a mi y a todos los que hemos tenido el privilegio de conocerla, más de lo que ella jamás podrá pensar o imaginar", dijo Mario Testino acerca de Kate Moss en una conversación con Patrick Kinmonth. Para el fotografo, la llegada de Kate Moss al mundo de la moda revolucionó todo porque ella "tenía una presencia totalmente diferente a la de las top models de la época."
No cabe duda, Kate Moss es una mujer muy fotogénica, esto es evidente en todas las fotos de ella. Entonces, qué hace las fotos de Mario Testino especial? Dice Kate Moss: "Tenemos la misma perspectiva de la vida y el mismo sentido del humor." Además: "Mario me llevó a otro nivel. Es como de la familia. Confianza y respeto, eso es lo que siento por él."
Marion Testino nació en 1954 en Lima, Perú. A finales de los años setenta, tras terminar sus estudios en America del Sur, se trasladó a Londres para comenzar su carrera como fotógrafo de moda profesional. Sus fotografías se han publicado en revistas como Vogue y Vanity Fair y se han mostrado en numerosos exposiciones alrededor del globo. Kate Moss by Mario Testino es su décima publicación.
Kate Moss by Mario Testino
Alemán, Inglés, Francés, Español
Taschen, Colonia 2014
http://www.taschen.com/

Wednesday, 9 April 2014

A photograph or a painting?

Violent protests in Caracas 
Photo: EPA 

Sometimes, a photograph hits me instantly. It so happened with the one shown above. I felt reminded of a staged scene by Jeff Wall. But this picture was not staged, it was real. I assume that because I came across it in a newspaper. Needless to say that given all the modern tampering possibilities, this is probably not the most reliable indicator. Nevertheless, I've decided to believe that the photograph shown was evidence of what the photographer had observed during violent clashes in Caracas. 

How come I was so fascinated by this image? Here are my guesses: it did not strike me as a current press photograph; it looked more like a painting than a photograph; there seemed to be some timeless quality about it ... and that I thought great and odd at the same time for a press photograph and timelessness rarely go hand in hand. 

By the way, here's the newspaper-link.

Wednesday, 2 April 2014

Army Of One

In Army Of One, Elisabeth Real, born in 1979, a freelance photographer based in Switzerland, tells the story of six American soldiers whose lives have been irreversibly altered by the war in Iraq, says the blurb. In the intro I however read that "this book tells the story of my brother-in-law and three of his unit comrades".

Here's how Elisabeth Real started off: "As a liberal European photo student, I don't understand why someone would join the Army voluntarily, to fight in a war that makes no sense to me, risking his life for no good reason." And so she asks Timothy McClellan, the brother of her future husband Erin, who at twenty-one had just become a father, the questions that were then on her mind. "What do you do all day when you're over there? Do you like being a soldier? Do you feel this war is necessary? Do you support Bush?"

More than 1 million Americans served in the Iraq war alone, 4,488 died while serving (this figure does not include the suicides in war or after returning), at least 114,000 cilvilians were killed, high rates of post-traumatic stress disorders, a disturbing rise in homelessness among veterans are some of the consequences of the Iraq war. 

"This project is an attempt to break down all these numbers and statistics and focus on the single soldier ... I wanted the veterans to understand that they owned their testimony and that this project was a collaboration." And this is precisely what the book is all about: it gives an account of what is on the minds of these veterans.
US Army Specialist Timothy McClellan
Copyright 2013 by Elisabeth Real

Take Timothy McClellan for instance. He joined the army because his grandpa, who was his idol, was in the Korean War. And also because the army would pay for college. That sounds so terribly banal that ...  well, why should I be interested in such a guy? Because he has gone through what many others will not go through? That is certainly true but is that enough for interesting reading? I'm not so sure and readily admit that quite a lot I read in this work I didn't think worth telling ... yet again and again I came across passages that I've found most revealing and a devastating critique of the official war-rhetoric:

"I didn' really think of anything as I was shooting them. Just that they were targets. I looked at it just like it was training. I've never thought about his family or anything or what his life was like or what it would be like if I let him live, I don't worry about that stuff, I just do my job."

"... I spent about three weeks in Fort Hood waiting to go on leave. You just go through reintegration training during that time. They give you classes, like, don't beat your wife, don't beat your kids, be patient, don't shoot anybody, don't drive on the wrong side of the road, you don't have any authority anymore ...Stuff like that. It's common sense! Some people just don't get it, that they can't pull a gun on anybody they want anymore; they can't treat people like they treat Iraqis, but some people have a tough time. I did experience that fellow soldiers have stepped over the line and were more brutal and abusive than they should have been, yeah, but I don't want to talk about it."

"I love America, you know. I am a patriot. I want the best for America, but I don't feel like anything I have done has made it any better. Some people say they joined the Army because they want to serve their country, but I don't think they really did. I've never met anybody who actually said that."
Killeen, Texas, USA
Copyright 2013 by Elisabeth Real

Looking at pictures like the one of the street scene of Killeen, Texas, or the swimming pool below reminded me of my time in 29 Palms, California, home of the Marine Corps Air Ground Combat Center where soldiers like the ones portrayed in Army Of One went through training for the war in Iraq. Seeing these guys in supermarkets or fast food joints and imagine them soon being sent off to Iraq (and probably not coming back alive) felt very weird: they all seemed so regular sporting their tattoos and munching their nachos - very much like the ones in this book. It is the combination of pictures and stories that gives Army Of One a somewhat surreal aura - only that it is in fact very real.
US Army Veteran Tom Edwards 
Copyright 2013 by Elisabeth Real.

Elisabeth Real
Army Of One
Six American Veterans After Iraq
Scheidegger & Spiess, Zurich 2013