„Was
wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt in der wir leben,
wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ schreibt Niklas Luhmann
in 'Die
Realität der Massenmedien'. Und fährt fort: „Andererseits
wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen
nicht trauen können. Wir wehren uns mit einem Manipulationsverdacht,
der aber nicht zu nennenswerten Konsequenzen führt, da das den
Massenmedien entnommene Wissen sich wie von selbst zu einem
selbstverstärkenden Gefüge zusammenschliesst.
Man wird alles Wissen mit dem Vorzeichen des Bezweifelbaren versehen
– und trotzdem darauf bauen, daran anschliessen müssen.“
Alain de Botton geht in „Die Nachrichten“ dieses Thema auf
seine typische Art und Weise an. Also eloquent, smart und witzig. Und
dabei Zusammenhänge kreierend, die viel phantasievoller und
anregender sind, als das, was uns die Medien als Nachrichten-würdig
präsentieren.
So meldet etwa die BBC: „Der Wirtschaftsprüfer der Regierung
von Uganda hat berichtet, dass mehrere Millionen Dollar vom
Ministerium des Premierministers Amama Mbabazi auf private Konten
überwiesen wurden. Mr Mbabazi gibt zu, dass seinem Ministerium Geld
abhanden gekommen ist, streitet aber ab, etwas damit zu tun zu
haben.“
De Botton macht sich auf nach Uganda und schreibt, dass wenn uns
Nachrichten aus diesem Land irgendwie berühren sollen, wir erst
einmal etwas über die Mangobäume in Kampala wissen müssen, „deren
süsser Duft nach den fast stündlich einsetzenden Tropenregen durch
die überfüllten Boulevards weht.“
Er begleitet den BBC-Korrespondenten zu einer Pressekonferenz des
seit Wochen mit Diebstahlsvorwürfen von ausländischen Regierungen
und von seinem eigenen Volk bedrängten Premierministers. „Bei
solchen Gelegenheiten erwartet die Medienmaschinerie in erster Linie
ein Zitat, circa fünfzig Worte lang, das dann um weitere fünfzig
Worte von einem Sprecher der Opposition ergänzt wird.“
Dem Premierminister sind die Gepflogenheiten des zeitgenössischen
Journalismus jedoch ziemlich egal. „Meine Freunde“, hebt er an,
„liebe Freunde, ihr alle hier seid meine Freunde; hier in Uganda
reichen wir der Welt unsere Hand zur Freundschaft. Also, ihr heute
hier Versammelten, ich sage euch: genug Misstrauen und Traurigkeit,
genug der Anklage! Nichts Böses wird uns in der Zukunft widerfahren,
die wir für die Menschen in Uganda erschaffen, für alle Menschen in
Uganda, die Armen ebenso wie diejenigen, welche zu Wohlstand gelangt
sind, heute und morgen und an jedem Tag, den uns der Herr gewährt.“
Dazu meint de Botton: „Gewiss keine Äusserung, die sich ordentlich
ins nächste Bulletin platzieren liesse.“ Selten so gelacht!
De Botton bezeichnet sein Buch als „Gebrauchsanweisung“. Und
genau das ist es auch. Weil es aufzeigt, was und wie man es auch
anders machen könnte. Dabei ist er weit entfernt von dem, was
gemeinhin unter Medienkritik verstanden wird. Dem Interesse an
Prominenten, das bei seriösen Medienunternehmen allgemein verpönt
ist, gewinnt er durchaus Positives ab. Wenn es denn in die richtigen
Bahnen gelenkt würde.
Nehmen wir das Promi-Interview. „Dieses Genre, das sich derzeit
wesentlich auf persönliche Beziehungen und wirre Fragen nach dem
'neuen Projekt', beschränkt, sollte idealerweise vor allem eine Frage beantworten: 'Was können wir von dieser Berühmtheit lernen?' Es
sollte keine Rolle spielen, dass die betreffende Person in einem
anderen Bereich tätig ist als wir. Erfahrungen und Tugenden sind ja
auf andere Tätigkeiten übertragbar.“
Alain de Bottons "Die Nachrichten. Eine Gebrauchsanweisung ist voll solcher hilfreicher Anregungen. Eine höchst unterhaltende und inspirierende Lektüre!
Alain de Botton
Die Nachrichten
Eine Gebrauchsanweisung
Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2015