"SEHEN soweit das DENKEN reicht. Eine Begegnung von Fotografie und Philosophie", herausgegeben von Yves Bossart, ist ein auf vielfältige Art und Weise inspirierendes Werk, unter anderem deswegen, weil man da bereits im Vorwort auf Bedenkenswertes und Anregendes stösst:
"Die Fotografie hat mit der Philosophie zumindest eines gemeinsam: Sie zeigt uns selten Dinge, die wir noch nicht kennen. Diese vertrauten Dinge präsentiert sie uns jedoch – wie die Philosophie – auf eine Weise, die neu ist, die uns anspricht, verblüfft, provoziert oder gar fesselt."
"Fotografie ist eine Schule des Denkens und des Sehens. Sie sensibilisiert unser Auge und stimuliert unseren Geist."
"Was die Philosophie denkt, lässt die Fotografie uns erleben."
Doch dann, ganz zum Schluss des Vorworts, stosse ich auf Überzeugungen, die ich ganz und gar nicht teile: "Ein Text sollte nicht über ein Bild reden, sondern mit ihm. Er sollte das Bild nicht beschreiben, sondern es zum Sprechen bringen. Wenn Texte mit Bildern ins Gespräch kommen, dann verändern sich beide, Bild und Text." Wie soll das praktisch gehen, dass ein Text mit einem Bild redet? Ebenso unsinnig scheint mir die Forderung, ein Bild zum Sprechen bringen zu wollen, denn was ja eine Fotografie unter anderem kennzeichnet, ist, dass sie tonlos ist. Zudem: es gibt einige Autoren in diesem Band, die über die Bilder (etwa Rudolf Ruzicka) und noch ganz viel anderes, das nicht direkt mit dem Bild zu tun hat (etwa Friederike Schmitz), schreiben.
Herausgeber Bossart geht davon aus, dass es sich beim Bilderlesen um eine Dreierkonstellation handelt und das meint, dass die Fotografien dieses Bandes anders wirken, nachdem man die Texte gelesen hat (das versteht sich). Und dass sich auch die Texte verändern, wenn man die Bilder kennt (sowieso). Und dass sich dann zu den zwei Gesprächspartnern (er betrachtet Text und Bild als Gesprächspartner), die Bilderleserin gesellt, die sich hoffentlich "durch das Gespräch mit Texten und Bildern verändert – sodass sich die Welt vor ihren Augen zu verwandeln beginnt."
Ich muss gestehen, ich kann mit Bossarts Ausdrucksweise beziehungsweise seinen Vorstellungen, dass es sich bei Text und Bild um Gesprächspartner handeln soll, so ziemlich gar nichts anfangen. Mehr als eine Zuschreibung ist das nämlich nicht, und darüber hinaus eine ziemlich realitätsferne, weil weder Bild noch Text reden und deswegen auch nicht miteinander in einen Dialog treten können. Zudem: eine Auseinandersetzung mit Texten und Bildern ist letztlich nie etwas anderes (kann gar nichts anderes sein) als eine Selbstbefragung.
"SEHEN soweit das DENKEN reicht. Eine Begegnung von Fotografie und Philosophie" ist kein Buch, dass man einfach so liest, sondern eine sehr gelungene Komposition, auf die man sich einlassen soll. Beim Lesen der Texte blieb ich immer wieder an einzelnen Sätzen hängen ("... die Fotografie ist auch eine Aufzeichnung dessen, was nicht im Bild ist"), fragte mich, ob das mehr als nur eine Behauptung sei ("Den fotografischen Akt kennzeichnet mehr als das, was sich mit Abzügen auf Fotopapier reproduzieren lässt") und liess dann meine Augen zu den diese Sätze begleitenden Fotos wandern. Stimme ich zu, stimme ich nicht zu? Häufig wusste ich es nicht und fand ich es auch nicht nötig, eine abschliessende Meinung zu haben, manchmal genügte es, ganz einfach die meditativen Stimmungen zu erleben, die diese durch Bilder und Texte angeregten Selbstbefragungen bei mir auslösten.
Eine meiner liebsten Bild-Text-Kombinationen handelt vom Alt-Werden; zu dem Grau in Grau Bild von Mantel und Stock auf Seite 93 formuliert Philipp Hübel sehr schön: "Jede Weisheit fehlt. Niemand ist da. Und doch wissen wir, dass jemand alt geworden ist."
SEHEN soweit das DENKEN reicht.
Eine Begegnung von Fotografie und Philosophie
Yves Bossart (Hrsg.)
Offizin Verlag, Zürich 2012
"Was die Philosophie denkt, lässt die Fotografie uns erleben."
Doch dann, ganz zum Schluss des Vorworts, stosse ich auf Überzeugungen, die ich ganz und gar nicht teile: "Ein Text sollte nicht über ein Bild reden, sondern mit ihm. Er sollte das Bild nicht beschreiben, sondern es zum Sprechen bringen. Wenn Texte mit Bildern ins Gespräch kommen, dann verändern sich beide, Bild und Text." Wie soll das praktisch gehen, dass ein Text mit einem Bild redet? Ebenso unsinnig scheint mir die Forderung, ein Bild zum Sprechen bringen zu wollen, denn was ja eine Fotografie unter anderem kennzeichnet, ist, dass sie tonlos ist. Zudem: es gibt einige Autoren in diesem Band, die über die Bilder (etwa Rudolf Ruzicka) und noch ganz viel anderes, das nicht direkt mit dem Bild zu tun hat (etwa Friederike Schmitz), schreiben.
Herausgeber Bossart geht davon aus, dass es sich beim Bilderlesen um eine Dreierkonstellation handelt und das meint, dass die Fotografien dieses Bandes anders wirken, nachdem man die Texte gelesen hat (das versteht sich). Und dass sich auch die Texte verändern, wenn man die Bilder kennt (sowieso). Und dass sich dann zu den zwei Gesprächspartnern (er betrachtet Text und Bild als Gesprächspartner), die Bilderleserin gesellt, die sich hoffentlich "durch das Gespräch mit Texten und Bildern verändert – sodass sich die Welt vor ihren Augen zu verwandeln beginnt."
Ich muss gestehen, ich kann mit Bossarts Ausdrucksweise beziehungsweise seinen Vorstellungen, dass es sich bei Text und Bild um Gesprächspartner handeln soll, so ziemlich gar nichts anfangen. Mehr als eine Zuschreibung ist das nämlich nicht, und darüber hinaus eine ziemlich realitätsferne, weil weder Bild noch Text reden und deswegen auch nicht miteinander in einen Dialog treten können. Zudem: eine Auseinandersetzung mit Texten und Bildern ist letztlich nie etwas anderes (kann gar nichts anderes sein) als eine Selbstbefragung.
"SEHEN soweit das DENKEN reicht. Eine Begegnung von Fotografie und Philosophie" ist kein Buch, dass man einfach so liest, sondern eine sehr gelungene Komposition, auf die man sich einlassen soll. Beim Lesen der Texte blieb ich immer wieder an einzelnen Sätzen hängen ("... die Fotografie ist auch eine Aufzeichnung dessen, was nicht im Bild ist"), fragte mich, ob das mehr als nur eine Behauptung sei ("Den fotografischen Akt kennzeichnet mehr als das, was sich mit Abzügen auf Fotopapier reproduzieren lässt") und liess dann meine Augen zu den diese Sätze begleitenden Fotos wandern. Stimme ich zu, stimme ich nicht zu? Häufig wusste ich es nicht und fand ich es auch nicht nötig, eine abschliessende Meinung zu haben, manchmal genügte es, ganz einfach die meditativen Stimmungen zu erleben, die diese durch Bilder und Texte angeregten Selbstbefragungen bei mir auslösten.
Eine meiner liebsten Bild-Text-Kombinationen handelt vom Alt-Werden; zu dem Grau in Grau Bild von Mantel und Stock auf Seite 93 formuliert Philipp Hübel sehr schön: "Jede Weisheit fehlt. Niemand ist da. Und doch wissen wir, dass jemand alt geworden ist."
SEHEN soweit das DENKEN reicht.
Eine Begegnung von Fotografie und Philosophie
Yves Bossart (Hrsg.)
Offizin Verlag, Zürich 2012